„Chinas Aktienmarkt tickt anders“ - Seite 2
FundResearch: In Ihrem Portfolio finden sich keine Staatsunternehmen. Warum meiden Sie China Mobil oder China Petrobras, die Titel sind doch relativ billig?
Bin Shi: Nur billig reicht nicht als Kaufargument. Die Staatsunternehmen werden nämlich nicht effizient geführt. An der Spitze stehe meist Parteimitglieder oder Politiker, die nicht die dazu notwendige Expertise mitbringen.
FundResearch: In den Industriestaaten würden die Aktionäre auf eine Auswechslung des Managements drängen?
Bin Shi: Richtig. In China kommt es jedoch dazu nicht, auch wenn die Ergebnisse nachhaltig enttäuschen. In diesem Punkt unterscheidet sich der chinesische Aktienmarkt sehr von an den Märkten der Industriestaaten geltenden Mechanismen.
FundResearch: Gibt es weitere Unterschiede, die Anleger aus den Industriestaaten wissen sollten?
Bin Shi: An den Börsen in Shenzen und Shanghai engagieren sich bislang nur wenige institutionelle Investoren. Die handelnden Privatanleger halten die Aktien nicht langfristig, sondern sind an kurzfristigen Gewinnen interessiert. Das führt immer wieder zu sehr hohen Schwankungen.
FundResearch: In wenigen Wochen werden Aktien, die an den Börsen in Shenzen und Shanghai notieren, in den MSCI Emerging Markets übernommen. Fallen die Schwankungen dann geringer aus?
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Bin Shi: Schwellenländer-ETF-Anbieter werden zwar die Aktien kaufen, doch eine Stabilisierung der Kursentwicklung sollte dauern. Für uns sind dies Kaufgelegenheiten. Wir haben die in den MSCI Markets kommenden Unternehmen analysiert, bislang aber nur wenige aussichtsreiche Werte ermitteln können.
FundResearch: Werden China-Aktien unter den Handelssanktionen und Strafzöllen vonseiten der USA leiden?
Bin Shi: Es ist nicht unwahrscheinlich, das Investoren als Folge Mittel abziehen werden. Die Maßnahmen schaden jedoch nicht nur China. Darunter leiden der Rest der Welt und insbesondere die USA. Man darf nicht vergessen: Die Exporte Chinas halten in den Staaten die Inflation niedrig. Allerdings gibt es Unternehmen, die fast ausschließlich auf den chinesischen Markt fokussiert sind. Dazu zählt auch Tencent, weit über 90 Prozent der Erlöse werden im Reich der Mitte generiert.
FundResearch: Chinas Nationaler Volkskongress hat vor Kurzem die Begrenzung der Amtszeit des Staatspräsidenten aufgehoben. Xi Jinping kann nun so lange reagieren, wie er es für notwendig hält. Ist das für die wirtschaftliche Entwicklung positiv?
Bin Shi: Der Staatspräsident gestaltet im Wesentlichen die Reformpolitik. Seine Ziele sind ambitioniert, China soll eines der innovativsten Länder der Welt werden. Ob es erreicht wird und ob die Aufhebung der Amtszeitbegrenzung der Wirtschaft nutzt, muss man abwarten.
Jörg Billina