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    Hengsbach: Gegen die einzig zugelassenen Lügenmärchen des radikalen Marktes - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 21.08.04 22:16:16 von
    neuester Beitrag 24.08.04 16:28:32 von
    Beiträge: 19
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      Avatar
      schrieb am 21.08.04 22:16:16
      Beitrag Nr. 1 ()
      Heute: 21.08.2004
      Aktuelle Ausgabe: 34 - vom: 22.08.2004

      »Die Jungen müssen ihre Chance bekommen«
      Gespräch mit dem Sozialethiker Friedhelm Hengsbach



      Der Jesuit und Sozialethiker Friedhelm Hengsbach gilt als Stimme des sozialen Gewissens in den aktuellen Reformdebatten. Die Frage der »Generationengerechtigkeit« sieht er als Ablenkungsmanöver, während die Solidargesellschaft immer mehr abgebaut wird. Mit Hengsbach sprach Wolfgang Noack.

      Sind wir in der Lage, immer mehr alte Menschen zu finanzieren?

      Hengsbach: Ja, wenn die Wirtschaft produktiver wird. Wir haben Prob­leme der Finanzierung, weil wir die mögliche Wertschöpfung unterlassen. Ein Viertel des vorhandenen Arbeitspotenzials bleibt ungenutzt.

      Warum wird es nicht ausgenutzt?

      Hengsbach: Die politisch-ökonomische und monetäre Organisation versagt. Würden Sie einem Bürgermeister die nötigen Finanzmittel zur Verfügung stellen, er könnte genügend Aufgaben nennen, die dringend zu erledigen sind, und privaten Unternehmen die Aufträge erteilen. Diese stellen dann die Arbeitskräfte ein. Es ist eine Frage, wie das Geld verteilt wird.

      Die Kommunen sind aber pleite.

      Hengsbach: Warum bloß? Weil das gesamte Finanzregime zwischen Bund, Ländern und Gemeinden aus dem Lot ist. Die Kommunen wurden auf dem Altar der Steuerreform geopfert. Genug Geld ist da - bei den reich gemachten Privaten, nicht beim arm gemachten Staat.

      Warum hat der Staat sich arm gemacht?


      »Solidarität muss auf einer demokratischen Grundlage ruhen«, sagt Friedhelm Hengsbach. »Alle Einkommen von allen, die ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben, werden beitragspflichtig.«
      Sind wir in der Lage, immer mehr alte Menschen zu finanzieren?

      Hengsbach: Ja, wenn die Wirtschaft produktiver wird. Wir haben Prob­leme der Finanzierung, weil wir die mögliche Wertschöpfung unterlassen. Ein Viertel des vorhandenen Arbeitspotenzials bleibt ungenutzt.

      Warum wird es nicht ausgenutzt?

      Hengsbach: Die politisch-ökonomische und monetäre Organisation versagt. Würden Sie einem Bürgermeister die nötigen Finanzmittel zur Verfügung stellen, er könnte genügend Aufgaben nennen, die dringend zu erledigen sind, und privaten Unternehmen die Aufträge erteilen. Diese stellen dann die Arbeitskräfte ein. Es ist eine Frage, wie das Geld verteilt wird.

      Die Kommunen sind aber pleite.

      Hengsbach: Warum bloß? Weil das gesamte Finanzregime zwischen Bund, Ländern und Gemeinden aus dem Lot ist. Die Kommunen wurden auf dem Altar der Steuerreform geopfert. Genug Geld ist da - bei den reich gemachten Privaten, nicht beim arm gemachten Staat.

      Warum hat der Staat sich arm gemacht?

      Hengsbach: Das Dogma des radikalen Marktes lautet: Ein armer Staat ist ein leistungsfähiger, guter Staat. Also haben die Regierungen unter Kohl und Schröder die höheren Einkommensschichten steuerlich begünstigt - eine Fehlentscheidung. Aus dieser miserablen Lage kommt man nicht heraus, indem man nun ruckartig die Steuern erhöht. Das würde einen allgemeinen Aufschrei auslösen. Man muss den Kommunen Kredite zur Verfügung stellen, damit sie ihre Aufgaben leisten und Aufträge erteilen können. Dann kommt eine wirtschaftliche Aufwärtsspirale in Gang.

      Wo ist für Sie die Gerechtigkeit zwischen den Generationen verletzt?

      Hengsbach: Sie wird verletzt innerhalb derselben Generation - zwischen denen, die arbeiten wollen, und denen, die zur Mehrarbeit genötigt werden. Zwischen den Haushalten ohne Kinder und den Haushalten mit Kindern, zwischen den Wohlhabenden und den Armen.

      Nun sollen wir aber bald wieder bis 70 Jahre arbeiten, und das 42 Stunden pro Woche. Ist das sinnvoll?

      Hengsbach: Arbeitszeitverlängerung in einer Phase der Wachstumsschwäche und hoher Arbeitslosigkeit ist widersinnig. Das würde die Arbeitslosigkeit erhöhen. Man denkt vielleicht an ein Zukunftsszenario, da der Arbeitsmarkt total geräumt und die Nachfrage extrem stark ist.

      Von Reformen und Umbau ist fast tagtäglich die Rede. Mit der Vollkasko-Mentalität könne es so nicht weitergehen, heißt es. Ist der Sozialstaat Ihrer Meinung nach am Ende?

      Hengsbach: Der Sozialstaat steht hoch im Kurs bei denen, die wissen, dass er sie etwas kostet, aber ihnen auch nützt. Er wird schlecht geredet von denen, die auf ihn nicht angewiesen sind. Die sind es, die nicht mehr an ihn glauben und die solidarischen Sicherungssysteme gegenüber privater, kapitalgedeckter Vorsorge abwerten. Diese Diskussion wird überwiegend unter den ökonomischen und politischen Eliten geführt, die auf sichere Gewinne oder Beamtengehälter vertrauen können. Die Ihnen vorrechnen, dass es für sie rentabler und billiger wäre, wenn sie nicht gesetzlich, sondern privat versichert wären.

      Lassen sich gesellschaftliche Risiken individuell absichern?

      Hengsbach: Nein, zumindest nicht für die breite Bevölkerungsschicht. Der rot-grüne Faden der Agenda 2010 besteht meinem Eindruck nach darin, dass unter dem Zauberwort »Reform« gesellschaftliche Risiken zunehmend individualisiert werden, d.h. man sieht im persönlichen Versagen die Ursache für den Risikofall und sagt dann, dafür müsst ihr privat vorsorgen. Die Grundrechtsansprüche, das Recht auf Arbeit, auf Lebensunterhalt, auf Sicherheit werden in private Vertragsverhältnisse überführt.

      Was bedeutet es für eine Gesellschaft, wenn jeder Mensch ein individueller Risikofaktor wird?

      Hengsbach: Die totale Vermarktung der Gesellschaft - entsprechend den marktradikalen, wirtschaftsliberalen Glaubenssätzen, die seit 25 Jahren die Öffentlichkeit beherrschen: Vertraue erstens auf die Selbstheilungskräfte des Marktes, denn der Markt ist das optimale Steuerungsinstrument auch für die Gesellschaft, weil er sie durch Wettbewerb innovativ macht. Zweitens ist der schlanke Staat der beste aller möglichen Staaten; sein Kerngeschäft besteht in der Sicherung des Privateigentums und der Gewerbefreiheit. Und drittens soll man die Wirtschaftspolitik der Notenbank überlassen; wenn diese für die Stabilität des Preisniveaus sorgt und die Interessen der Eigentümer von Geldvermögen wahrt, kämen Wachstum und Vollbeschäftigung automatisch. Was folgt daraus? Eine wachsende Polarisierung und Spaltung der Gesellschaft.

      Muss Solidarität neu definiert werden?

      Hengsbach: Zumindest so, dass Frauen und Männer ihre gemeinsamen Lebenspläne verwirklichen können. Erwerbsarbeit, private Erziehung der Kinder und zivilgesellschaftliches Engagement sollten fair auf die beiden Geschlechter verteilt werden und sie auch sozial absichern. Solidarität muss auf einer demokratischen Grundlage ruhen: Alle Einkommen von allen, die ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben, werden beitragspflichtig.

      Lässt sich der solidarische Gedanke in einer Gesellschaft wieder einführen? Wie können Kinder und Jugendliche so etwas lernen?

      Hengsbach: Jugendliche müssen Solidarität zunächst auf Augenhöhe erfahren. Gegenwärtig erfahren sie keine gesellschaftliche Solidarität, solange ihnen nicht einmal die Chance einer sinnvollen Arbeit garantiert ist, was für die Älteren selbstverständlich war. Selbst wenn junge Menschen ihre Ausbildung beendet haben, empfinden sie sich mehr oder weniger als chancenlos.

      Diese Arbeitsgesellschaft kann gut auf einen Teil ihrer Mitglieder verzichten.

      Hengsbach: Die Industrie wird keine Vollbeschäftigung mehr herstellen. Wir verschrotten Arbeitsvermögen durch Nicht-Arbeit. Wir geben Möglichkeiten preis, die wir in Anspruch nehmen könnten, falls wir die Leute produktiv, sinnvoll beschäftigen - etwa bei der dringenden Sanierung der Städte, bei der ökologischen Umsteuerung, im Krankenhaus oder in der Schule.

      Stehen wir vor härteren Auseinandersetzungen? Wir glaubten in den Sechziger- und Siebzigerjahren, dass wir in einer Konsensgesellschaft leben würden. Das war wohl die falsche Perspektive gewesen?

      Hengsbach: Die nostalgische Erinnerung an die Fünfziger- oder Sechzigerjahre, als es kooperative Konfliktregelungen gab, hilft nicht weiter. Die weltwirtschaftlichen Schocks Mitte der Siebzigerjahre haben die reinen Marktparolen salonfähig gemacht. Aber deren erbärmliche Ergebnisse werden auf absehbare Zeit eine Wende erzwingen.

      Von dem damaligen Konsens ist nicht mehr viel übrig geblieben.

      Hengsbach: Die zunehmende Schieflage der Einkommens- und Vermögensverteilung sowie die Ausgrenzung erheblicher Bevölkerungsteile decken die traditionellen Klassen­gegensätze auf. Dazu kommen fließende Grenzen zwischen unbefristeten und befristeten Arbeitsverhältnissen, Teilzeitarbeit, Leiharbeit, geringfügiger Beschäftigung, Mini-Jobs und Scheinselbstständigkeit. Sie verkörpern die Schieflage der Machtverhältnisse in einer kapitalistischen Wirtschaft. Diese zeigen sich an der Nahtstelle zwischen monetärem und realwirtschaftlichem Kreislauf und in der Aufhebung des Wettbewerbs auf den Gütermärkten. Auch in den Unternehmen ist trotz der Teamarbeit der Zugriff der Konzernzentrale auf die Mitarbeiter stark geblieben. Auch wenn von Zielvereinbarungen die Rede ist, sind die Ziele von der Konzernspitze vorgegeben.

      Warum artikuliert sich im parlamentarischen Bereich kein Widerstand gegen ein solches System?

      Hengsbach: Weil die Politiker gegen die ökonomische Klasse in der Industrie keine eigene Position aufbauen können. Diejenigen, die über die Agenda 2010 entschieden haben, sind vom Risiko der Arbeitslosigkeit und der Sozialhilfe weit entfernt. Die politische und ökonomische Klasse, die entscheidet, führt einen Feldzug gegen diejenigen, die von den Entscheidungen betroffen sind.

      Aber die Generationengerechtigkeit ist für Sie eine Frage der Verteilungsgerechtigkeit?

      Hengsbach: Ja, es ist die ungleiche Verteilung von Chancen junger Menschen, die aus der Ausbildung herauskommen und keinen Ausbildungsplatz ihrer Wahl finden. Die Verteilung der Zugangschancen zu Bildung und Arbeit ist ungleich und unfair. Es ist ein Problem innerhalb derselben Generation, denn derjenige, der einen Arbeitsplatz anbieten könnte, ist gerade mal 15 Jahre älter als derjenige, der einen Arbeitsplatz sucht.

      Ist der Generationenkonflikt ein künstlich geschaffener?

      Hengsbach: Ja, die Debatte um die Generationengerechtigkeit ist ein Alibi dafür, dass die Gerechtigkeitsfrage innerhalb derselben Generation zugedeckt wird. Das Verteilungsproblem besteht zwischen Männern und Frauen, zwischen Erwerbstätigen und Arbeitslosen, zwischen Höherverdienenden und denen im Niedriglohnsektor. Wenn die Erwerbsarbeit als Schlüssel für die gesellschaftliche Integration den Jugendlichen zugänglich wäre, würde nicht über Generationengerechtigkeit geredet.

      http://www.sonntagsblatt-bayern.de/news/aktuell/2004_32_04_0…
      Avatar
      schrieb am 21.08.04 22:28:02
      Beitrag Nr. 2 ()
      Diesen Beitrag sollten alle lesen! Er gibt viele Antworten, die zur Lösung der derzeitigen hausgemachten Probleme führen!!!

      Aber gleich werden sich die Geier über ihn stürzen und den Artikel zerfetzen!!!
      Warum? Weil sie nicht nachdenken wollen oder können!!!Sind manipulierte Menschen, die ihren eigenen Geist verschenken!!!
      Avatar
      schrieb am 21.08.04 22:52:57
      Beitrag Nr. 3 ()
      Hengsbach redet Unsinn.
      Die Finanz- und wirtschaftlichen Probleme gab es schon immer.
      Das Problem ist der Staat. Denn nur durch seine Schulden entsteht Inflation und dann die Deflation. Aber als Mitglied einer Institution die eine Diktatur im Sinne der Kommunisten schaffen will, ist Hengstbach auch nicht gerade glaubwürdig.
      Ich kann diesen Unsinn solcher blöden klerikalen Schwätzer nicht mehr hören. Die sollen sich in ihre kloster zurückziehen und ihre eigenen Brüder ausbeuten.

      coke
      Avatar
      schrieb am 21.08.04 23:19:16
      Beitrag Nr. 4 ()
      Mit vollen Hosen ist gut stinken...


      EINKÜNFTE UND VERMÖGEN DER KIRCHEN HEUTE

      Wie wird die Kirchensteuer verwendet?
      Dieter Potzel: Ja, Herr Rampp, wenn man das so hört, da hat sich doch eine ganze Menge Geld angesammelt. Aber wenn die Kirchen heute in die Öffentlichkeit gehen – man hat es ja auch im Film gesehen – dann vermitteln sie doch den Eindruck: Auch wir Kirchen haben wenig Geld: „Könnt ihr uns nicht noch mehr unterstützen?“

      Sie sind einer der wenigen Experten, was die heutigen Einkünfte und das Vermögen der Kirche betrifft. Ich glaube, es gibt eine große Unkenntnis in der Gesellschaft über die Kirchenfinanzen und das finanzielle Gebaren der Kirchen. Sagen Sie uns doch einmal, wie es wirklich ausschaut.

      Gerhard Rampp: Es geht im Wesentlichen um drei Punkte, nämlich: Wie wird die Kirchensteuer verwendet? Das ist ein Punkt, der nur diejenigen interessiert, die noch Mitglied der Kirche sind. Da ist festzustellen: Weniger als 10% der Kirchensteuer wird für öffentlich-soziale Zwecke verwendet. Rund 2/3 der Kirchensteuer wird verwendet für die Bezahlung der Pfarrer und das sonstige Kirchenpersonal, wobei hier nicht dabei sind die Caritas und das Diakonische Werk. Also nur die Kirche als Institution. Das ist der eine Punkt.



      Finanzierung der kirchlichen Sozialeinrichtungen
      Und dann der zweite Punkt: Wie werden eigentlich die kirchlichen Sozialeinrichtungen finanziert? Das ist nun etwas, was auch Konfessionsfreie, also Nicht-Kirchensteuerzahler, interessiert, dass z.B. kirchliche Krankenhäuser und Altenheime völlig ohne Kirchensteuermittel finanziert werden. Das wissen nur sehr wenige. Wir haben vorher in dem Film gesehen, Kindergärten werden zu etwa 7% aus der Kirchensteuer bezahlt. Selbst kirchliche Schulen werden im Durchschnitt zu etwa 90% aus staatlichen Mitteln finanziert. Die haben sich früher sogar ganz getragen, zu 100%, als noch jeder 11. im Schulpersonal Ordensangehöriger war. Denn für diesen hatte der Staat jeweils einen Pauschalbetrag gezahlt. Die Kirche hat aber diesem Pater oder dieser Nonne jeweils nur ein Taschengeld gegeben bei freier Kost und Logis, so dass sie mit dem Überschuss, den sie dadurch hatten, die Schule sozusagen für sich zum Nulltarif finanzieren konnten. Inzwischen geht es nicht mehr ganz so.



      20.000.000.000,- € für Innerkirchliches pro Jahr!

      Nun aber das Wesentliche: Wir haben im Film gehört: Rund 20 Milliarden € – das ist gerundet nach den Berechnungen von Dr. Carsten Frerk, der ja auch in dem Panorama-Beitrag erwähnt wurde – bekommen die Kirchen vom Staat insgesamt direkt und indirekt an Subventionen, an Zuwendungen und zwar für rein innerkirchliche Zwecke. Da sind also nicht die Zuwendungen für öffentliche Sozialeinrichtungen dabei. Diese sind, meine ich, im Prinzip nicht einmal in Zweifel zu ziehen, denn wenn die Kirche oder andere freie Träger sie nicht betreiben würden, dann müsste sie der Staat bzw. die Kommune betreiben. Das zähle ich gar nicht, obwohl hier natürlich auch deutlich wird: Die Kirchen nutzen die paar Prozent oder sogar bei Krankenhäusern die Null Prozent, die sie selber beisteuern, dazu, ihr kirchliches Arbeitsrecht anzuwenden. Das aber bedeutet z.B., dass, wer geschieden ist und wieder heiratet, fristlos entlassen wird – fristlos, d.h. die Kirche ist nicht einmal an Kündigungsfristen gebunden.

      Die Einnahmen der Kirchen sind gewaltig: 20 Milliarden € Einnahmen durch Staatszuwendungen und 8½ Milliarden € durch Kirchensteuereinnahmen. Da nimmt es nicht wunder, wenn Norbert Feldhoff, einer der besten Finanzexperten der katholischen Kirche überhaupt (er war in der Erzdiözese Köln Finanzdirektor und eine Zeitlang auch Caritas-Direktor), sinngemäß sagte: Im Grunde genommen bräuchte die Kirche die Kirchensteuern überhaupt nicht!

      Doch die Kirchensteuern sind der einzige Brocken, über den die Kirche überhaupt, wenn auch nur andeutungsweise, Rechenschaft ablegt. Ich habe dies sehr genau verfolgt seit Ende der 80er-Jahre. Ich habe meine Untersuchungen über Kirchenfinanzen sehr intensiv zwischen 1986 und 1998 angestellt und da habe ich festgestellt, dass seit Mitte der 90er Jahre die Kirchen selbst in diesen bescheidenen Angaben zur Verwendung der Kirchensteuern nicht mehr aufschlüsseln, wie viel davon für soziale Zwecke verwendet wird – vermutlich, weil es so verschwindend wenig ist. Die Kirchen haben wohl gemerkt, dass das in der Öffentlichkeit nicht gut ankommt, und verteilen die Beträge jetzt auf verschiedene Posten, so dass man sie jetzt nicht mehr so genau aufschlüsseln kann. Über ihre sonstigen Einkünfte geben die Kirchen überhaupt keine Auskunft, z.B. aus Zinsen, Dividenden, Mieten und Pachten. DER SPIEGEL hat vor einigen Jahren berichtet – und das blieb unbestritten –, dass die beiden Kirchen hier zusammen eine Summe einnehmen, die etwa ein Drittel dessen ausmacht, was die Kirchen bereits an Kirchensteuern einnahmen. Darüber aber wird überhaupt nichts gesagt, das fließt auch nicht in den üblichen Haushalt ein, sondern wird sozusagen gleich wieder zur Vermögensanlage oder zur Rücklagestärkung der Finanzen verwendet. Darüber erfährt der Normalbürger nichts.

      Desgleichen ist es nahezu unmöglich, die Kirchenfinanzen exakt aufzuschlüsseln, denn wir haben in der katholischen Kirche jeweils nur eine Auskunft über die Einnahmen und Ausgaben auf Diözesanebene bzw. auf Landeskirchenebene in der evangelischen Kirche. Nun gibt es 27 katholische Diözesen und 24 evangelische Landeskirchen. Das sind 51. Tatsächlich gibt es aber insgesamt sage und schreibe 80.000 Körperschaften, das sind Pfarreien, das sind Kirchenstiftungen, das sind besondere Fonds, also 80.000 verschiedene Stellen, die Einnahmen haben oder über Vermögen verfügen. Das ist so kompliziert, dass nicht einmal die Kirchenfinanzexperten in ihrem eigenen Bereich darüber genau Bescheid wissen.

      Dr. Carsten Frerk hat sich als Politologe über zwei Jahre die Mühe gemacht, das kirchliche Finanzgebaren zu untersuchen. Und sein Buch ist schon fast ein Standardwerk: »Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland« (Alibri-Verlag, ISBN-Nr. 3-932710-39-8). Er kam auf Zuschüsse von 20 Milliarden, das sind 20.000 Millionen, eine unvorstellbare Zahl. Vielleicht können wir aber soviel festhalten: Wenn der Staat diese Leistungen an die Kirchen, die er ja nun schon seit vielen Jahrzehnten leistet – wobei sich in den letzten zwei Jahrzehnten die Summen deutlich erhöht haben –, wenn der Staat diese Leistungen nicht an die Kirchen abgeführt hätte, dann wäre heute die Staatsverschuldung in Bund, Ländern und Gemeinden nur etwa halb so hoch. Das ist eine Zahl.

      Eine zweite Zahl, die Sie sich merken können: Wir alle – egal, ob wir der Kirche angehören oder nicht – zahlen über unsere Steuern in etwa doppelt soviel an die Kirchen wie über die Kirchensteuer. Das heißt, wir alle werden mit dem doppelten Kirchensteuersatz zur Kasse gebeten und die Kirchensteuerzahler natürlich mit dem dreifachen Satz, denn die müssen noch einmal zahlen, nämlich die normale Kirchensteuer.

      Dieter Potzel: Dankeschön, Herr Rampp. [Mehr]


      http://www.spart-euch-die-kirche.de/kirchenfinanzenheute/ind…
      Avatar
      schrieb am 22.08.04 01:37:20
      Beitrag Nr. 5 ()
      Wenn hier gegen Friedhelm Hengsbach polemisiert wird mit Verweis auf den Reichtum der Katholischen Kirche, dann verfehlt dieses Argument den beabsichtigten Zweck.

      Friedhelm Hengsbach steht in Opposition zur sozialpolitischen Haltung der Deutschen Bischofskonferenz, die längst begonnen hat, sich an den neoliberalen Zug anzukoppeln.

      Selbstverständlich gibt es in der Katholischen Kirche ein breites Spektrum sozialpolitischer Meinungen; aber die Position von Hengsbach ist in den oberen Etagen der Hierarchie eindeutig in der Minderheit.

      Will man also den Reichtum der Kirche als Argument benutzen, dann könnte man daraus einiges ableiten über den Charakter des Neoliberalismus.

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      schrieb am 22.08.04 01:55:34
      Beitrag Nr. 6 ()
      Jemand, der auf einem gut dotierten Pöstchen eines durch die Kirche finanzierten Instituts sitzt, welche sich wiederum SCHMAROTZEND vom Steuerzahler Milliarden abgreift, den kann man wohl kaum ernst nehmen. Und das AUSGERECHNET die Kirche sich immer noch ERDREISTET den Moral-Finger zu erheben, ist an widerlicher Verachtung der Millionen Opfern dieser BARBARISCHEN Instiution nicht zu überbieten!!!!!!! Solange also dieser Typ bei eben dieser Bande die Hand aufhält ist er moralisch so glaubwürdig wie Charles Manson!
      Avatar
      schrieb am 22.08.04 09:31:08
      Beitrag Nr. 7 ()
      Ein abenteuerlicher Stuß der hier zusammengestochert wurde. Ich will nur mal den gröbsten Hämmer rausgreifen:

      Würden Sie einem Bürgermeister die nötigen Finanzmittel zur Verfügung stellen, er könnte genügend Aufgaben nennen, die dringend zu erledigen sind, und privaten Unternehmen die Aufträge erteilen. Diese stellen dann die Arbeitskräfte ein. Es ist eine Frage, wie das Geld verteilt wird.

      Warum hat der Staat sich arm gemacht?


      Hier wird der Eindruck erweckt, dass sich der Staat seit Jahren auf dem Rückzug befindet und die Bürger durch Steuersenkungskaskaden engedeckt wurden. Entweder hat Hengsbach nur Läuse im Hirn oder er verarscht sein Publikum. Das Gegenteil ist der Fall.

      Nach Hengsbachs "Analyse" sind also zu geringe Staatsausgaben das Problem. Wir haben derzeit eine Staatsquote von etwa 50%. Zu Zeiten des Wirtschaftswunders unter Lundwig Erhard betrug sie weniger als 30%.
      Avatar
      schrieb am 22.08.04 10:52:17
      Beitrag Nr. 8 ()
      Hengsbach bringt die Dinge auf den Punkt. Dass die neoliberalen Sektierer getroffen aufjaulen, bestätigt dies.

      Um Hengsbach einen Kommunisten zu nennen, muss man geistig schon ziemlich desorientiert sein.:rolleyes:
      Avatar
      schrieb am 22.08.04 11:40:23
      Beitrag Nr. 9 ()
      Ein Kommunist ist er wahrscheinlich nicht. (Hat glaube ich auch keiner behauptet;korrigiere mich falls ich was übersehen hab)
      Aber er ist ein Keynesianer! Das ist schon schlimm genug.;)
      Avatar
      schrieb am 22.08.04 16:53:20
      Beitrag Nr. 10 ()
      Was ist an einem Keynesianer schlimm? Als ich in den frühen 70ern Betriebswirtschaftslehre studiert habe, wurde der Keynes sogar noch gelehrt, in der Zeit ging es den Leuten 10mal besser als heute, man muß auch mal über den Tellerrand schauen, wenn die Amerikaner bei einem Regierungswechsel oder nach einer Wirtschaftskrise wieder den alten Keynes ausgraben, was meinst du, wie schnell sich Deutschland dann wieder dranhängt.
      Avatar
      schrieb am 22.08.04 18:36:24
      Beitrag Nr. 11 ()
      In den 70ern...wurde unter Brand mit keynesianischer Politik angefangen.

      Natürlich ging es der Wirtschaft bis Anfang der 70er besser! Aber das stützt doch nur die These der Keynes-Kritiker, dass Keynes Strohfeuereffekte verursacht,also kurzfristig positiv wirkt. Wie wir aber heute wissen wirkt Keynes langfristig verheerend. (was Keynes mit dem Ausspruch "langfristig sind wir alle tot" gekontert hat"). Heute sehen wir das Ergebnis von über 30 Jahren dieser Art von Wirtschaftspolitik: Staatseingriffe allenthalben lähmen die Wirtschaft, und die Staatsfinanzen sind ruiniert.

      Keynesianismus ist neben dem Marxismus DIE Irrlehre des 20 Jhd.:mad:
      Avatar
      schrieb am 22.08.04 23:13:49
      Beitrag Nr. 12 ()
      »Keynesianismus ist neben dem Marxismus DIE Irrlehre des 20 Jhd«

      Die nächste Große Depression wird den heute noch
      uneinsichtigen Neoliberalen eine Lektion erteilen,
      warum jene »Irrlehren« populär wurden.
      Avatar
      schrieb am 23.08.04 00:13:45
      Beitrag Nr. 13 ()
      # 11 peinlich, peinlich


      »Ein absurdes Verständnis von Wirtschaft«

      Wie schafft Deutschland den Aufschwung? Nur mit einer undogmatischen Wirtschaftspolitik, sagt Jim O’Neill, Chefvolkswirt der US-Investmentbank Goldman Sachs. Ein ZEIT-Gespräch über Steuerschecks, Staatsschulden und das Weltbild deutscher Ökonomen

      DIE ZEIT: Mister O’Neill, der Ölpreis steigt und steigt, überall sinken die Aktienkurse. Steht die Welt mit einem Bein in der nächsten Rezession?

      Jim O’Neill: So weit ist es noch lange nicht. Allerdings sind wir an einem Wendepunkt. In den Vereinigten Staaten schwächt sich das Wachstum schon wieder ab, ich rechne dort demnächst nur noch mit drei Prozent. Das wird viele Investoren enttäuschen und den Rückzug aus dem Dollarraum antreten lassen. Der Dollar gerät dann unter Druck.

      ZEIT: Welche Folgen hat das für Europa?

      O’Neill: Keine guten. Ich gehe davon aus, dass der Euro weiter aufwertet. Noch vor Ende des Jahres wird der Kurs des Euro bei 1,32 Dollar stehen.

      ZEIT: Was macht Sie so pessimistisch?

      O’Neill: Das amerikanische Leistungsbilanzdefizit. Allein die asiatischen Zentralbanken finanzieren dieses Defizit, indem sie sich mit Dollarkäufen gegen eine Aufwertung ihrer eigenen Währung stemmen. Zudem gehen die ausländischen Direktinvestitionen in den USA massiv zurück. Insgesamt hat Amerika eine Finanzierungslücke von gut sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das ist langfristig nicht durchzuhalten. Irgendwann hören die asiatischen Zentralbanken auf, Dollar zu kaufen. Und dann kennt der Dollar nur eine Richtung – nach unten.

      ZEIT: Und Deutschland?

      O’Neill: Wird dann große Probleme bei den Exporten bekommen. Deshalb müssen sich die Deutschen so rasch wie möglich von ihrer Exportabhängigkeit befreien und die Binnennachfrage stärken.

      ZEIT: Die meisten deutschen Ökonomen sehen den Handlungsbedarf nicht auf der Nachfrageseite der Volkswirtschaft, sondern auf der Angebotsseite – und fordern deshalb noch weitergehende Strukturreformen, etwa am Arbeitsmarkt.

      O’Neill: Natürlich sind Strukturreformen wie die Agenda 2010 enorm wichtig. Aber ich halte auch längere Arbeitszeiten für eine gute Sache. Einer der Hauptgründe, warum die US-Wirtschaft in den vergangenen zehn Jahren so gut abgeschnitten hat, ist die längere Jahresarbeitszeit. Oder nehmen Sie die Ladenöffnungszeiten. Warum werden die in Deutschland nicht freigegeben? Ich war gerade auf Korsika im Urlaub. Das ist verrückt mit diesen Ladenöffnungszeiten in Kontinentaleuropa! Europa kann sein Wachstumspotenzial nur steigern, wenn alte Verkrustungen aufgebrochen werden. Kurzfristig allerdings helfen längere Arbeitszeiten bei einer Konsumschwäche wie in Deutschland nicht weiter. Neue Jobs entstehen dadurch erst einmal nicht. Deshalb müssen die Reformen flankiert werden, um den Konsum anzukurbeln. Und zwar am besten mit einer fantasievollen Fiskalpolitik.

      ZEIT: Das heißt konkret?

      O’Neill: Weil die Reichen von ihrem Einkommen relativ weniger für Konsum ausgeben als die Armen, muss die Fiskalpolitik bei den unteren Einkommensgruppen ansetzen. Dieser Aspekt wird von vielen deutschen Ökonomen und Politikern vernachlässigt.

      ZEIT: Warum?

      O’Neill: Ich war vor ein paar Wochen in Berlin. Da ging es um ein effizienteres Steuersystem, das das Wachstum fördert. Erst dachte ich, ich habe die Vorschläge nicht richtig verstanden. Doch bald wurde mir das absurde Verständnis von Makroökonomie klar. Wir haben tatsächlich ernsthaft diskutiert, ob man nicht die Unternehmensteuern senken und im Gegensatz die Umsatzsteuer anheben sollte. Da haben die Unternehmerverbände gute Lobby-Arbeit geleistet.
      Aber dass es überhaupt diskutiert wird, ist wirtschaftspolitisch nicht zu Ende gedacht. Dann können sich die deutschen Konsumenten noch weniger kaufen. Eine höhere Umsatzsteuer würde der Volkswirtschaft endgültig den Garaus machen. In Deutschland sind die Einzelhandelsumsätze im zweiten Quartal dieses Jahres inflationsbereinigt so gering gewesen wie seit zehn Jahren nicht mehr.

      ZEIT: Wenn Finanzminister Eichel die Staatskasse öffnet, bekommt er doch gleich doppelt Probleme: mit der Opposition in Berlin, die ihn als Schuldenmacher brandmarkt. Und mit Brüssel, weil er dann gegen den Stabilitätspakt verstößt.

      O’Neill: In dieser Kritik steckt ein entscheidender Denkfehler. Man kann nicht gleichzeitig die Staatshaushalte konsolidieren und dem Volk schmerzhafte Strukturreformen zumuten, selbst wenn diese sinnvoll sind.

      ZEIT: Was schlagen Sie vor?

      O’Neill: Die Bundesregierung sollte an alle Haushalte Schecks verteilen, die sofort eingelöst werden können. In Amerika hat die Fiskalpolitik so das Wachstum unterstützt, als es notwendig war. Der Effekt auf den Konsum und damit auf das Wachstum ist deutlich größer, als wenn man zum Beispiel die Unternehmensteuern senkt. Dafür müssten die deutschen Ökonomen nur ein bisschen mehr Einfallsreichtum entwickeln.

      ZEIT: Machen Sie es sich da nicht ein wenig zu einfach? Was ist, wenn die Bürger das frische Geld nicht ausgeben, sondern sparen? Immerhin ist Deutschland bekannt für seine hohe Sparquote. Der Wachstumseffekt würde verpuffen.

      O’Neill: Sie sprechen vom so genannten Angstsparen, ich kenne diese Argumentation. Das ist doch wieder nur eine dieser deutschen Ausreden, um sich nicht der schleppenden Binnennachfrage widmen zu müssen. Die Daten zeigen, dass die Sparquote in den vergangenen Jahren nicht signifikant gestiegen ist. Es gibt kein Angstsparen. Es gibt nur eine dramatische Schwäche bei der Einkommensentwicklung.

      ZEIT: In der Vergangenheit wurde Deutschlands Wirtschaft nach einer Rezession immer zuerst durch die Exporte stimuliert, dann kamen die Unternehmensinvestitionen, und am Ende sprang der Konsum an. Wieso sich nicht wieder auf dieses Muster verlassen, anstatt Schecks zu verteilen, die die Staatsschulden erhöhen?

      O’Neill: Wie lange wollen Sie noch warten? Deutschland ist Exportweltmeister, das lässt sich nicht mehr steigern. Wohin wollen Sie die ganzen Waren denn liefern? In die Antarktis? Ein Land kann auf Dauer nicht nur für den Export produzieren, das ist unklug, weil man die ausländische Nachfrage nach Gütern nicht kontrollieren kann. Außerdem: Deutschlands Unternehmen sind extrem wettbewerbsfähig, das beweisen gerade die hohen Exportzahlen, und trotzdem investieren sie wenig und schaffen kaum neue Jobs. Warum? Weil ihnen der heimische Markt weggebrochen ist. Also muss man ihn ankurbeln – ganz direkt.

      ZEIT: Moment mal. Sie sind doch Brite, sie arbeiten bei einer amerikanischen Investmentbank – und sie argumentieren gerade wie ein Ökonom, den man in Deutschland als »Keynesianer« deklassieren würde. Wie passt das zusammen?

      O’Neill: Ich bin weder strikter Anhänger der Nachfragetheorie noch der Angebotstheorie. Ich bin Pragmatiker.

      ZEIT: Wer in Deutschland für mehr Nachfrageorientierung in der Wirtschaftspolitik plädiert, bekommt zur Antwort: Keynes ist tot.

      O’Neill: Adam Smith ist auch tot. Und wenn die deutschen Ökonomen weiterhin so kategorisch denken, wird auch die deutsche Wirtschaft demnächst tot sein.

      ZEIT: Was ist der wichtigste Unterschied zwischen deutschen und internationalen Ökonomen?

      O’Neill: Viele deutsche Volkswirte erscheinen dogmengläubig und nehmen manchmal Regeln allzu wörtlich. Angelsächsisch geprägte Ökonomen und Wirtschaftspolitiker dagegen sind oft pragmatischer im Denken, was in unsicheren Zeiten ein Vorteil sein kann. Die Diskussion in Deutschland wird oft in den Kategorien Gut und Böse geführt.

      ZEIT: Zum Beispiel?

      O’Neill: Inflation ist immer schlecht, genauso wie mehr Staatsaktivität oder Staatsschulden. Deshalb erscheinen Regeln so verlockend. Wenn es dann mal eine Regel gibt, muss sie eingehalten werden, weil sonst das vermeintliche Chaos droht. Doch in der Volkswirtschaft, die ja keine exakte Wissenschaft ist, sondern eine Sozialwissenschaft, ist nie irgendetwas glasklar. Die in Deutschland geführte Diskussion spiegelt eine Eindeutigkeit vor, die es so nicht geben kann. Das eine Problem lässt sich eher mit Strukturreformen lösen, das andere eher mittels höherer Staatsausgaben. Ich amüsiere mich immer wieder über diese dogmatische Denke. Kurz vor der letzten Bundestagswahl saß ich mit zehn deutschen Journalisten beim Dinner und habe nicht verstehen können, dass alle mit Finanzminister Eichel einer Meinung waren, dass wegen der Oderflut und ihren Kosten die nächste Stufe der Steuerreform ausgesetzt werden müsse. Einzige Begründung: die Dreiprozentregel des Stabilitätspaktes. Ich dachte damals, dass eine solche Makropolitik äußerst unpopulär sein müsste.

      ZEIT: Offensichtlich hält auch die Mehrheit der Deutschen höhere Staatsschulden für Teufelszeug.

      O’Neill: Ich bin ja gewiss nicht grundsätzlich gegen eine Haushaltskonsolidierung. Aber man muss doch das gesamtwirtschaftliche Umfeld betrachten. Was würde denn geschehen, wenn die USA ihr Staatsdefizit von heute auf morgen zurückfahren würden? Die Welt würde in die Rezession stürzen. Das Wachstum in Euroland war bisher stark auf die amerikanische Nachfrage angewiesen, und besonders Deutschland ist konjunkturell noch immer von ausländischer Nachfrage abhängig.

      ZEIT: Sie halten nichts vom Stabilitätspakt?

      O’Neill: Die strikte Defizitgrenze von drei Prozent des BIP ist lächerlich. Für den zweitwichtigsten Wirtschaftsblock der Welt ist es verrückt, sich selbst solche Fesseln anzulegen. Euroland muss flexibel auf unvorhersehbare Ereignisse reagieren können.

      ZEIT: Aber Sie haben doch gerade gesagt, dass Sie nicht grundsätzlich gegen die Reduzierung der Haushaltsdefizite sind.

      O’Neill: Sicher braucht man in einer Währungsunion ein Konzept, um die Staatsschulden einzelner Länder im Zaum zu halten. Aber so was kann man nicht an numerischen Zielen festmachen. Wenn man überhaupt das Budgetdefizit und nicht die Staatsschuld heranzieht, dann bitte über mehrere Jahre, über einen Konjunkturzyklus hindurch. Aber in Euroland wird das jährliche Budgetdefizit als Messlatte verwendet. Das muss zu einer trendverstärkenden und damit schädlichen Fiskalpolitik führen.

      ZEIT: Die meisten deutschen Volkswirte sagen, dass bei einem dauerhaften Bruch der Dreiprozentregel die Glaubwürdigkeit der Währungsunion auf dem Spiel stehe und der Euro weich würde.

      O’Neill: Eine Euroschwäche wird sicher nicht das Problem sein. Wenn überhaupt wird es ein Problem, den Anstieg des Euro auf unter 1,50 Dollar zu begrenzen. Einen schwachen Euro erkenne ich auf absehbare Zeit nicht, Stabilitätspakt hin oder her.

      ZEIT: Und die Glaubwürdigkeit?

      O’Neill: Gegenüber wem? Irgendwelchen mythischen Gralshütern der vermeintlich reinen Lehre? Ich verstehe das nicht. Ich lese ja ab und an diese Kommentare meiner deutschen Kollegen. Doch wo ist der empirische Beweis, dass eine expansive Fiskalpolitik bei frei schwankenden Währungen schlecht ist? Es gibt ihn nicht. Schlecht wäre ein Stimulus, der den Schuldenstand einzelner Länder auf unhaltbare Niveaus treibt. Davon ist Euroland weit entfernt.

      ZEIT: Schadet die deutsche Wachstumsschwäche dem Wirtschaftsraum Europa?

      O’Neill: Wenn wir auf die Welt seit dem 11. September 2001 schauen, dann geht das schlechtere Abschneiden Eurolands im Vergleich zu Amerika vor allem auf die restriktivere Fiskalpolitik der Europäer zurück. Und da spielt Deutschland schon qua seiner ökonomischen Größe eine besondere Rolle. Wenn man sich die hohen sozialen und ökonomischen Kosten der Wiedervereinigung vor Augen führt und die Tatsache, dass der Westen jedes Jahr vier Prozent des Bruttosozialproduktes nach Osten transferiert, dann muss man das beim Stabilitätspakt berücksichtigen.


      Das Gespräch führten Marc Brost und Robert von Heusinger

      (c) DIE ZEIT 19.08.2004 Nr.3
      Avatar
      schrieb am 23.08.04 16:50:54
      Beitrag Nr. 14 ()
      @ 12 Die letzte große Depression hat Hitler an die Macht gebracht. Auch diese "Irrlehre" war mal populär. Dass es wirtschaftliche Schwankungen gibt sagt gar nichts über die Qualität von Alternativen aus.


      @ 13 Du hats ja schon bewiesen , das dir die Materie völlig fremd ist. Weiterer Kommentar überflüssig.
      Avatar
      schrieb am 23.08.04 20:24:26
      Beitrag Nr. 15 ()
      Gratulation dem Steigerwälder!!! Du hast das Wissen mit den Löffeln gegessen?? Wie dumm und arrogant muß man sein, wenn # 13 ( Niki) als unwissend bezeichnet!! Selbst keine Ahnung haben, aber andere als unwissend bezeichnen! Das sind wahre " geistige " Helden!!!!
      Avatar
      schrieb am 23.08.04 20:30:55
      Beitrag Nr. 16 ()
      @ Schachy

      mein Kommentar bezieht sich auf "# 11 peinlich, peinlich". (Er findet also mein #11 peinlich, kann mir aber nicht sagen warum.)

      Interviews kann er soviele reinstellen wie er will. Noch dazu wenn sie nicht in direktem Wiederspruch zu dem stehen was ich gesagt habe.;)
      Avatar
      schrieb am 23.08.04 20:45:04
      Beitrag Nr. 17 ()
      Vielleicht noch eine Ergänzung zur 2ten Hälfte des Interviews (mit der 1sten bin ich im großen und ganzen einverstanden):

      Wenn es stimmen würde , dass man mit einer hohen Staatsverschuldung die Wirtschaft (nachhaltig) ankurbeln könnte müssten ARG,BRA und NIG die Boomländer schlechthin sein.

      Neuseeland und Kanada (die ausgeglichene Haushalte aufweisen) dürften nicht prosperieren. Wie aber jeder weiß ist das Gegentei der Fall.

      Zu USA: Die USA boomen nicht WEGEN sonder TROTZ des Defizits. Unter Clinton war der Haushalt in Ordnung und das Wachstum noch höher.


      Im übrigen Staatverschuldung (für die O´Neill plediert) wirkt nicht unbedingt expansiv sondern verdrängt lediglich private Investitionen oder generieren Inflation, oder beides.


      Kurzfristig können solche Maßnahmen dennoch positiv wirken.(#11)

      Und noch was: Die Ansicht, dass Staatseingriffe und Budgetdefizite "gut" seien ist unter Wirtschaftswissenschaftlern eine absulute Minderheitenmeinung.
      Avatar
      schrieb am 23.08.04 20:50:23
      Beitrag Nr. 18 ()
      Ach ja:

      "Schlecht wäre ein Stimulus, der den Schuldenstand einzelner Länder auf unhaltbare Niveaus treibt. Davon ist Euroland weit entfernt."

      Der offizielle Schuldenstand von 1,5 Bio. sind natürlich Peanuts. Wenn ich jedoch die Ansprüche aus RV und KV hinzurechne(aufaddiert, bereinigt um zukünftige Einzahlungen, abgezinst, das volle Programm.... ) komme ich auf ein Vielfaches!
      Dann habe ich O´Neills "unhaltbares Niveau" das dann selbst nach seiner Ansicht "schlecht" wäre.
      Avatar
      schrieb am 24.08.04 16:28:32
      Beitrag Nr. 19 ()
      Jedes mal das gleiche :

      Erst fängt alles mit sinnlosen unüberlegten Gegeifer an. Dann macht man sich die Mühe und wiederlegt die Irrtümer. Und da die Schreihälse keine Sachargumente haben trollen sie sich einfach davon, und hoffen das der Schräd schnell nach unten rutscht. :p


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