Marktkommentar
Dr. Daniel Hartmann (BANTLEON): Deutschland an der Schwelle zum Boom
Angesichts der aktuellen Zahlen muss zunehmend von einem Boom statt einem gewöhnlichen Aufschwung gesprochen werden, meint Dr. Daniel Hartmann.
Die deutschen BIP-Zahlen für das 3. Quartal sind besser ausgefallen als erwartet. Darüber hinaus wurde auch noch das 1. Quartal 2017 deutlich nach oben revidiert. In der Folge steuert das BIP-Wachstum im laufenden Vierteljahr auf 3,0% zu (im Vorjahresvergleich).
Damit hatte zu Jahresbeginn niemand gerechnet. Mit Blick voraus deutet sich zwar eine leichte konjunkturelle Abkühlung an. Dennoch dürfte der Inflationsdruck 2018 weiter zunehmen und damit den Boden für ein Ende des QE-Programms der EZB bereiten.
Die neusten deutschen BIP-Zahlen haben in mehrfacher Hinsicht positiv überrascht. Nicht nur fiel die erste Schätzung für das 3. Quartal 2017 besser aus als gedacht: Die Wirtschaftsleistung legte um
0,8% statt der vom Konsensus erwarteten 0,6% zu (nach 0,6% in Q2). Darüber hinaus wurde auch noch das 1. Quartal 2017 kräftig von 0,7% auf 0,9% nach oben revidiert. Die Jahresrate des BIP-Wachstums
schnellte somit in einem Zug von 2,1% auf 2,8% nach oben – den höchsten Wert seit Q3/2011 (vgl. Abb. 1).
Angesichts dieser Zahlen muss zunehmend von einem Boom statt einem gewöhnlichen Aufschwung gesprochen werden. Dies gilt umso mehr, als die Jahresrate im laufenden Quartal weiter auf 3,0% oder sogar 3,1% anziehen wird. Im Jahresdurchschnitt dürfte das Wachstum 2,6% erreichen (nach 1,9% 2016) – der aktuelle Konsensus geht noch von 2,2% aus und zu Jahresbeginn lagen die durchschnittlichen Prognosen für das deutsche BIP-Wachstum bei lediglich 1,5% (Bantleon: 2,1%).
Eine Überraschung deutet sich auch bei der Wachstumsstruktur im 3. Quartal an, zu der das Statistische Bundesamt im Rahmen der ersten Schätzung traditionell ausschliesslich qualitative Hinweise liefert. Demnach dürfte der Konsum lediglich stagniert haben, während vom Aussenhandel ein kräftiger Impuls ausging. Der sich abzeichnende deutliche Anstieg bei den Investitionen in Maschinen und Anlagen war wiederum absehbar.
Die Beschleunigung beim BIP-Wachstum im 3. Quartal (von 0,6% auf 0,8%) kommt einerseits unerwartet, da die Aktivitätsdaten (unter anderem Industrieproduktion und Einzelhandelsumsätze) schwächer ausgefallen sind als im 2. Quartal. Andererseits findet – zusammen mit der Aufwärtsrevision im 1. Quartal – eine überfällige Annäherung an die haussierenden Stimmungsindikatoren statt. Konjunkturbarometer wie der IFO-Index oder die Einkaufsmanagerindikatoren legen bereits seit Jahresbeginn ein Expansionstempo von deutlich über 2,0% (im Vorjahresvergleich) nahe. Diese Lücke zwischen euphorischer Stimmung und realem Wachstum hat sich nunmehr etwas verringert (vgl. Abb. 2).
Quellen: IFO, Destatis, Bantleon; * Oktoberwert = Q4/2017
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Aufgrund der freundlichen Frühindikatoren und dem jüngsten Aufwind bei den Auftragseingängen der Industrie gehen wir auch im laufenden Quartal von einem robusten deutschen BIP-Zuwachs von 0,6% bis 0,7% aus. Einzig eine Gegenbewegung beim Wachstumsbeitrag des Aussenhandels könnte hier noch einen Strich durch die Rechnung machen.
Mit Blick voraus erwarten wir allerdings eine abflauende Tendenz – sowohl bei den Stimmungsindikatoren als auch beim Wachstum. Dazu beitragen wird vor allem die nachlassende Konjunkturdynamik in China. Eine Expansionsverlangsamung ist hier überfällig, nicht zuletzt um die Verschuldungsexzesse zu bändigen. Die zuletzt schwächeren chinesischen Immobiliendaten und Einkaufsmanagerindikatoren deuten bereits in die entsprechende Richtung (vgl. Abb. 3).
Zweifellos wird die Abkühlung in Deutschland aber von höherem Niveau ausgehen als zunächst erwartet. So dürfte das Wachstum im 1. Halbjahr 2018 mit ca. 0,4% bis 0,5% pro Quartal einerseits tiefer als im 2. Halbjahr 2017 liegen, sich aber andererseits immer noch auf solidem Niveau bewegen. Für 2018 insgesamt gehen wir von 2,3% aus.
Quellen: Destatis, Markit, BantleonDas Wachstum bleibt somit deutlich über dem Potentialtrend (derzeit 1,0% bis 1,5% p.a.), was den Inflationsdruck verstärken wird. Mithin sollten die jüngsten BIP-Zahlen auch den Lohnforderungen der Gewerkschaften zusätzlichen Auftrieb verschaffen. Trotz der sich im 1. Halbjahr 2018 abzeichnenden Konjunkturdelle gibt es daher für die EZB gute Argumente, um aus dem QE-Programm 2018 vollständig auszusteigen.