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    Polizeistaat - Wir kommen? - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 08.08.05 14:05:55 von
    neuester Beitrag 02.09.05 08:35:34 von
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      schrieb am 08.08.05 14:05:55
      Beitrag Nr. 1 ()
      könnte man meinen, wenn man diesen Artikel über die Entwicklung der EU-Gesetzgebung liest.

      aus Junge Welt v. 8.8.2005

      Eine EU der Sicherheit, ohne Freiheit und Recht

      Innere Sicherheit und Menschenrechte in der Europäischen Union (I)

      Im Zeitraum von nur anderthalb Jahrzehnten veränderte sich die Innen- und Justizpolitik von einem Randgebiet zu einer tragenden Säule der Entwicklung der EU. Die EU hat sich auf die Fahnen geschrieben, einen »Raum der Sicherheit, der Freiheit und des Rechts« in der Europäischen Union zu schaffen. Die Mehrheit der dazu notwendigen Entscheidungen fällt in einem Geflecht von Arbeitsgruppen, ohne Verträge und Protokolle, die eine langwierige Ratifizierung nach sich zögen. »Fakten schaffen, lautet die Devise beim Aufbau der repressiven Instrumente des europäischen Staates«, so der Redakteur der Zeitschrift Bürgerrechte & Polizei, Heiner Busch.


      »Antiterrorkampf« der EU

      Auf dem EU-Gipfel in der belgischen Königsresidenz in Laeken verabschiedeten im Dezember 2001 die 15 Staats- und Regierungschefs auf Vorschlag ihrer Justizminister eine EU-einheitliche Terrorismusdefinition. Darin heißt es, daß jeder Mitgliedsstaat sicherstellen soll, daß Handlungen wie Mord, Entführung oder Geiselnahme als terroristische Straftaten eingestuft werden, wenn sie das Ziel haben:

      – die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern,

      – öffentliche Stellen oder eine internationale Organisation zu einem Tun oder Unterlassen zu zwingen,

      – die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Landes oder einer internationalen Organisation ernsthaft zu destabilisieren oder zu zerstören.

      Außerdem definierten sie als terroristische Vereinigung »einen Zusammenschluß von mehr als zwei Personen, die in Verabredung handeln, um terroristische Straftaten zu begehen«. Anführer einer terroristischen Vereinigung sollen mit Strafen von mindestens 15 Jahren belegt werden können. Einschränkend wird in diesem Beschluß vermerkt, daß er nicht dahingehend ausgelegt werden könne, daß Grundrechte und -freiheiten, wie das Streikrecht und die Versammlungs-, Vereinigungs- oder Meinungsfreiheit oder das Demonstrationsrecht geschmälert oder behindert werden. ATTAC und andere Nichtregierungsorganisationen (NGO) kritisierten trotzdem diese Definitionen, da ihre Formulierungen zu vage und mehrfach auslegbar seien. Was habe man unter »ernsthafter Veränderungen politischer Strukturen«, was unter »Einschüchterung der Bevölkerung« oder »Anstiftung und Begünstigung« solcher Straftaten zu verstehen? ATTAC warnte: »Diese Definition wird genutzt werden, um friedliche Massenproteste bei Gipfeltreffen, gewerkschaftliche Widerstandsformen oder zivilen Ungehorsam als ›terroristisch‹ zu brandmarken und zu verfolgen.«

      Auf dem EU-Gipfel im März 2004 in Brüssel wurde die Schaffung eines Koordinators für die Terrorbekämpfung (»Mister Terrorismus«) beschlossen und der niederländische Liberale Gijs de Vries in diese Funktion berufen. Gleichzeitig kam es zu Verlängerungen von zuvor gestellten Fristen für Maßnahmen der Terrorbekämpfung – ein Hinweis auf immer noch tiefsitzende Widersprüche unter den Mitgliedsstaaten. Bis Ende 2004 sollten Vorschläge über die Vernetzung von Fingerabdruck- und Gendateien in Europa vorliegen. So soll die Einführung biometrischer Merkmale in Reisepässen bis Ende 2005 erfolgen.

      In Deutschland fordert Bayern ein »integriertes System der Sicherheit« für Land, Bund und EU. Dabei sollen auch bisherige rechtsstaatliche Hemmnisse, wie z. B. das verfassungsrechtlich gesicherte Trennungsgebot zwischen Polizei und Geheimdiensten, aufgehoben werden. Dieses »Trennungsgebot« beruht auf dem sogenannten »Polizeibrief« der drei westlichen Hochkommissare vom April 1949 im Zusammenhang mit der Ausarbeitung des Grundgesetzes der BRD, in welchem für die Bundesrepublik eine strikte Trennung von exekutiven Befugnissen (Polizeibefugnisse) von dem Einsatz geheimdienstlicher Mittel und Methoden gefordert worden war. Aber auch das Verbot des Einsatzes der Bundeswehr im Inneren soll endgültig fallen. Da diese Vorhaben innenpolitisch immer noch auf Widerstand stoßen, wird auf dem Umweg über ein EU-Recht der Weg freigemacht, um vollendete Tatsachen – verbindlich für alle EU-Mitgliedsstaaten – zu schaffen.

      Anwälte aus vielen Teilen Europas warnten auf einer Konferenz im Juni 2003 in Berlin vor einer von der Exekutive beherrschten Innen- und Rechtspolitik, die auf Repression und Überwachung fixiert ist. Prof. Dr. Hans-Jörg Albrecht, Direktor am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht Freiburg, erklärte: Ein erweiterter Sicherheitsbegriff führe zur Verschmelzung von Konzepten und – auch militärischer – Mittel innerer und äußerer Sicherheit, zu »einer Bedeutungsverschiebung von der Justiz auf die Polizei sowie von Recht auf Effizienz.« EU-Entscheidungen finden auf einer Ebene statt, »die sich der Öffentlichkeit und nationalen Systemen der Kontrolle weitgehend entzieht.« Der Gedanke der Gewaltenteilung werde durch erweiterte Sicherheitskonzepte prinzipiell aufgehoben, so Albrecht. Die frühere Bedeutung des Tatverdachts als notwendiger Ausgangspunkt polizeilicher Handlungen entfällt weitgehend und wird durch präventive Überwachung ersetzt. Es entsteht ein neues Kontrollparadigma – hin zu einem Ordnungsrecht, das sich an Feindbildern orientiert.


      Konsequenzen nach Madrid

      Die Anschläge von Madrid vom 11. März 2004 waren Anlaß zum Drängen auf eine noch intensivere internationale Zusammenarbeit bei der Terrorbekämpfung im Rahmen der EU. Bereits am 25. März 2004 verabschiedeten die Staats- und Regierungschefs eine »Erklärung zum Kampf gegen den Terrorismus«, mit der in verschiedenen Politikbereichen insgesamt 57 neue und weitergehende Maßnahmen zur Terrorbekämpfung durchgesetzt werden sollen. Die Mitgliedsstaaten sollen auf nationaler Ebene ein Gremium zur Analyse des Terrorismus sowie eine Kontaktstelle für den Antiterrorkoordinator der EU schaffen. Bundesinnenminister Otto Schily hat mit der Errichtung des gemeinsamen Analyse- und Lagezentrums von Bundeskriminalamt (BKA), Bundesnachrichtendienst (BND) und Verfassungsschutz in Berlin-Treptow im Dezember 2004 diesen Schritt vollzogen. Es ist schon zynisch, wenn Schily behauptet, daß das grundgesetzlich verordnete Trennungsgebot zwischen Geheimdiensten und Polizei eingehalten werde, wenn deren Vertreter in verschiedenen Gebäuden des Lagezentrums tätig sind.

      Weiterhin soll die Task Force der Europäischen Polizeichefs (TFPC), die seit April 2000 regelmäßig zweimal im Jahr zusammentrifft, gestärkt werden. Eine weitere Schlußfolgerung aus den Anschlägen in Madrid für die EU besteht darin, künftig auch das Militär stärker in die Terrorismusbekämpfung einzubinden. Dazu gehören die aktuellen Diskussionen über das »Luftsicherheitsgesetz« in Deutschland. Anfang 2005 wurde in der EU der Entwurf zur dritten Geldwäscherichtlinie (Nr. 03/05) veröffentlicht. Diese Richtlinie sieht verschärfte Melde-, Identifizierungs- und Überwachungspflichten für Rechtsanwälte vor. Damit soll letzten Endes der Anwalt zum Spitzel gegen seinen Mandaten umfunktioniert werden, warnen demokratische Juristenorganisationen. Eingebaut in diese Richtlinie wurden auch Regelungen zur Aufklärung und Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus. Damit könnten Informationen, die angeblich der Aufklärung von Geldwäscheaktionen dienen, auch zu Ermittlungen in einem weiten Straftatenrahmen genutzt werden. (jW vom 8./9.1.2005) Insgesamt geht der Trend in Richtung auf einen grenzenlosen Datenaustausch, die Aushebelung aller datenschutzrechtlichen Bestimmungen, die Vernetzung verschiedenster Dateien. Das ist Thema aller informellen Beratungen der Innen- und Justizminister der EU-Mitgliedsstaaten.

      Ende Mai 2004 unterzeichneten die Innenminister von Deutschland, Belgien, Luxemburg, den Niederlanden und Österreich eine gemeinsame Erklärung über die Vertiefung der polizeilichen Zusammenarbeit in den Bereichen Terrorismusbekämpfung, Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität und der »illegalen Migration«.

      Darin wird z. B. die DNA-Analyse als wirkungsvolles Instrument der polizeilichen Arbeit hervorgehoben und die grenzüberschreitende Übermittlung und der Abgleich von DNA-Identifizierungsmustern unbekannter Täter gefordert. Hinzu kommt die Beschleunigung des elektronischen Abgleichs von Fingerabdrücken. Für die Terrorismusbekämpfung wurde ein gemeinsames Vorgehen bei der Profilfahndung nach möglichen Tätern mit Austausch von personenbezogenen Daten vereinbart.

      1995 wurde nach dem Wegfall der Grenzen zwischen den EU-Ländern das Schengener Informationssystem (SIS) als Hilfe für die nationalen Polizeibehörden geschaffen. Derzeit nutzen es 13 Mitgliedsstaaten sowie Norwegen und Island. Auf Initiative Spaniens basieren die Pläne des EU-Ministerrates, die das SIS erneuern sollen. Ein entsprechendes SIS II soll von einem reinen Informationssystem zu einem Fahndungssystem ausgebaut und mit den anderen Datensystemen der EU-Sicherheitsarchitektur zusammengelegt bzw. vernetzt werden. Dazu gehören die Aufnahme neuer Fahndungsdaten, darunter Fingerabdrücke und biometrisch aufbereitete Fotos, die Aufrüstung des Computersystems bis 2006 mit einem Kostenaufwand von 157 Millionen Euro sowie der Datenaustausch mit Drittländern und die Zugriffsberechtigung auf personenbezogene Daten.


      Reisepässe mit biometrischen Daten

      Die technischen Möglichkeiten zur Identifizierung von Personen sind schon sehr weit entwickelt. Neben den klassischen Formen der Fingerabdrücke, die heute von digitalisierten Kameras aufgenommen werden, ohne die Fingerkuppen zu beschmutzen, über die digitalisierte Gesichtserkennung, die Erfassung der Irisstruktur bis hin zur Speicherung des Körpergeruchs oder von Merkmalen der individuellen Bewegungsmotorik können biometrische Daten sehr schnell und sicher erfaßt, abgeglichen und gespeichert werden.

      Im Sommer 2004 hatte sich die EU darauf geeinigt, einheitliche neue Reisepässe mit zusätzlichen Erkennungsmerkmalen einzuführen. Das betrifft die Aufnahme digitalisierter Fotos und als zweites biometrisches Merkmal die Speicherung des Fingerabdrucks oder des Irisabdrucks. Das geht u. a. auf Forderungen der USA zurück, die bereits ab 2004 diese Daten bei Einreisen in die USA gefordert haben. Mit einer neuen Verordnung sollen die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden, nationale Zentraldateien mit biometrischen Daten in den einzelnen Mitgliedsländern zu schaffen, die dann zu einer EU-einheitlichen Zentraldatenbank vernetzt werden könnten. Die Begründung lautet: zur Terrorabwehr müsse die Sicherheit der Personaldokumente international »harmonisiert« werden. Als primärer biometrischer Indikator soll das digitalisierte Gesichtsbild europaweit in jeden Paß integriert werden.


      Weitergabe von Passagierdaten

      Im Mai 2003 schlossen EU-Kommission und EU-Außenminister ein Abkommen mit den USA, das die Übermittlung von Personendaten von Flugpassagieren nach und aus den USA erlaubt. Das betrifft jährlich etwa zehn Millionen Passagiere. Insgesamt können 34 Datenkategorien übermittelt werden, neben den Namen und Anschriften auch die privaten und beruflichen Telefonnummern bzw. E-Mail-Adressen oder Angaben über die Kreditkarten der Reisenden, Daten über den Arbeitgeber, Anzahl der Gepäckstücke bis hin zu den Eßgewohnheiten während des Fluges und zu weiterführenden Hotelbuchungen.

      Das EU-Parlament lehnte dieses Abkommen ab und kündigte Klage vor dem Europäischen Gerichtshof an. Aber die europäische Exekutive setzte sich über die Bedenken der EU-Parlamentarier und der Datenschutzbeauftragten der EU-Mitgliedsländer hinweg und bekräftigte im Mai 2004 ihre Entscheidung aus dem Vorjahr. Bürgerrechtsvereinigungen wie die »Humanistische Union« und die »Internationale Liga für Menschenrechte« bezeichneten diese Entscheidung als »exemplarischen Ausverkauf des europäischen Rechtsstaates und offenen Rechtsbruch«. Im Informationsbrief der »Internationalen Liga für Menschenrechte« Nr. 3/2004 werden die Auswirkungen charakterisiert: »Schon bevor sie auch nur einen Fuß auf den Boden des Landes gesetzt haben, sind die US-Behörden über sie informiert, haben ihre Daten abgeglichen, Bewegungsbilder und Persönlichkeitsprofile erstellt, schlimmstenfalls Verdächtigungen konstruiert. Auch unbescholtene Fluggäste sind nicht davor gefeit, auf diese Weise zu Opfern rigider Antiterrormaßnahmen zu werden und sich wie Verbrecher behandeln lassen zu müssen. Kollateralschäden im Antiterrorkampf.«

      US-Behörden, die elektronischen Zugriff auf die Fluggast-Datensätze erhalten, sind das Superministerium »Homeland Security Department« sowie die amerikanischen Geheim- und Abwehrdienste. Die Datensätze werden nun mit einer Vielzahl anderer polizeilicher, geheimdienstlicher und auch privater Dateien abgeglichen, nach Verdachtsmomenten durchgerastert – und zumindest offiziell mindestens dreieinhalb Jahre, oft bis zu zehn Jahre, gespeichert.

      Die einschränkenden Regelungen über den Zeitraum der Speicherung dieser Daten in den USA werden von so vielen Ausnahmereglungen durchlöchert, daß den US-Behörden jede Willkür im Umgang mit diesen Daten ermöglicht wird. Da sind die Beschwichtigungen von Vertretern der EU-Kommission über die erreichten Zusagen zum Datenschutz eine Farce, weil das niemals kontrollierbar ist.

      Die Erfahrungen besagen auch, daß Erfassungen in Dateien der Geheimdienste eine extrem hohe »Verweildauer« haben. Das alles ist ein tiefer Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen, verstößt gegen europäische Datenschutzbestimmungen und essentielle Schutzpflichten der EU-Organe gegenüber den Menschenrechten der EU-Bürger.

      Als Folge des nach dem 11. September 2001 erklärten »Antiterrorkampfes« erstellten die USA und auch die EU sogenannte »schwarze Listen«, in die Personen und Organisationen aufgenommen wurden, die als »Terroristen« gelten. Im Frühjahr 2004 drängten die USA bei ihren europäischen Gesprächspartnern auf eine Erweiterung dieser Listen, insbesondere durch die Aufnahme weiterer »islamistischer« Organisationen, aber auch anderer ideologischer Feinde, wie verschiedene Befreiungsbewegungen bis hin zu Fraktionen des palästinensischen Widerstandes. Eine praktische Anwendung dieser Listen haben wir in Deutschland Anfang Dezember 2004 erlebt, als Generalbundesanwalt Kai Nehm eine großangelegte »Fahndung« nach angeblichen Terroristen beim Besuch des irakischen Präsidenten Ajad Allawi inszenierte.


      Asyl- und Zuwanderungsrecht

      Die Innenminister der 15 EU-Mitgliedsstaaten verabschiedeten im April 2004 in Luxemburg noch in aller Eile vor der Aufnahme neuer Mitglieder eine Richtlinie über Mindestnormen für Asylverfahren mit Regelungen zur Zurückweisung von Asylbewerbern und zu den Möglichkeiten der Abschiebung. Während für EU-weite Regelungen auf diesem Gebiet bisher jedes Land ein Vetorecht hatte, reicht nun eine qualifizierte Mehrheit in der Ministerrunde. Aktiver Vorreiter ist auch hier Deutschland und insbesondere der bayerische Innenminister Günther Beckstein, der aber bei Innenminister Otto Schily meist offene Türen einrennt.

      Es wird gefordert, beim Zuwanderungsrecht von der Möglichkeit der sofortigen Ausweisung beim geringsten Verdacht einer extremistischen Betätigung – ohne jedes Gerichtsurteil – Gebrauch zu machen. Wenn andere Gründe eine sofortige Abschiebung verhindern oder verzögern, soll eine sofortige polizeiliche bzw. nachrichtendienstliche Überwachung dieser Personen einsetzen. Die EU-Kommission plant eine Neuregelung aller Bestimmungen zum Grenzübertritt innerhalb der Europäischen Union. Damit könnte auch eines der liebsten Kinder der deutschen »Sicherheitsexperten«, die »Schleierfahndung«, die von der EU-Kommission als verdeckte Grenzkontrollen bewertet wird, überflüssig werden. Diese Schleierfahndung ist eine Methode, um die an den inneren Grenzen der EU abgeschafften Personenkontrollen am Leben zu erhalten. Es handelt sich um »verdachtsunabhängige Kontrollen« im Umfeld der Binnengrenzen der EU, die aber in dieser Form im Polizeirecht der BRD nicht vorgesehen waren. Dazu gab es einen Beschluß des Deutschen Bundestages von 1998, begrenzt auf fünf Jahre, zur Einführung dieses Sonderrechts. Statt diese Regelungen, wie vorgesehen, im Jahre 2003 auslaufen zu lassen, stimmten SPD und Grüne im Bundestag für eine Verlängerung dieses Beschlusses.

      Mit dem ab 1. Januar 2005 in der BRD geltenden Zuwanderungsgesetz werden weitere Grundrechtsverletzungen in die Praxis umgesetzt. Dieses Gesetz enthält die Möglichkeit einer »Ausweisung auf Verdacht«. Danach kann ausgewiesen werden, wer zu einer »auf Tatsachen gestützten Prognose« Anlaß gibt, daß dieser »Verdächtige« künftig eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen könnte. Die Bundesländer bereiten eine umgehende Umsetzung dieser Regelung in die Landesgesetzgebung vor, womit die Ausweisung oder Abschiebung Hunderter »Islamisten« bevorsteht, ohne daß auch nur ein Beweis für die Planung oder Vorbereitung einer Straftat vorgelegt werden muß. Eine gerichtliche Überprüfung dieser Entscheidungen ist einzig und allein einem Sondersenat des Bundesverwaltungsgerichtes gestattet.


      EU-Haftbefehl

      Nach einem Rahmenbeschluß des EU-Rates trat der »Europäische Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedsstaaten« am 1. Januar 2004 in Kraft. Dieser europäische Haftbefehl gilt nicht nur für mutmaßliche Terroristen, sondern auch für viele andere Straftaten. Die Regelungen enthalten eine »Positivliste« mit 32 relevanten Straftatbeständen, die Anlaß für Auslieferungen sind, ohne daß die Gerichte prüfen müssen, ob die Handlungen in den beteiligten Ländern überhaupt strafbar sind.

      Die Hauptkritik von Bürgerrechtsorganisationen besteht darin, daß er entgegen allen Behauptungen in den Mitgliedsländern definitiv einen Rückschritt für den Rechtsstaat darstellt. Damit kollidiert diese Regelung mit Bestimmungen der UN-Menschenrechtskommission und unterminiert das Recht auf Asyl. Immerhin hat das Bundesverfassungsgericht am 18. Juli 2005 das deutsche Gesetz über den europäischen Haftbefehl für nichtig erklärt, da es grundrechtlich besonders geschützte Belange nicht hinreichend berücksichtige. Straftäter mit deutschen Pässen dürfen nach diesem Beschluß nicht mehr an andere europäische Staaten ausgeliefert werden. Den EU-Rahmenbeschluß, auf den auch das deutsche Gesetz zurückgeht, hat Karlsruhe jedoch nicht beanstandet.
      Avatar
      schrieb am 08.08.05 14:17:29
      Beitrag Nr. 2 ()
      wenn es um die Verteidigung des Rechtsstaates geht, sind die Deutschen vorne mit dabei - ich frage mich, wie "Rechtsstaat" definiert wird, denn mit Recht im juristischen Sinne, dürfte das nichts mehr zu tun haben, außer man beugt es! Der von Schily und Beckstein propagierte Rechtsstaat wird in einen Polizeistaat münden!

      -------------

      Sicherheitsphantasien und das allmähliche Verschwinden des Rechtsstaats

      Florian Rötzer 05.08.2005

      In Deutschland wird die präventive Sicherungshaft ausgetüftelt, die britische Regierung will eine globale Liste mit zahlreichen Kriterien für "nicht-akzeptables Verhalten" erstellen, um Personen abzuschieben oder nicht ins Land zu lassen
      Im Wettlauf um die Gunst verängstigter Wähler und um das Image, sich für die Sicherheit der Menschen am stärksten einzusetzen, testen Politiker nach jedem Anschlag neue Ideen aus. Sie versprechen zwar in aller Regel, angefangen von biometrischen Ausweisen über Überwachungskameras oder Jahre langer Speicherung von Verbindungsdaten bis hin zum Einsatz des Militärs, kaum einen größeren Schutz, gehen aber Schritt für Schritt in die Richtung eines Überwachungsstaats, in dem alles, was technisch möglich ist, auch eingesetzt wird. Und in aller Regel tun die Politiker so, als ob ein demokratischer Rechtsstaat eine ewige Einrichtung sei und als ob sich nicht auch schon Demokratien zu totalitären Systemen entwickelt hätten: eine wahrscheinlich gefährliche Illusion. Zudem sind neue Maßnahmen schnell eingeführt, wieder rückgängig gemacht werden sie kaum.


      Gerade hatte Bundesinnenminister Schily, stets angetrieben von Bayerns Scharfmacher Beckstein und wohl auch im Hinblick auf die Bundestagswahl, einmal wieder einen Vorschlag gemacht. Um Gefahren vorzubeugen, könne man doch, natürlich nur als letztes Mittel und ganz selten, verdächtige Personen schon einmal für eine gewisse Zeit in Sicherungshaft nehmen. Die "vorübergehende Freiheitsbeschränkung" sollte dann eingesetzt werden, "wenn eine tödliche Gefahr für die Gesellschaft nicht auf andere Weise abgewendet werden kann".

      Beweise für eine Tatabsicht aber müsste nach den Vorstellungen des Innenministers für die Anordnung einer solchen Schutzhaft nicht vorliegen. Man sperrt sicherheitshalber mal Personen, die etwas vorhaben könnten, auch wenn die Erkenntnisse für ein Ermittlungsverfahren nicht ausreichen. Und wenn sie nichts Böses im Sinn haben, kann man sie auch irgendwann mal wieder freilassen. Mit einem Rechtsstaat hat das nicht mehr viel zu tun. Schily führt als Beispiel für eine Person, die man wegsperren dürfe, an, dass sie in einem Ausbildungslager in Afghanistan gewesen sei und Verbindungen zu Bin Laden habe. Wie man auch an den Prozessen in Deutschland gegen Mzoudi und Motassadeq sehen konnte, ist das nur schwer nachprüfbar und würde auch schon in solch einem eingeschränkten Rahmen der Willkür Tür und Tor öffnen. Einmal vorhanden, kämen sicherlich noch schnell andere Begründungen für eine Sicherungshaft auf.

      Noch weiter ging der bayerische Innenminister Günter Beckstein, auf dessen "Vorschläge" hin Schily möglicherweise mit der Idee einer Sicherungshaft reagiert hatte. Beckstein bedient denn auch gleich die Ausländerfeindlichkeit mit, wenn er sagte, dass die Polizei dazu berechtigt sein müsse, vorbeugend möglicherweise gefährliche Ausländer in Deutschland fesztunehmen und einzusperren: "Potenzielle Terroristen dürfen bei uns nicht frei herumlaufen." Gerade die Anschläge in London haben aber gezeigt, dass derartige Ausländer durchaus auch britische bzw. deutsche Bürger sein können. Mit dem Schielen auf die Überbietung der anderen konkurrierenden Sicherheitspolitiker scheinen Manche nicht mehr recht zu wissen, was sie eigentlich machen und ob sie noch auf dem Boden des Grundgesetzes stehen.

      Die von Schily gegenüber Beckstein eingeschränkte Variante will die CDU/CSU aufgreifen, sollte sie an die macht kommen. Eingeschränkt auf Ausländer, die nicht ohne weiteres abgeschoben werden können, wolle man, wie Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach sagte, "die Sicherungshaft für ausreisepflichtige Terrorverdächtige" einführen, von denen eine "besondere Gefährlichkeit" ausgehe.
      http://www.heise.de/tp/r4/artikel/20/20672/1.html
      Avatar
      schrieb am 08.08.05 14:21:07
      Beitrag Nr. 3 ()
      Und keine Partei weit und breit die sich dagegen ausspricht. :(
      Avatar
      schrieb am 08.08.05 14:24:08
      Beitrag Nr. 4 ()
      Sogar die neue Linke spricht sich nicht dagegen aus !
      Avatar
      schrieb am 08.08.05 14:26:54
      Beitrag Nr. 5 ()
      Merkel sagte in ihrer Rede im Mai 2005 dass wir keinen Rechtsanspruch auf Demokratie bis in alle Ewigkeit haben!

      Was kann man von Merkel und ihrer Partei erwarten?

      Schily ist alt und wird hoffentlich nicht mehr antreten.

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      Avatar
      schrieb am 08.08.05 14:27:26
      Beitrag Nr. 6 ()
      [posting]17.478.120 von StellaLuna am 08.08.05 14:26:54[/posting]"... bis in alle Ewigkeit" - 1000 Jahre wird sie damit wohl nicht gemeint haben, oder doch?
      Avatar
      schrieb am 08.08.05 14:31:59
      Beitrag Nr. 7 ()
      :laugh::laugh::laugh:
      Sogar die neue Linke spricht sich nicht dagegen aus !
      :laugh::laugh::laugh:

      Die wollen doch den "Superstaat" .....
      Was meinste wie schnell die die Mauer wieder aufbaun müssen, wenn sie die Vermögenssteuer einführen. :eek:
      Einige in der PDS denken schon über eine Verstaatlichung nach. :rolleyes:

      Leider steht das Ding dann an der französischen Grenze. :cry:
      (und die Geschichte wiederholt sich doch ... :cry: )
      Avatar
      schrieb am 08.08.05 14:48:09
      Beitrag Nr. 8 ()
      nur die FDP und Teile der Grünen geben hier noch Anlaß zur Hoffnung. Leider wählt die Mehrheit über SPD/CDU/CSU/PDS den Polizeistaat. Die Fleischtöpfe der Macht üben allerdings auch auf die kleinen Parteien eine magische Anziehungskraft aus. Da schmeisst man in Koalitionsgesprächen die halben Grundsätze über Bord, nur um z.B. ins Außenministerium einzuziehen. Falls es nicht zu einer großen bzw. einer kommunistischen Koalition kommt, werden wir dies schön am Beispiel der FDP studieren können.
      Avatar
      schrieb am 08.08.05 14:58:02
      Beitrag Nr. 9 ()
      In Deutschland sind es nur die Neoliberalen die sich einen sicherheitsfixierten Staat wünschen, warum eigentlich?
      Avatar
      schrieb am 08.08.05 15:46:52
      Beitrag Nr. 10 ()
      Den Politiker scheint zu dämmern, dass man in Europa, insbesondere in Deutschland, den Wohlstand der Massen nicht halten kann und infolge der Verschlechterung eine Radikalisierung erwarten muss. Daher dienst die Schaffung der Überwachung in erster Linie dazu, seine eigenen Bürger im Griff zu haben. Die anderen Gründe sind nur vorgeschoben. Die Terroranschläge liefern nur ein Alibi.
      Avatar
      schrieb am 08.08.05 15:58:41
      Beitrag Nr. 11 ()
      @atschl

      Leider hast Du Recht. Die Ursachen traut man sich nicht anzugehen, also müssen die Massen kontrolliert werden.
      Avatar
      schrieb am 08.08.05 17:49:29
      Beitrag Nr. 12 ()
      godik, auf den Punkt gebracht müsste man sagen: Dieser Staat hat Angst vor dem eigenen Volk.
      Avatar
      schrieb am 08.08.05 18:28:24
      Beitrag Nr. 13 ()
      #8
      Daher wähle ich die FDP, weil ich keinen Polizeistaat möchte !
      Avatar
      schrieb am 08.08.05 18:36:12
      Beitrag Nr. 14 ()
      habe ich irgendwas versäumt. warum sich gerade die junge welt dem thema annimmt bleibt mir schleierhaft. vom saulus zum paulus???
      Avatar
      schrieb am 08.08.05 19:54:12
      Beitrag Nr. 15 ()
      Mit welch dubiosen Mitteln hier der (mündige?) Bürger hinters Licht geführt wird, zeigt sich am Bsp. Jahressteuerbescheinigung. Hier wurde die Angabe der Spekulationsgewinne gesetzlich durchgesetzt und dem Bürger das als Service verkauft, der ihm hilft seine Steuererklärung zu erstellen. Wird ab EStE 2005 relevant sein.
      Avatar
      schrieb am 08.08.05 22:44:01
      Beitrag Nr. 16 ()
      Junge Welt 09.08.2005, Teil II


      Klaus Eichner »Homeland Security« für Europa?"

      Innere Sicherheit und Menschenrechte in der Europäischen Union (II und Schluß)

      Bereits 1998 entstand im Auftrag des Ausschusses für Bürgerrechte des Europaparlaments ein erster Bericht über Echelon. Darin wurde es als weltweites Spionagesystem im Dienste der US-amerikanischen NSA (National Security Agency – zentraler Geheimdienst der Fernmeldespionage) vorgestellt, mit dem alle über Satelliten laufenden Telefongespräche, Faxe und E-Mails aufgefangen und ausgewertet werden können. Obwohl der damalige EU-Kommissar für Telekommunikation, Martin Bangemann, erklärte, wenn es so etwas gebe, sei es »ein Skandal«, erregte dieser Bericht kaum Aufsehen. (Süddeutsche Zeitung, 6.7.2000) 1999 erschien dann eine erweiterte Studie des Amtes zur Bewertung von Technologiefolgen bei der EU (STOA – Scientific and Technological Options Assessment) aus der Feder des britischen Sicherheitsexperten Duncan Campbell. Er konzentrierte die Aussagen zu Echelon insbesondere auf die Funktion der Wirtschaftsspionage.

      Echelon ermöglicht den USA heute den Zugang zum gesamten globalen Kommunikationsnetz. Nur wenige elektronische Signale entgehen dem Zugriff. Dazu erfaßt das System Informationen auf mehreren Ebenen: Es werden die Datenleitungen der internationalen und regionalen Telekommunikationssatelliten (INTELSAT, INMARSAT, EUROSAT u. a.) nahezu lückenlos ausgewertet. Dann stehen die Überseekabel unter Kontrolle, entweder durch Knoten an ihren landseitigen Schnittstellen oder durch elektronische Erfassungssysteme direkt an den Kabeln. Alle Richtfunkstrecken, über die immer mehr der Fernmeldeverkehr abgewickelt wird, liefern einen ständigen Informationsfluß. Hochleistungsfähige Antennensysteme erfassen weiterhin den Funkverkehr.

      Auch moderne Telekommunikationsbereiche, wie Internet, E-Mail, Mobilfunk, werden von Echelon kontrolliert. Hauptelemente dieses Systems sind immer neue Generationen von Spionagesatelliten. Die Prioritäten in den Aufklärungsschwerpunkten haben sich in den letzten Jahren deutlich in Richtung der politischen und wissenschaftlich-technischen Aufklärung verschoben. Die politische Aufklärung richtet sich u. a. auch und nicht zuletzt gegen die politische Opposition oder andere politisch mißliebige Personen und Organisationen. So konnten sich im Februar 1999 die Briten darüber aufregen, daß Prinzessin Diana ebenfalls Objekt der Echelon-Überwachung war und in den Speichern der NSA erfaßt wurde. Das geschah vor dem Hintergrund der Überwachung solcher Organisationen wie Amnesty International, Christian Aid oder Greenpeace. Nach Aussagen des ehemaligen Mitarbeiters der NSA, Wayne Madsen, wird »jeder, der politisch aktiv ist, früher oder später vom Radarschirm der NSA erfaßt werden«.

      Gravierender noch erscheinen die immens gewachsenen Möglichkeiten und Gefahren, daß Privatpersonen in den Strudel dieser Überwachung gezogen werden und mit all den Querverbindungen und persönlichen Eigenheiten in den Speichern der Geheimdienste bleiben. Hintergrund dieser Gefahren sind die verschwommenen Regelungen, die den Geheimdiensten Befugnisse zur Aufklärung der »Organisierten Kriminalität« (OK) erteilen. Die sehr willkürlich gefaßten Definitionen der OK (soweit solche überhaupt existieren) gestatten scheinbar rechtmäßige Zugriffe auf persönliche Daten und bedienen damit die Speicherwut der Geheimdienste.

      Die europäische Dimension wurde bereits ab September 1998 aus den Planungen der »Gruppe für polizeiliche Zusammenarbeit« (ENFOPOL) ersichtlich. Damals wurden Anforderungen an die künftige Überwachung des Telekommunikationsverkehrs in der EU formuliert. Die Europolizisten forderten darin die Genehmigung von Abhörmaßnahmen »im Hoheitsgebiet anderer Mitgliedsstaaten ohne deren technische Hilfe« für zwölf Tage, »bei Gefahr im Verzuge« ohne jeden Gerichtsbeschluß.

      Im August 2002 initiierte die belgische Regierung, unterstützt von der dänischen Ratspräsidentschaft, einen Vorschlag, daß die EU alle Internet- und Telekommunikationsanbieter verpflichten sollte, Verbindungsdaten aus dem Telekommunikations- und Internetverkehr – also Telefonate, Faxe, E-Mails – für mindestens ein Jahr, maximal bis zu drei Jahren, zu speichern. Dieser Vorschlag geht auf eine Initiative des FBI der USA von 1993 zurück und fand seine Fortsetzung in einem jährlich stattfindenden »International Law Enforcement Telecommunications Seminar« (ILETS), wobei die im Ergebnis dieser »Seminararbeit« bereits 1994 in Form der vom FBI formulierten »Internationalen Benutzeranforderungen für die Überwachung« im vorauseilenden Gehorsam am 17. Januar 1995 vom EU-Ministerrat ohne jede parlamentarische Einflußmöglichkeit übernommen wurden.

      Als Straftatenkatalog, bei denen diese Maßnahmen angewandt werden sollten, werden 33 Delikte genannt, von Terrorismus und Völkermord bis zur Produktpiraterie. Nach Ansicht des Berliner Datenschutzbeauftragen, Hansjürgen Garstka, könnten dann auch Graffiti-Sprayer erfaßt werden. Menschenrechtsorganisationen warnen berechtigt: »Mit diesem Datenfundus könnten ganze Lebensbereiche ausgeforscht werden ...« Die Europäische Menschenrechtskonvention, die jedem Einzelnen die Meinungsfreiheit, das Post- und Fernmeldegeheimnis sowie den Respekt vor seinem Privatleben garantiert, wäre damit praktisch ausgehebelt.

      Die Innen- und Justizminister stimmten diesen Vorschlägen zu und forderten eine Harmonisierung der nationalen Regelungen. Demgegenüber lehnte die EU-Datenschutzgruppe unter Leitung von Peter Schaar schon im Vorfeld der Beschlußfassung die flächendeckende Vorratsspeicherung von Kommunikationsdaten ab, da dieses Vorgehen die Grundrechte auf freie Meinungsäußerung und auf ungehinderte Unterrichtung aus allgemein zugänglichen Quellen verletzen würde. Dieser Datenspeicher würde zur vollständigen Registrierung gesetzestreuer Bürger führen. (jW, 17.11.2004) Datenschützer verwiesen sehr frühzeitig darauf, daß diese Datenspeicherung eine eklatante Verletzung der durch Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention garantierten grundlegenden Rechte des Individuums darstellten.
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      schrieb am 08.08.05 22:47:23
      Beitrag Nr. 17 ()
      (Rest)

      Europaweite »innere Sicherheit«

      * Europäischer Geheimdienst

      Wenige Wochen nach dem 11. 9. 2001 kam es erstmalig in der Geschichte der EU zu einem gemeinsamen Treffen von Vertretern der Geheimdienste und der Antiterrorspezialisten der Mitgliedsstaaten. Hauptziele waren Aspekte der engeren Zusammenarbeit mit den USA, Intensivierung des Informationsaustausches, gemeinsames Training, gemeinsame Ausrüstungen sowie mögliche gemeinsame Operationen. Bereits zuvor geisterten immer wieder Vorschläge zur Schaffung einer European Intelligence Agency (EIA) durch die Diskussion. Auch Otto Schily bezeichnete solche Vorschläge als »provokant, aber im positiven Sinne«. (Berliner Zeitung, 4. 12. 2004)

      Eine Vorstufe dafür dürfte das gemeinsame Lagezentrum (Situation Center – SitCen) sein, in dem Experten der Inlandsgeheimdienste bereits seit Monaten eng zusammenarbeiten. Dazu der Sonderbeauftragte für die Terrorbekämpfung Gijs de Vries: »Das ist neu, und es ist real. Zum erstenmal gewinnen wir auf der europäischen Ebene einen Überblick über terroristische Bedrohungen.« (Berliner Zeitung, 4.12.2004)

      * Europol

      Europol ist die Kurzbezeichnung für das Europäische Polizeiamt mit Sitz in Den Haag. Dort sind Verbindungsoffiziere aus den nationalen Polizeibehörden tätig, die jedoch dem Dienstrecht ihrer Entsendeländer unterstehen. Bis jetzt hat Europol noch keine eigene Exekutivbefugnis. Aber es gibt Forderungen, nach denen Europol selbständige Ermittlungsermächtigungen und operative Befugnisse erhalten soll und mit denen gemeinsame Ermittlungsteams EU-weit wirksam werden sollen.

      Die Behörde unterhält ein eigenes Europol-Informationssystem (EIS) auf der Basis eines speziellen Computersystems (TECS – The Europol Computer System). Dort werden höchst sensible Daten über Personen gespeichert, die für die Polizei in irgendeiner Weise nützlich sein können, seien es Beschuldigte, Verdächtige, Zeugen, Opfer oder Kontaktpersonen. Bürgerrechtsgruppen bezeichnen das Informationssystem als eine klare Verletzung rechtstaatlicher Prinzipien und einen datenschutzrechtlichen Skandal. (CILIP »2/2001, S. 19)

      Bisher ist Europol eine Einrichtung der beteiligten Mitgliedsländer außerhalb der EU-Institutionen, aber die angestrebte EU-Verfassung soll das ändern; Struktur und Aufgaben von Europol sollen künftig durch europäische Gesetze geregelt werden. Zu den in der »Erklärung zum Kampf gegen den Terrorismus« vom 25. März 2004 beschlossenen 57 neuen Maßnahmen zur Terrorbekämpfung gehören auch strukturelle Erweiterungen bei Europol. So soll die Task Force der europäischen Polizeichefs (TFPC) eine Einheit zur Förderung der operativen Zusammenarbeit (Operational Support Unit – OSU) einsetzen und sie direkt dem Direktor von Europol unterstellen. Hauptaufgabe der OSU ist die Erleichterung und Verbesserung des Austausches von Geheimdienstinformationen zur Terrorbekämpfung.

      Außerdem soll eine nach dem 11. September 2001 gebildete Einheit zur Terrorabwehr (Counter Terrorism Task Force – CTTF) reaktiviert und mit weiteren Geheimdienstangehörigen verstärkt werden. Für das Haushaltsjahr 2005 ist ein Grundetat von 170000 Euro und zusätzlich 220000 Euro für die Reaktivierung vorgesehen.

      Der Gipfel im März 2004 forderte weiterhin den beschleunigten Aufbau des Europol-Informationssystems mit dem Ziel der Einrichtung einer gemeinsamen Terrorismus-Datenbank, in der Angaben zu Personen, Vorfällen, zu Hinweisen und Operationen erfaßt werden. In der Zwischenzeit werden die Beziehungen mit dem FBI weiter ausgebaut. Bisher sind zwei Verbindungsbeamte von Europol in Washington tätig; der damalige US-Justizminister John Ashcroft kündigte im September 2004 die Entsendung eines FBI-Beamten zu Europol an.

      * Eurojust

      Diese Behörde trägt die offizielle Bezeichnung: »Europäische Stelle für justitielle Zusammenarbeit« und existiert erst seit April 2003. Nach Artikel III 169 Abs. 1 des (vorerst durch die Entscheidungen in Frankreich und den Niederlanden zurückgestellten) Entwurfs der Europäischen Verfassung hat Eurojust den Auftrag, die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden zu unterstützen und zu verstärken, die für die Verfolgung von schwerer Kriminalität zuständig sind. Wenn zwei oder mehrere Mitgliedsstaaten betroffen sind oder eine Verfolgung auf gemeinsamer Grundlage erforderlich ist, soll sie die Strafverfolgung koordinieren. Eurojust stützt sich dabei auf die von den Behörden der Mitgliedsstaaten und von Europol durchgeführten Operationen und gelieferten Informationen. Hier gibt es auch Möglichkeiten des Aufbaus eines europäischen Strafregisters – entweder als europäische Datenbank oder als Verbund der nationalen Strafregister.

      Vor allem stellt Eurojust aber den Beginn einer europäischen Staatsanwaltschaft mit eigener Ermittlungsbefugnis dar – ein Vorschlag, der von Deutschland und Frankreich (gegen den Widerstand anderer Mitgliedsstaaten) vehement vorangetrieben wird und Eingang in Art. III 170 des Entwurfs der EU-Verfassung gefunden hat.

      * Eurodac

      Als Basisstruktur einer europäischen biometrischen Datenbank ist Eurodac vorerst »nur« eine Datenbank mit Fingerabdrücken von Asylsuchenden und illegalen Einwanderern, die länderübergreifend für die Ablehnung oder Zurückweisung unerwünschter Asylsuchender genutzt wird.

      * EU-Grenzschutzagentur

      Ab 1. Januar 2005 sollte die EU-Grenzschutzagentur ihre Arbeit aufnehmen. Sie stellt neben Europol eine zweite Polizeibehörde der EU dar. Da in den meisten Mitgliedsländern die Grenzpolizeien paramilitärischen Charakter besitzen und oft bei Großdemonstrationen und anderen nationalen Ereignissen zum Einsatz kommen, ist auch bei diesen Einheiten ein EU-weiter Einsatz im Inneren zu befürchten. Nach offiziellen Angaben soll die Agentur bisher allgemeine Querschnittsaufgaben (wie Risikoanalysen, Koordinierung der Aus- und Fortbildung, Förderung der Entwicklung von Detektionstechnik u. a.) übernehmen.

      Pläne für ein Kontrollgremium der inneren Sicherheit

      Im Rahmen der Diskussion über den Verfassungsentwurf wurde intensiv die Möglichkeit der Schaffung eines umfassenden Koordinationsgremiums des Rates im Bereich der inneren Sicherheit beraten und befürwortet. Dieses Gremium soll die bestehenden Einrichtungen der Union, wie Europol, Eurojust, Schengener Abkommen, Zollbehörden, Zivilschutz koordinieren. Damit würde diese Behörde de facto die Aufgaben eines EU-Innenministeriums wahrnehmen. (jW, 2. 12. 2003)

      Damit würde die Schaffung eines einheitlichen Fahndungs- und Operationsraumes im gesamten EU-Gebiet und der Aufbau von Strukturen nach dem Vorbild das US-amerikanischen Superministeriums »Homeland-Security Department« Realität werden. Ein solcher »Fahndungs- und Operationsraum« in der EU kann allerdings nur funktionieren, wenn ein »Europäischer Wissensverbund der Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden« existiert und die Möglichkeiten einer direkten polizeilichen Zusammenarbeit zwischen den EU-Staaten erweitert werden.

      Solche inhaltlichen und strukturellen Planspiele rufen auch sofort die Profithaie der internationalen Konzerne auf den Plan, die millionenschwere Aufträge wittern. Die Telekomsparte des Rüstungskonzerns EADS propagiert den Einsatz ihrer digitalen Funksysteme für alle EU-Partner, die den Austausch ganzer Datensätze ermöglichen. Das europäische Satellitenprojekt GMES (Global Monitoring on Environment and Security) bietet sich für die präventive(!) Überwachung aller Telekommunikationsverbindungen an.


      Sicherheit vs. Menschenrechte

      Wie für ihre Mitgliedsstaaten steht auch für die EU insgesamt das Problem, daß viele der beschlossenen Maßnahmen keine effektiven Ergebnisse bei der Abwehr von Terrorhandlungen, aber eine verstärkte Überwachung der Bevölkerung und damit bedeutsame Einschränkungen der Bürger- und Menschenrechte mit sich bringen.

      Die für alle Mitgliedsländer geforderte Anpassung des politischen Strafrechts an die Terrorismusdefinition der EU führt vor allem im Vorfeld der gerichtlichen Verfahren zu massiven Verletzungen der Bürgerrechte. Es ermöglicht eine zunehmende Anzahl von Ermittlungsverfahren, damit verbunden die Einschüchterung und eine systematische Ausspähung der politischen Überzeugungen und Weltanschauungen der Betroffenen sowie ihres Umfeldes. Damit ermöglicht die uferlose Ausdehnung des Terrorismusbegriffs die Kriminalisierung sozialer und politischer Proteste.

      Gravierende Beispiele des Abbaus grundlegender Standards der Menschen- und Bürgerrechte werden z. B. aus Großbritannien berichtet. Das britische Antiterrorgesetz (Anti-Terrorism, Crime and Security Act 2001, ATCSA) vom Dezember 2001 erlaubt die Internierung ausländischer Terrorverdächtiger, soweit nur »berechtigte Verdachtsmomente« vorliegen. Nach diesem Gesetz erhalten Inhaftierte und ihre Anwälte keinen Zugang zum Beweismaterial, vom Geheimdienst überprüfte »Sonderverteidiger« untersuchen die Beweis«im Namen des Beschuldigten«. (UZ, 19.12.2003; Amnesty International Jahresbericht 2002)

      Die für Einwanderungsfragen zuständige Berufungskommission entschied Anfang August 2002, daß dieses Gesetz der Europäischen Menschenrechtskonvention widerspricht. Das ATCSA stelle eine Ungleichbehandlung zwischen Ausländern und Briten dar und verstoße damit gegen das Diskriminierungsverbot. Im Widerspruch dazu forderte Innenminister David Blunkett Anfang 2004 in einem Diskussionspapier die Einrichtung von Geheimprozessen gegen Terrorverdächtige ohne Geschworene und mit Richtern und Staatsanwälten, die zuvor vom Geheimdienst überprüft worden sind. Außerdem soll die notwendige Beweislast abgesenkt werden, da die Richter dann einen Angeklagten verurteilen können, wenn sie ihn aufgrund der Wahrscheinlichkeit für schuldig hielten. Blunkett forderte, die Balance von Angemessenheit und Menschenrechten auf der einen und Grenzbereichen der Beweislast auf der anderen Seite unter dem Gesichtspunkt der Notwendigkeit der Terrorbekämpfung zu diskutieren.

      Im Ergebnis eines Revisionsverfahrens vor dem zweithöchsten Gericht Großbritanniens, vor der Berufungskammer des High Court, durften britische Behörden ausländische Terrorverdächtige für unbegrenzte Zeit ohne Anklage oder Verfahren internieren. In der Zwischenzeit waren über 600 Ausländer unter diesen Bedingungen in Haft genommen worden. Als ausreichender Haftgrund galt der »begründete Glaube« des Innenministers, daß der Betreffende eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstelle.

      Erst das höchste britische Gericht, die Lordrichter des britischen Oberhauses, erklärten die Antiterrorgesetze der Blair-Regierung als Unrecht und als Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention.

      Während sich die EU immer schneller in Richtung einer »Sicherheitsunion« entwickelt und die Eurokratie immer undurchsichtiger und immer weniger zu kontrollieren wird – fehlt es bisher an einer wirksamen kritischen Gegenöffentlichkeit mit einem tragfähigen Gegenkonzept eines demokratischen, friedlichen, menschenrechtlichen Europa. Amnesty International warnte bereits im Jahresbericht 2002: »Wer im Namen der Sicherheit Menschenrechte verletzt, erzeugt letztlich nur mehr Unsicherheit«.



      Zum Weiterlesen:

      * Liga-Report, Informationsbrief der Internationalen Liga für Menschenrechte, Haus der Demokratie, Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin, www.ilmr.org

      * »Bürgerrechte & Polizei« (CILIP), Schriftenreihe des Instituts für Bürgerrechte & öffentliche Sicherheit; c/o FU Berlin, Malteserstr. 74–100, 12249 Berlin, http://www.cilip.de

      * GEHEIM-Magazin, Postfach 270324; 50509 Köln, www.geheim-magazin.de

      * Europäische Demokratische Rechtsanwälte (EDA) – Avocats Européens Démocrates (AED), c/o Republikanischer Anwältinnen- und Anwaltsverein, Hohnezollernstr. 7, 30161 Hannover; Tel.: 0511/312809
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      schrieb am 09.08.05 00:18:38
      Beitrag Nr. 18 ()
      FDP wählen. Die bremst die Union etwas bzw. ist die einzige Partei in Deutschland die sich noch für Freiheit und demokratische Rechte einsetzt.
      Avatar
      schrieb am 02.09.05 08:35:34
      Beitrag Nr. 19 ()
      It Can`t Happen Here

      by Rep. Ron Paul

      After all, proponents argue, the government is doing all this to catch the bad guys. If you don’t have anything to hide, they ask, what are you so afraid of? The answer is that I’m afraid of losing the last vestiges of privacy that a free society should hold dear. I’m afraid of creating a society where the burden is on citizens to prove their innocence, rather than on government to prove wrongdoing. Most of all, I’m afraid of living in a society where a subservient populace surrenders its liberties to an all-powerful government.

      It may be true that average Americans do not feel intimidated by the encroachment of the police state. Americans remain tolerant of what they see as mere nuisances because they have been deluded into believing total government supervision is necessary and helpful, and because they still enjoy a high level of material comfort. That tolerance may wane, however, as our standard of living falls due to spiraling debt, endless deficit spending at home and abroad, a declining fiat dollar, inflation, higher interest rates, and failing entitlement programs. At that point attitudes toward omnipotent government may change, but the trend toward authoritarianism will be difficult to reverse.

      Those who believe a police state can`t happen here are poor students of history. Every government, democratic or not, is capable of tyranny. We must understand this if we hope to remain a free people.

      http://globalresearch.ca/index.php?context=viewArticle&code=…


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