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    Aus meinen Memoiren: Erinnerungen an den 19.September 2004 - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 21.09.04 21:54:55 von
    neuester Beitrag 21.09.04 22:02:23 von
    Beiträge: 2
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      schrieb am 21.09.04 21:54:55
      Beitrag Nr. 1 ()
      Ich wurde in einem anderen thread von PrinzValiumNG gebeten, als Demokrat meinen Beitrag zum Thema „Wahlausgang im Osten“ zu leisten. Nach langem Abwägen bin ich zu dem Entschluß gekommen, daß ich mich dieser Verantwortung nicht entziehen darf.

      Ich kann mich noch sehr gut an diesen Wahlabend vom 19. September 2004 erinneren, so als wäre es erst vorgestern passiert. Schon beim Aufwachen hatte ich das Gefühl, daß an diesem Tag etwas Schreckliches passieren mußte. Den CD-Player im Auto bestückte ich mit der kleinen Nachtmusik von Mozart, dann packte ich ein kleines Taschenradio mit frischen Batterien ein, tankte noch einmal voll und fuhr mit meiner Freundin zu einem kleinen idyllischen Park um ein letztes Mal die wärmenden Sonnenstrahlen auf der Haut zu spüren.

      Alles schien so wie immer zu sein. Die Leute liefen lachend und fröhlich umher, kleine Kinder futterten die Enten im Teich, am Himmel zogen still einige Heißluftballons vorbei, von der Bäumen fielen verdorrte Blätter herab.

      Die Symbolik des kommenden Unheils war nicht zu verkennen.

      Wir verließen den Park gegen 18:37 Uhr um zu unserem Heimatort zurückzukehren. Im Autoradio auf der Landstraße dann die ersten Hochrechnungen. Ich ließ für ca. eine halbe Minute die Lenkung los, um zu prüfen, ob der Wagen nach rechts zog. Er hielt Spur, doch meine Freundin (eine nichtprofessionelle Grünwählerin) war leichenblaß. Ich schaltete auf CD-Player um, reduzierte das Tempo auf ca. 110 kmh , brachte es aber nicht fertig , mit einem beherzten Rechtsruck die Gegenfahrbahn zu verlassen. Zum Glück war eh kaum Verkehr. Die meisten Verkehrsteilnehmer hatten am Straßengraben geparkt und hingen zusammengesackt hinter dem Lenkrad. Ich überlegte einen Moment, ob ich verpflichet sei anzuhalten und meiner Bürgerpflicht für Erste Hilfe nachzukommen.

      Doch dann fiel mir ein, daß in meinem Verbandkasten keine Kleenex, keine Tränentupfer und auch keine Trillerpfeiffen waren! Dabei war der PKW erst im Juli beim TÜV!

      Ich blickte nach Osten und bemerkte, daß dort keine Sonne zu sehen war. Wie seltsam, dachte ich, heute morgen vor dem Öffnen der Wahllokale war doch noch alles normal! Wie schnell sich der Lauf der Welt doch ändern kann! Ich stöpselte mir die Ohrhörer meines Radios ein und schaltete auf einen Nachrichtensender. Ich wollte meine Freundin nicht unnötig verängstigen. Mein Gehupe, das Quietschen der Reifen und das Rattern des ABS, wenn ich einem Demonstrationzug ausweichen mußte - und dazu noch Mozarts Kleine Nachtmusik - das alles war zuviel für ihre Nerven!

      Außerdem hatte sie Hunger.

      Also beschlossen wir einen Imbiß zu uns zu nehmen. Wir einigten uns nach einer ausführlichen Grundsatzdebatte darauf, den Germanen (Rindswurst und Kartoffelsalat) demonstrativ zu boykottieren und entschieden uns für Döner Kepapp.

      In dem kleinen Laden lief anstatt des üblichen türkischen Musiksenders eine Wahlsendung. Irgendjemand hatte wohl eine Fernbedienung, denn das Programm wurde permanent umgeschaltet. Es kam eine Reportage über die Entwicklung der Atombombe. ntv oder n24, ich weiß es nicht mehr so genau. Unter den apokalyptischen Bildern der Atompilze von Hiroshima und Nagasaki lief ein Infoband mit den Hochrechnungen. Von rechts nach links!

      Das gab mir wieder Hoffnung und die Kraft, eine Bestellung aufzugeben. 2 x gemischten Salat und 2 x Dröhner und mit koscheren Schafskäse und extra viel grüner Kräutersoße. Ich mag zwar kein Fleisch, aber diemal verkniff ich es mir, das unselige Wort vegetarisch in den Mund zu nehmen und bestellte die Döner konsequent in der kulturell korrekten Standardausführung.


      Mittlerweile war wieder eine Wahlsendung eingeschaltet und ich spürte, wie mich die Blicke der anderen Gäste (rein optisch gesehen alles anständige Leute) durchbohrten. Meine Freundin war bei laufendem Motor und Mozarts Kleiner Nachtmusik vorsichtshalber im Waagen sitzengeblieben und gab mir ihre Bestellung mit dem Handy durch. Die Glückliche! Bis ich endlich die Plastiktüte mit den Speisen erhielt, verging eine Ewigkeit.

      In meinem Kopf dröhnten die Stimmen der Moderatoren, auf dem Schaschlik in der Glasvitrine kroch quälend langsam eine Fliege herum, der Geruch von Angstschweiß zog in meine Nase und da wußte ich - auch ohne es zu sehen oder zu hören: die Atombomben sind weg, sie haben wieder die Wahlsendung eingeschaltet!

      Die Stimmung eskalierte dann vollends, als ich beim Bezahlen (alles zusammen 10,50€) einen 50DM-Schein auf die Theke legte und mit gequältem Lächeln erklärte: „Das sind ungefähr 25€! Stimmt so! Der Rest für Sie! Wir Demokraten müssen jetzt zusammenhalten!“

      Intuitiv erkannte ich meinen taktischen Fehler. Ich schnappte mir das unheilige Objekt der Diskriminierung, dann die Tüte und rannte hinaus zum Auto. Nach mehreren Haken und 3 x über eine rote Ampel hatten wir unsere Verfolger endlich abgehängt. Dafür war die Tüte mit den eingepackten Speisen umgekippt. Die Soße vom gemischten Salat war ausgelaufen und auf der hinteren Sitzbank habe ich jetzt einen häßlichen braunen Fleck.

      Oh Mann, wie ich diesen Wahlabend hasse! :mad:

      C.T.D.
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      schrieb am 21.09.04 22:02:23
      Beitrag Nr. 2 ()
      Wirtschaft&Politik sollte wieder mit dem Sofa zusammengelegt werden.

      Die Zeit ist dafür reif.

      #1 War super. :laugh:


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