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    Ausblick 2018  2642  0 Kommentare Japan: Zehn möglicherweise überraschende Marktentwicklungen im Jahr 2018

    Alljährlich legen Wirtschaftsexperten und Strategen zu dieser Zeit ihre Prognosen für
    das kommende Jahr vor. Quantitative Prognosen beruhen auf
    Wahrscheinlichkeitsmodellen, die zwangsläufig von einer zwischen der vergangenen
    und künftigen Entwicklung bestehenden Korrelation ausgehen. Qualitative Szenarien
    basieren dagegen in gewisser Weise auf einer Kombination aus Erfahrung und
    gesundem Menschenverstand. In beiden Fällen lassen die angewandten Methoden
    offenbar meist nur wenig Spielraum für die Diskussion von echten Extremszenarien
    und Überraschungen.

    Der vorliegende Beitrag unternimmt den Versuch, diese Lücke zu schließen. Er stellt
    Extremszenarien dar, die sich aus meiner Sicht drastisch auf Anlageoptionen in Japan
    auswirken könnten. Bereits definitorisch liegen diese zehn überraschenden
    Entwicklungen außerhalb des Marktkonsenses. Vor allem sollen sie aber den Leser zu
    selbstständigem Denken anregen. So unwahrscheinlich die Szenarien erscheinen
    mögen, würde eine Entwicklung in Richtung ihrer Extreme doch nahezu zwangsläufig
    zu einer Kehrtwende im Marktkonsens führen. Ich wünsche Ihnen eine spannende
    Lektüre und ein gutes und erfolgreiches Jahr 2018.

    1) Premierminister Abe besucht Pjöngjang und vereinbart eine
    Modernisierung der nordkoreanischen Infrastruktur im Volumen von
    USD 1 Bio. unter Federführung Japans

    Zum Ende des Jahres 2017 sollte man nicht unbedingt von einer positiven Wendung
    bei der Lösung der Probleme im Zusammenhang mit Nordkorea ausgehen. Dennoch
    erscheint der Weg zu einer konstruktiven Lösung noch immer möglich – unter der
    Voraussetzung, dass sich unter den Akteuren Besonnenheit durchsetzt. Aus Sicht der
    wirtschaftlichen Entwicklung passen Nordkorea und Japan perfekt zusammen: auf der
    einen Seite Rohstoffe und Arbeitskräfte in Hülle und Fülle, auf der anderen Seite
    weltweit führende Technologien und verfügbares Kapital. Premierminister Abe hat sich
    als Förderer von Infrastrukturprojekten unter der Führung Japans eine herausragende
    Reputation aufgebaut. Eine konstruktive Einbindung von Nordkorea würde nicht nur
    der japanischen Konjunktur entscheidende Impulse verleihen, sondern sicher auch ein
    historisches Erbe schaffen, mit dem Abe zu einem Kandidaten für den
    Friedensnobelpreis würde. Ein leider unwahrscheinliches Szenario – das Gleiche gilt
    aber auch für eine friedliche Lösung des Konflikts ohne engere Kooperation auf
    wirtschaftlicher Ebene. Aus meiner Sicht wird es früher oder später dazu kommen.

    2) Ein beschleunigtes Nachgeben des Yen/USD-Kurses in Richtung 150:1
    zwingt China zu einer Abwertung des Yuan um 30%

    Nicht miteinander synchronisierte geldpolitische Zyklen erhöhen die
    Wahrscheinlichkeit für voneinander entkoppelte Preis- und Kursschwankungen im
    Allgemeinen und für Überreaktionen der Devisenmärkte im Besonderen. Aus meiner
    Sicht besteht für den Yen im Jahr 2018 weiterhin diesbezüglich ein hohes Risiko.
    Sicher hat sich die Entkopplung der Zyklen der Bank of Japan und der Fed in den
    Jahren 2016 und 2017 nicht so drastisch wie erwartet entwickelt. Dennoch ist eine
    solche Entwicklung für 2018 nicht auszuschließen, denn die US-Geldpolitik war jüngst
    Veränderungen unterworfen. Aus meiner Sicht noch wichtiger: Sobald der US-Dollar
    im nächsten Zyklus erneut an Stärke gewinnt, könnte sich China als entscheidende 
    „Stellgröße“ erweisen. In vielen Märkten stehen Japan und China heute in direktem
    Wettbewerb, beispielsweise in der High-Tech-Branche und bei
    Hochgeschwindigkeitszügen. Ein nachgebender Yen wäre daher eher für die
    chinesische als für die US-amerikanische Exportindustrie problematisch. Je schwächer
    der Yen, desto höher das Risiko einer Abwertung des chinesischen Yuan. Sobald der
    Yen/USD-Kurs die Schwelle von 140:1 unterschreitet, erscheint für mich eine
    Abwertung des chinesischen Yuan um 30% wahrscheinlicher als eine entsprechende
    Gegenbewegung seitens der USA.

    3) Der neue Chairman der Federal Reserve „importiert“ das operationelle
    Modell der Bank of Japan und legt die Rendite von zehnjährigen USStaatsanleihen
    auf 2,5% fest

    Wenn sich die Wünsche von Präsident Trump erfüllen und die US-Wirtschaft nachhaltig
    um 3,5-4% wächst, entstünde für die Renditen von US-Staatsanleihen ein erheblicher
    Aufwärtsdruck. Dann läge für über zehn Jahre laufende Anleihen ein Renditeniveau
    von 6% oder mehr im Bereich des Möglichen. Denn ein reales BIP-Wachstum von 3,5-
    4% impliziert einen nominalen Anstieg um mindestens 5,5-6%. Die Renditen von USStaatsanleihen blieben in der Vergangenheit nur selten deutlich hinter der
    nachhaltigen nominalen BIP-Wachstumsrate zurück. In jedem Fall würden steigende
    US-Anleiherenditen einen Abwärtsdruck auf US-Risikoanlagen im Allgemeinen und
    Aktien, Immobilien und Unternehmensanleihen im Besonderen auslösen. Zudem
    würden steigende Renditen auf Staatsanleihen schon bald einen echten Abwärtszyklus
    nach sich ziehen. Um eine solche Entwicklung zu verhindern, könnte der sehr
    unorthodoxe US-Präsident – auch mit Blick auf seine frühere Karriere als
    Immobilienentwickler – möglicherweise der Versuchung erliegen, die US-Notenbank
    zu einem „Import“ des operationellen Modells der Bank of Japan zu bewegen, also
    einer Festsetzung der Rendite auf langlaufende US-Staatsanleihen auf ein
    angemessenes Niveau, beispielsweise 2,5%, und einer Ankurbelung der USKonjunktur
    für die Dauer der nächsten Wahlperiode.

    4) Toyota übernimmt Tesla und entwickelt die neu in den Konzern
    integrierten US-Standorte zu Automobilwerken mit zuvor unerreichter
    Produktivität

    Toyota und Tesla scheinen sich optimal zu ergänzen. Der japanische
    Automobilhersteller steht weltweit unbestritten an erster Stelle, wenn es um die
    Massenproduktion in Top-Qualität geht. Tesla unternimmt alle Anstrengungen, um
    genau dieses Ziel ebenfalls zu erreichen. Indes hat Tesla auf dem Weg zur Mobilität
    der Zukunft „den Turbo gezündet“ – und genau das ist auch die Zielrichtung von
    Toyota. Auf operativer Ebene ist es durchaus vorstellbar, dass Toyota seinen
    umfangreichen Erfahrungsschatz aus der Produktion zum Tragen bringt, um für Tesla
    Automobilwerke mit bisher unerreichter Produktivität zu schaffen. Natürlich besteht
    auch die Möglichkeit, dass die beiden Unternehmenskulturen aufeinanderprallen.
    Dennoch wäre eine erfolgreiche Übernahme eines Superstars des US-amerikanischen
    Silicon Valley durch ein japanisches Unternehmen ein herausragender Beleg für die
    ambitionierten Ziele des neuen Japan. Eine solche Entwicklung wäre eine
    Riesenüberraschung, da bei Toyota eher davon auszugehen ist, dass das
    Unternehmen „von hinten“ angreift und Tesla mit seinen eigenen Waffen schlägt. Denn
    die Kernkompetenz japanischer Unternehmen besteht seit jeher in ihrer Fähigkeit,
    Vorreiter wie Tesla bei Fertigung und Design noch zu übertreffen. 

    5) Premierminister Abe führt „Asia-Coin“ ein, die weltweit erste
    zentralbankgestützte, Blockchain-basierte Kryptowährung

    Mittlerweile befinden sich Staaten und Zentralbanken in intensivem Wettstreit bei der
    Förderung und Einführung eines offiziellen Standards für Kryptowährungen. Japan
    verfügt in diesem Bereich über das Potenzial, eine Führungsrolle einzunehmen und
    eine von der Bank of Japan gestützte „Asia-Coin“ einzuführen – ein von einem
    Konsortium aus den japanischen Mega-Banken und der BoJ geschaffenes, Blockchainbasiertes Währungssystem. Wenn dieses Vorhaben als innovatives politisches Projekt auf nationaler Ebene aufgesetzt würde, wären führende japanische Unternehmen sicher nur allzu gern bereit, den „Asia-Coin“ als Verrechnungs- und
    Transaktionssystem für ihr gesamtes Geschäft in Asien und auf globaler Ebene zu
    nutzen. Eine solche Entwicklung würde wiederum zu einem positiven Kreislauf aus
    Vertrauens- und Liquiditätsbildung führen und sicher auch Japan zu einem Vorsprung
    verhelfen, wenn es um die Definition eines weltweit einheitlichen Standards für das
    Banking der Zukunft geht. Dies wäre zweifellos eine Überraschung, gut belegt sind
    allerdings die Ambitionen Japans, Tokio zu einem führenden Finanzplatz
    weiterzuentwickeln. Aus der Schaffung eines von der japanischen Regierung
    gestützten „Asia-Coin“ ergäbe sich für die japanischen Banken und Kreditinstitute eine
    unbestrittene globale Führungsposition. Und das „Wettrennen“ läuft auch bereits:
    Zwar wäre eine konzertierte Führungsrolle Japans eine positive Überraschung, die
    Einführung einer staatlich gestützten Kryptowährung dürfte jedoch in nicht allzu
    langer Zeit auf der Agenda der chinesischen Regierung stehen.

    6) Japan führt eine „Vermögensprüfung“ ein, um staatliche Beihilfen und
    Gesundheitsleistungen für vermögende Personen zu reduzieren

    Die Reduzierung staatlicher Leistungen und Beihilfen gestaltet sich in jedem Land
    schwierig und stößt auf Widerstand. In Japan ist jedoch noch immer die
    „Reichensteuer“ und Umverteilung der Einkommen populär. Im Zuge des wachsenden
    Drucks zur Begrenzung des ausufernden Haushaltsdefizits hat eine Debatte über
    kreative und unorthodoxe politische Maßnahmen zur Reduzierung von Leistungen
    begonnen. Eine Möglichkeit bestünde hier in der Einführung einer
    „Vermögensprüfung“, bei der beispielsweise Personen mit einem Nettovermögen von
    über JPY 10 Mio. und ohne Hypothekenschulden kein Anrecht mehr auf die staatliche
    Rente oder Leistungen des staatlichen Gesundheitswesens hätten. Für die Märkte ein
    kontroverses Thema – und für die Wähler? Jedenfalls sollte das Ausmaß der Kreativität
    der japanischen Politiker niemanden mehr überraschen.

    7) Japan tritt der von China geführten Asian Infrastructure Development
    Bank bei

    Im Laufe der vergangenen fünf Jahre haben sich die Beziehungen zwischen Japan und
    China von einem eher komplementären zu einem kompetitiven Szenario gewandelt.
    Dies gilt sowohl für die Wirtschaft als auch für die Politik und Strategieentwicklung.
    Als China sein Pendant zu der von den USA geführten Asia Development Bank, die
    Asian Infrastructure Development Bank, gründete, folgte Japan nahezu zwangsläufig
    den USA und trat letzterer nicht bei. Da die Vereinigten Staaten von Japan nun aber
    größere Unabhängigkeit fordern, ist das Land möglicherweise zu einer Änderung
    seiner nationalen Strategie gezwungen. Sowohl Japan als auch China haben sich in
    Asien als große Förderer des Multilateralismus profiliert. Daher erscheint eine
    Bündelung der Kräfte zunehmend sinnvoll, um hier mit gutem Beispiel voranzugehen.
    Ein Beitritt Japans zur von China geführten Asian Infrastructure Development Bank 
    hätte Symbolwirkung – im Hinblick auf die zunehmende Unabhängigkeit Japans und
    das Engagement des Landes für multilaterale Vereinbarungen. Überraschender wäre
    nur eine noch größer angelegte Strategie: Demnach würde China nach dem Beitritt
    Japans zur AIDB im Gegenzug der Transpazifischen Partnerschaft (TPP), dem von
    Japan begründeten Freihandelsabkommen, beitreten. Aus Investorensicht würden
    konkrete Fortschritte in der Kooperation zwischen Japan und China die
    Wirtschaftsdynamik in Asien sicher positiv beeinflussen.
     

    8) In Tokio steigen die Immobilienpreise über den Höchststand der
    „Blase“ des Jahres 1990

    In Tokio hat zwar eine Erholung der Immobilienpreise eingesetzt, sie verharren
    allerdings noch immer bei 40-50% des Höchststandes der „Blase“ des Jahres 1990.
    Immobilienentwickler treten jedoch in jüngster Zeit aggressiver auf. Verschiedentlich
    kommen Luxuswohnungen im Top-Segment für USD 5-6 Mio. auf den Markt, also für
    mehr als den doppelten Preis der Top-Transaktionen, die vor drei Jahren abgewickelt
    wurden. Dabei wird die Nachfrage von einer neuen Gruppe aufsteigender japanischer
    Unternehmer, von der einfachen Kreditbeschaffung sowie von
    asiatischen/ausländischen Käufern angekurbelt. Bei Wohnimmobilien dürfte es nicht
    mehr allzu lange dauern, bis die Kaufpreise einen neuen historischen Höchststand
    erreichen. In einem Zeithorizont bis zum Jahr 2020 erscheint eine solche Entwicklung
    aus meiner Sicht plausibel. Im Jahr 2018 stellte sie jedoch eine positive Überraschung
    dar – eine mehr als deutliche Bestätigung des Endes der Deflation.

    9) Biotech-, Fintech- und KI-Startups leiten eine Welle von Börsengängen
    ein, die Tokio zu DEM Innovationsstandort in Asien machen

    Letztlich überzeugt nur der Erfolg. Die japanische Regierung versucht sich seit Jahren
    an der Förderung von Entrepreneurship, Innovation und unternehmerischer
    Kreativität. Die Zeit ist also reif für ganz konkrete Erfolgsgeschichten. Eine Welle von
    Börsengängen würde hier Wunder wirken und die Wirksamkeit der „Abenomics“, die
    Rückkehr von Japan in die Erfolgsspur und seine Entwicklung zu dem
    Innovationsstandort in Asien belegen. Aus meiner Sicht gibt es in Japan ein hohes
    Maß an unternehmerischer Aktivität und Kreativität, insbesondere in den Bereichen
    Biotech, Fintech und angewandte KI und Robotik. Ein optimistischer Blick auf Japan
    würde durch nichts mehr gerechtfertigt als durch eine aggressivere Monetarisierung
    und Kommerzialisierung dieser positiven Standortfaktoren.

    10) Japan schlägt Deutschland und wird 2018 neuer FußballWeltmeister

    Am 15. Juli 2018 wird das Finale der FIFA-Fußball-Weltmeisterschaft ausgetragen. Ein
    Gewinn des WM-Titels durch Japan wäre besonders für mich eine Riesenüberraschung.
    Als Deutscher bin ich natürlich alle vier Jahre, wenn die Weltmeisterschaft stattfindet,
    erheblich „vorbelastet“. Sollte die Mannschaft nicht ins WM-Finale einziehen, so wäre
    das für mich nicht nur eine Überraschung, sondern ein echter Schock. Möge 2018 das
    beste Team gewinnen!

     

    Autor:  Jesper Koll, Leiter WisdomTree Japan.




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