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    Interview  8804  0 Kommentare Gigaset: „Der Einstieg in den Markt für Smartphones war ein Erfolg“

    Seit einigen Jahren läuft bei Gigaset eine Neuaufstellung. Im Interview mit unserer Redaktion erläutern Vorstandschef Klaus Weßing und Finanzvorstand Stephan Mathys, welche Aufgaben noch vor ihnen liegen. Sie sprechen über die Prognose 2018, über neue Smartphones und über die weiteren Pläne im laufenden Jahr.

    Redaktion: Herr Mathys, Sie haben in Ihrer beruflichen Laufbahn vor Gigaset bereits Restrukturierungserfahrung sammeln können. Wie sehr hilft Ihnen dies nun bei Gigaset?

    Mathys: Die meisten Erfahrungen sind wertvoll. Bei Gigaset finde ich Parallelen aber auch viele Unterschiede zu dem, was ich in meinem bisherigen Berufsleben gesehen habe. Gigaset hat sich, vor allem in den letzten beiden Jahren, konsequent auf die Marktveränderungen ausgerichtet. Es war und ist richtig, die insgesamt rückläufige Nachfrage im Bereich der DECT-Telefonie anzunehmen und gleichzeitig die Möglichkeiten, die sich nach wie vor in diesem Markt ergeben, zu nutzen. Die Potenziale für Gigaset für neue Anwendungsbereiche und in ganz neuen Produktsegmenten ergeben sich häufig in Ergänzung und Vernetzung mit bestehenden Lösungen der DECT-Telefonie – unser Kerngeschäft bleibt insoweit in der Zukunft ein wichtiger Nukleus. Als große Stärke von Gigaset könnte sich die technologische Kompetenz und die flexible Produktion erweisen. Wir werden in den kommenden Jahren weitere Veränderungen bei Gigaset sehen. Die Nähe zu den Kunden wird sowohl im Consumer- als auch im Geschäftskunden-Bereich ein entscheidender Wettbewerbsfaktor sein. Wir müssen in allen Bereichen der Organisation die dafür notwendige Flexibilität weiter ausbauen. Und wir müssen unsere begrenzten, aber vorhandenen Mittel effektiv einsetzen. Hier möchte ich einen Teil dazu beitragen. Meine Vision ist, Gigaset zusammen mit Klaus Weßing und allen Mitarbeitern Stück für Stück zu einem nachhaltig profitablen Kommunikationsunternehmen mit einem klaren Profil zu entwickeln – mit Produkten und Lösungen, die für eine optimale Qualität, trendiges Design und individuelle Funktion stehen.

    Redaktion: Ihre Eigenkapitalquote liegt im niedrig zweistelligen Bereich. Das schreckt manchen Investor ab. Ist hier Besserung in Sicht?

    Mathys: Es ist richtig: Der Segler würde sagen, dass wir noch etwas wenig Wasser unterm Kiel haben. Wir möchten dies ändern – es benötigt Zeit und geht nur in vielen kleinen Schritten. Die Erwartungen des Kapitalmarktes sollten insoweit nicht zu hoch oder ungeduldig sein. Auch wenn wir uns für das laufende Jahr 2018 wieder ein leichtes Umsatzwachstum vorgenommen haben, so wird es doch kurzfristig eher eine Seitwärtsentwicklung sein, die wir beschreiten. Das Wachstum sehen wir im Moment im zweiten Halbjahr. Wir freuen uns, dass der Aufsichtsrat am 25.  April einer Finanzierung für Investitionen im Volumen von bis zu 20 Millionen Euro einstimmig zugestimmt hat. Ein weiterer positiver Meilenstein in der jüngeren Entwicklung von Gigaset. Damit haben wir die Möglichkeit, verstärkt in neue Geschäftsfelder zu investieren. Erfahrungsgemäß dauert es allerdings, bis Investitionen Früchte tragen und Erträge aus der Saat geerntet werden können.

    Redaktion: Welche Pläne haben Sie hinsichtlich der Pensionsverpflichtungen von rund 80 Millionen Euro?

    Mathys: Die Pensionsverpflichtungen sind für Gigaset im Laufe der letzten Jahre aufgrund der Zinsentwicklung zu einer immer größeren Last geworden – gerade als Unternehmen, das eine Rechnungslegung nach IFRS verfolgt. Im Moment sieht es danach aus, als würde sich das Thema so nach und nach wieder etwas entspannen. Die Pensionsverpflichtungen werden das Bilanzbild und die Eigenkapitalquote von Gigaset allerdings weiterhin stark prägen. Fast zwei Drittel der Anspruchsberechtigten sind heute nicht mehr bei Gigaset beschäftigt. Ungeachtet dessen ist es eine Verpflichtung gegenüber ehemaligen Mitarbeitern, die wir übernommen haben und erfüllen.

    Redaktion: In den vergangenen zwei Jahren haben Sie das Unternehmen neu aufgestellt. Ist dieser Prozess nun abgeschlossen oder müssen Sie noch einige Hausaufgaben erledigen?

    Weßing: Die Hausaufgaben enden nie. Ich vergleiche ein Unternehmen gerne mit einem Fluss: Es ist ständig in Bewegung. Man muss die sich stetig verändernden Bedingungen immer wieder aufs Neue analysieren und beurteilen und versuchen dabei vor allem extreme Ereignisse vorherzusagen. Das bedeutet jeden Tag neue Hausaufgaben. Das macht den Job aber auch so faszinierend. Die Kommunikationstechnik hat sich in den letzten 30 Jahren exponentiell entwickelt. Immer neue Techniken, Funktionen und Designs haben den Markt extrem wachen lassen. Sollte die Entwicklungsgeschwindigkeit in den kommenden Jahren weiter anhalten, werden wir bald eine ganz neue Art von Kommunikation erleben. Ich – und damit, glaube ich, kann ich für alle Kollegen bei uns im Haus sprechen – freuen uns auf diese Möglichkeiten. Wir sehen uns gut für die Zukunft aufgestellt. Vom Produkt bis zum Vertrieb – wir haben Grund, optimistisch zu sein.

    Redaktion: Die Vergangenheit hat manches Vertrauen bei Anlegern gekostet. Wie wollen Sie dieses zurückgewinnen?

    Weßing: Jeder Anleger, der in der Vergangenheit enttäuscht wurde, ist einer zu viel. Auch wenn die Unternehmensbewertung das heute noch nicht widerspiegelt, bin ich der Überzeugung, dass in den vergangenen zwei Jahren wichtige Grundlagenarbeit für und in die Zukunft geleistet wurde. Wir hatten viele Themen anzugehen. Der Unternehmensumbau war weichenstellend und viel zu lange überfällig. Das hat Zeit und Kraft gekostet. Gleichzeitig konnten wir jedoch nicht mal eben anhalten, um in Ruhe alles zu sortieren. Es galt, auch die neuen Produkte auf den Weg zu bringen, strategische Themen anzustoßen und Investitionen in Wachstumstreiber zu tätigen, um den Umsatzrückgängen des Gesamtmarkts für DECT-Telefone zu begegnen. Das darf man in der externen Betrachtung nicht vergessen.

    Redaktion: Arbeiten sie für 2018 auch an neuen Produkten?

    Weßing: Natürlich. Wir haben eine gut gefüllte Entwicklungspipeline. Future Communications, der Bereich unter dem wir neue Technologien jenseits unseres bisherigen Portfolios erarbeiten, wird eine große Chance für uns sein. Ebenso unsere Pläne im Smart Home Bereiche – hier werden wir ebenfalls in 2018 etwas Neues vorstellen. Die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine wird im Rahmen unserer Digitalisierungsstrategie einen wichtigen Platz einnehmen. Ebenso sehe ich unsere Vision immer klarere Formen annehmen. Wir entwickeln uns vom reinen Hardware-Hersteller zum Anbieter von Kommunikationslösungen. Das bedeutet, dass wir auch neue Umsatzpotentiale im Bereich Software und Services sehen und das bedeutet für uns die Chance wiederkehrende Umsätze zu generieren.

    Redaktion: Wo soll es 2018 ein besonders starkes Wachstum geben?

    Weßing: Die Reihenfolge lautet Mobile Devices vor Geschäftskunden und Home Networks. Die Unbekannte wird der Markt für klassische, schnurlose Endgeräte für den Privatkunden sein. Der Markt ist in den letzten Jahren auf ein gesundes Niveau geschrumpft. Jetzt besteht wieder Platz für Neuerungen und Geräte der nächsten Generation – hier wollen wir uns weitere Marktanteile sichern. Im Geschäftskundenbereich sollten cloudbasierte Kommunikationsplattformen für Industrie, Produktion und Handel neben den neuen Smartphone-Modellen positive Beiträge liefern. Unser Ziel ist ein Ergebnis aus dem Kerngeschäft vor Abschreibungen zwischen 20 Millionen Euro und 28 Millionen Euro. Der Umschwung auf dem Markt bleibt zeitlich schwer exakt prognostizierbar.

    Redaktion: Wie sieht ihre Prognose für 2018 aus?

    Mathys: Für das laufende Jahr rechnen wir durch den weiteren Ausbau der Wachstumsbereiche mit einem erneuten Umsatzplus gegenüber 2017. In Summe gehen wir von einer Steigerung um einen mittleren einstelligen Millionenbetrag aus. Für das Plus sollen vor allem der Bereich Mobile Devices, aber auch die Bereiche Business Customers und Home Networks sorgen. Von unseren neuen Geschäftsbereichen wie Future Communications erwarten wir uns ebenfalls zusätzliche Umsätze. Das Marktumfeld im Bereich der Schnurlostelefone sehen wir weiterhin als schwierig an. Trotzdem hoffen wir hier auf eine Steigerung unseres Marktanteils. Das Ergebnis aus unserem Kerngeschäft vor Abschreibungen wird nach unserer Einschätzung zwischen 20 Millionen Euro und 28 Millionen Euro liegen. Geprägt wird die operative Entwicklung dabei durch weiter rückläufige Rohergebnisse im Bereich Consumer, steigende Rohergebnisse im Bereich Business Customer und Home Networks sowie höhere Ausgaben für Entwicklung und Marketing. Aufgrund der erheblichen Investitionen sowie nachlaufende Ausgaben für den Sozialplan und zurückgestellte Beträge für Risiken aus zurückliegenden Betriebsprüfungen der Vorjahre erwarten wir zudem einen negativen Free Cash Flow in Höhe eines mittleren einstelligen Millionenbetrages.

    Redaktion: Wird es bald wieder neue Smartphones geben?

    Weßing: Mit Sicherheit. Der Einstieg in den Markt für Smartphones war ein Erfolg. Wir haben bereits im vergangenen Jahr drei Nachfolgemodelle, bzw. Modelle auf anderen Preispunkten zu unserem Smartphone GS160 präsentiert. Die in Eigenregie konzipierten Modelle konzentrieren sich bisher auf das untere bis mittlere Preissegment. Die Marktbedingungen im Allgemeinen sind gut, wenn auch durch einen harten Wettbewerb gekennzeichnet. Für einen breit aufgestellten und qualitativ überzeugenden deutschen Anbieter ist in dem von amerikanischen und asiatischen Herstellern dominierten Markt mehr als eine Nische vorhanden. Welche Neuerungen zu erwarten sind und wer die Zielkunden der neuen Varianten sein werden, will ich jetzt noch nicht verraten. Wir werden die Präsentation zum gegebenen Zeitpunkt rechtzeitig ankündigen, um für ein gutes mediales Interesse zu sorgen.

    Redaktion: In welche Richtung werden sich die Investitionen 2018 entwickeln? Wo setzen sie die Stellschrauben an?

    Weßing: Wir planen für das Geschäftsjahr 2018 mit einem Umsatzanstieg. Treibfeder sollten dabei vor allem die innovativen und integrierten Geschäftsfelder sein. In diesen Bereichen werden wir mit Investitionen in Forschung und Entwicklung unsere Produktpalette noch gezielter am Kunden ausrichten und mit Qualität und spezieller Funktionalität punkten. Daneben werden wir den Marketingetat erhöhen. Vor allem im rückläufigen Markt für klassische Schnurlostelefone gilt es, Marktanteile zu sichern und hinzuzugewinnen. Gigaset wird durch die Investitionen 2018 deutlich stabiler aufgestellt sein. Die Geschäftsfelder mit prozentual zweistelligen Wachstumsraten werden stärker an Bedeutung gewinnen.

    Redaktion: Wie viel Geld steht 2018 für das Marketing zur Verfügung?

    Weßing: Was für den Koch die Rezeptur, ist für uns der Mix aus Maßnahmen zur Stärkung der Marke und Umsatzwachstum. Dieses Erfolgsgeheimnis möchte ich deshalb nicht im Detail offenlegen. Wir werden aber auf jeden Fall für 2018 mehr Mittel dafür bereitstellen. Wir sehen die Notwendigkeit, sowohl das Image der Marke Gigaset als auch die Wertigkeit der Produktpalette intensiver zu kommunizieren. Ein Vorgehen nach dem Gießkannenprinzip macht dabei keinen Sinn. Eine moderne, ganzheitliche Kommunikationsstrategie sowie ein gezielter Einsatz der Budgets sind entscheidend für den Erfolg. Vor allem das direkte Aufladen der Marke kann zu wichtigen Cross-selling Effekten führen.

    Redaktion: Welche Möglichkeiten gibt es bei der Kombination von Smartphones mit der Haussicherheitstechnik?

    Weßing: So einige. Unsere Vision ist das Gigaset Eco-System, in dem alle Produkte miteinander vernetzt sind und intelligent miteinander agieren. Das Smartphone ist immer noch das Master-Device zur Steuerung von nahezu jeder vernetzen Technik. Nicht anders im Bereich Smart Home oder Haussicherheitstechnik, wie Sie es nennen. Es gibt hier viele Möglichkeiten, um die beiden Produktwelten aus unserem Haus enger aneinander zu bringen – von vorinstallierten Apps bis hin zu speziellen Gigaset-Apps für Nutzer von unseren Alarmsystem und Smartphones, etc.

    Redaktion: Wie sehr wird die Umstellung vom analogen Telefonsystem bzw. ISDN auf VoIP für eine Art Sonderkonjunktur bei ihnen sorgen?

    Weßing: Wir sehen jetzt schon eine große Veränderung am Markt. Das All-IP Thema ist relevant für die gesamte Branche – von Privat- bis Geschäftskunden. Wir glauben, dass wir mit unserem großen Angebot und unserem klaren Fokus auf die Telefonie Akzente setzen können und uns qualitativ sowie mit Blick auf Design vom Wettbewerb abheben können. Insofern begreifen wir das Thema als Chance, um weitere Marktanteile zu gewinnen, so wie es uns in 2017 auch schon in verschiedenen Märkten gelungen ist.

    Redaktion: Es gibt seit langer Zeit keine Coverage durch Analysten. Ist hier eine Änderung in Sicht?

    Mathys: Wir müssen uns nichts vormachen. Es gilt zunächst, dass wir Vertrauen zurückgewinnen. Dann kommt alles andere von alleine. Ich bin der Meinung, dass unsere Investor Relations Abteilung hier gute Arbeit leistet. Wir nutzen viele alternative Tools, um uns zu präsentieren – so zum Beispiel den Gigaset Blog. Aber natürlich wäre es schön, bei Zeiten wieder auf den Schirm von Analysten zu kommen und so am Kapitalmarkt sichtbarer zu werden und die Vorteile der Börsennotierung nutzen zu können.

    Das Interview ist eine Kooperation von wallstreet-online mit der Redaktion von www.4investors.de.




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