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    ROUNDUP  514  0 Kommentare Experte warnt vor Milliardenkosten für Rente - Koalition empört

    BERLIN (dpa-AFX) - Wegen dreistelliger Milliardenkosten sind die Rentenpläne der Koalition aus Sicht anerkannter Rentenforscher längerfristig nicht tragbar. Union und SPD wollen die gesetzliche Rente bis 2025 auf heutigem Niveau von 48 Prozent absichern und den Beitragssatz von derzeit 18,6 Prozent nicht über 20 Prozent steigen lassen. Nach einer am Dienstag veröffentlichten Studie des Max-Planck-Instituts für Sozialrecht und Sozialpolitik wären im Jahr 2025 dafür 11 Milliarden Euro aus Steuern nötig. Würden Rentenniveau und Beitragssatz weiter beibehalten, wären es laut der Studie 2035 schon mehr als 80 und 2048 über 125 Milliarden Euro. Das Bundessozialministerium wies die Berechnungen zurück. Die "Süddeutsche Zeitung" hatte zuerst über die Studie berichtet.

    "Ich gehe nicht davon aus, dass diese Politik der doppelten Haltelinien durchgesetzt werden kann", sagte Axel Börsch-Supan, einer der Studienautoren, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. "Langfristig ist es nicht tragbar, weil das Steuerplus zu hoch wäre", so der Politikberater und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium. "Angesichts der dynamischen demografischen Entwicklung kann das Rentensystem nicht starr sein."

    Die Haltelinien beim Rentenniveau, dem Verhältnis von Rente zum Lohn, und beim Beitragssatz wurde auf Druck der SPD ein Koalitionsprojekt. Das Konzept stammt im Grundsatz noch von der damaligen Arbeitsministerin Andrea Nahles. Nahles, heute Fraktions- und Parteichefin, bezeichnete die Pläne als finanzierbar. In einem Land wie Deutschland sei es möglich, diese Summen aufzubringen, sagte sie vor einer Sitzung ihrer Fraktion. Es sei etwas wert, wenn Menschen Sicherheit hätten und vor Altersarmut geschützt seien. "Ich kann Ihnen nur sagen, dass wir wissen, dass eine sichere Rente, die Stabilisierung des Rentenniveaus, nicht zum Nulltarif zu haben ist."

    Börsch-Supans Zahlen sind aber umstritten. Das Sozialministerium von Minister Hubertus Heil (SPD) sprach von zugrundeliegenden Annahmen ohne Fundament. "Etwaige Kosten lassen sich derzeit nicht seriös bestimmen, da die Einzelheiten der angestrebten Leistungsverbesserungen in der Gesetzlichen Rentenversicherung noch nicht feststehen." Der Münchener Forscher entgegnete, die Rentenreform würde bei weiteren Verbesserungen noch teurer.

    Beide Seiten warfen sich Verunsicherung vor. Der Ministeriumssprecher sagte: "Die genannten Zahlen stehen so im weitgehend luftleeren Raum, und dienen dazu, Versicherte und Rentner gleichermaßen zu verunsichern." Börsch-Supan entgegnete: "Wenn Rentnern und Beitragszahlern jetzt gesagt wird, wir ziehen Haltelinien ein, ohne dass dies längerfristig tragbar ist, schafft man auf Dauer nicht Sicherheit, sondern Verunsicherung."

    Leicht dürfte es für Heil nicht werden, die Rentenpläne umzusetzen. Der CDU-Haushälter Eckhardt Rehberg stellte fest: "Die vereinbarten neuen Rentenleistungen können nicht aus dem Bundeshaushalt über Steuermittel finanziert werden." Bereits heute finanziere der Bund rund ein Drittel der Rentenausgaben. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und Heil sollten sich auf eine Beitragsfinanzierung einigen.

    Börsch-Supan hat schon einmal mögliche drohende Steuererhöhungen bei seiner Berechnung ausgerechnet - "um die Größenordnung dieser Zahlen zu veranschaulichen". Würden die Mehrkosten durch eine steigende Mehrwertsteuer finanziert, müsste diese laut Studie bis 2030 um 3 Prozentpunkte steigen - bis 2045 sogar um über 7 Punkte.

    Alternative: Die Menschen arbeiten länger. Laut Studie müsste das Rentenalter bis 2030 auf 69 und bis 2045 auf 71 Jahre steigen, wenn damit die Kosten der Haltelinien ausgeglichen werden sollten.

    Der Sozialexperte der Unionsfraktion, Peter Weiß (CDU), nannte die Berechnungen "voreilig". Experten hätten sich schon früher bei der Vorhersage höherer Beiträge geirrt. Die Deutsche Rentenversicherung teilte mit, der Steuerbedarf könne noch nicht beziffert werden. Das Heil-Ministerium und SPD-Fraktionsvize Katja Mast verwiesen auf die Rentenkommission, die für die Zeit nach 2025 die Basis für die Zukunft der Rente erarbeiten und laut Ministerium noch im Frühjahr eingesetzt werden soll. "Das ist dann auch der Ort für die Bewertung von Gutachten", sagte Mast mit Blick auf die neue Studie.

    Der FDP-Sozialexperte Johannes Vogel kritisierte: "Die Rentenpläne von Union und SPD sind unbezahlbar und unverantwortlich." Der Linken-Rentenexperte Matthias W. Birkwald forderte hingegen sogar eine Wiederanhebung des Rentenniveaus auf 53 Prozent. Ulrike Mascher, Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, nannte die Rentenpläne bezahlbar - vor allem wenn Leistungen wie die Mütterrente über Steuern finanziert würden. Hans-Jürgen Urban vom IG-Metall-Vorstand warf Börsch-Supan Horrorprognosen vor./bw/ted/DP/tos





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