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    Im Interview  3891 Warum ein neues Hambacher Fest, Herr Professor Otte?

    Max Otte ist ein deutsch-amerikanischer Ökonom, Börsenexperte und Investor. Er leitet das Institut für Vermögensentwicklung in Köln.

    Bekannt wurde er durch die präzise Vorhersage der Finanzkrise in seinem Buch „Der Crash kommt“ aus dem Jahr 2006. In den letzten Jahren hat er sich auch politisch geäußert, zum Beispiel in seinen Streitschriften „Stoppt das Euro-Desaster“ und „Rettet unser Bargeld“. Bereits im Jahr 1998 hatte er in einem Vortrag, der beim American Council on Germany abrufbar ist, das Scheitern des Euro prognostiziert.

    Wer zum Start seines PI Global Value Fonds im März 2008 dort 100 Euro investiert hätte, könnte sich jetzt über 226 Euro freuen. DAX und Eurostoxx hat Max Otte geschlagen.

    Max Otte ist CDU-Mitglied und war bis vor kurzem gern gesehener Gast in den Talkshows und Medien. Nun ist es ruhiger um ihn geworden. Max Otte hatte bei der Bundestagswahl 2017 angekündigt, diesmal AfD zu wählen, weil er die Politik Angela Merkels als eine große Katastrophe für unser Land ansieht. Max Otte ist Mitglied der Werteunion, eines Zusammenschlusses von über 1000 CDU-Mitgliedern, die den Rücktritt Angela Merkels fordern.

    Aber Max Otte bleibt politisch aktiv. Jetzt hat er zum Neuen Hambacher Fest eingeladen, bei dem demokratische Systemkritiker wie Thilo Sarrazin, Willy Wimmer und Vera Lengsfeld auf dem Hambacher Schloss sprechen werden.

    Was stört sie an Frau Merkel, Herr Otte?

    Otte: Angela Merkel ist für Deutschland das, was Jürgen Schrempp für Daimler war. Jede strategisch wichtige Entscheidung, die sie getroffen hat, war falsch.

    Welche sind das?

    Die Behandlung der Finanzkrise, der Atomausstieg, der Ausbau der Eurozone zur sozialisierten Haftungsunion gegen die Wahlversprechen der CDU von 1998, die Flüchtlingspolitik, die Sanktionen gegen Russland, die politische Verarbeitung des Dieselskandals, die Beteiligung an Kriegseinsätzen, natürlich die Flüchtlingspolitik, der Überwachungsstaat… wenn man einmal anfängt, kann man gar nicht mehr aufhören.

    Warum ist das so?

    Frau Merkel ist eine hochintelligente Frau, aber sie ist als systemtreue junge Frau in der DDR sozialisiert und verbogen worden. Ich glaube nicht, dass ihr irgend etwas an Deutschland und den Deutschen liegen. Sie hat deutsche Interessen immer kalt geopfert, wenn es um ihre Karriere ging.

    Aber sie ist nicht alleine Schuld. Keiner in der CDU hat sie gestoppt. Die Partei hat sie mit einer rücksichtslosen Machtpolitik völlig unter ihre Kontrolle gebracht.

    Nun macht die kleine GroKo mit dieser verheerenden Politik weiter, obwohl CDU/CSU und SPD massiv von den Wählern abgestraft wurden.

    Und nun veranstalten Sie das Neue Hambacher Fest…

    Das ist ein kleiner Tropfen auf dem heißen Stein. Aber ich konnte es nicht mit mir vereinbaren, still zu sitzen. Ich habe drei Kinder. Es soll noch etwas von der deutschen Demokratie übrig sein, wenn sie erwachsen sind.

    Die Nachfrage war riesig, wir waren innerhalb von drei Wochen ausverkauft. Wir mussten aufgrund der behördlichen Auflagen bei 1250 Personen Schluss machen.

    Was fasziniert sie am Hambacher Schloss und am Hambacher Fest?

    Ich kenne Neustadt an der Weinstraße seit meiner Jugend. Meine Mutter ist Pfälzerin, die ganze Linie meines Großvaters stammt von dort. Eine gute Freundin meiner Mutter hatte in Neustadt einen Apfelhof. Meine Mutter selbst hat einen Weinberg in Herxheim. Und schon in meiner Jugend war ich auf dem Hambacher Schloss. Der Ort hat mich schon immer fasziniert. Dort haben sich 1832 Bürger und Bürger gegen Zensur und Fürstenherrschaft gewehrt. Es war die Zeit der politischen Repression in Deutschland. Das war die Geburtsstunde der Demokratie in Deutschland.

    Nun ja, aber nun haben wir doch die Demokratie. Warum ein Neues Hambacher Fest?

    Wir haben zwar keine Zensur mehr, aber es herrschen sehr wohl zensurähnliche Zustände. Aber es gibt eine sehr stark lückenhafte Darstellung in den Medien etwa zur Flüchtlingskrise und zu Syrien. Das Meinungsspektrum in den Leitmedien ist stark beschnitten, der Meinungskorridor ist „sehr eng“ geworden, wie es Frank-Walter Steinmeier schon vor einigen Jahren sagte. Nun hat es sich nochmal deutlich verschlimmert.

    Außerdem war die Fürstenherrschaft 1832 eine Herrschaft von oben, die nicht demokratisch legitimiert war. Ähnliche Zustände sehe ich wieder.

    Unsere Regierung ist nicht mehr demokratisch legitimiert? Wie meinen Sie das?

    Wir haben zunehmend ein selbsreferentielles politisches System, in dem von unseren Steuergeldern bezahlte Funktionäre die Dinge oft unter sich ausmachen. So wie früher im Ostblock. Wir Bürgerinnen und Bürger werden gerne vergessen. Banken, Konzerne, Lobbys und die Europäische Union haben zu viel Macht.

    Wie viele Handwerker, Unternehmer und Mittelständler sind denn im Bundestag? Das sind meistens Berufspolitiker, letztlich „Angestellte“ und Funktionäre ihrer Parteien. Das Thema Parteienstaat war in den 80er Jahren, als ich studierte, noch ein großes Thema. Heute verschweigt man es, weil die Zustände noch viel schlimmer geworden sind. Die Parteien herrschen, obwohl sie als Verfassungsorgan nicht im Grundgesetz vorgesehen sind.

    Nur wenige der Lebensfragen Deutschlands werden noch im Bundestag entschieden werden. Aus meiner Sicht wahrscheinlich weniger als 20 Prozent.

    Nochmal zurück zu den "zensurähnlichen Zustände" in Deutschland, von denen Sie sprechen. Wo sehen Sie die?

    Das Meinungsspektrum ist in den Talkshows höchst ungleichmäßig vertreten. So sind AfD-Vertreter in den großen Shows nur mit 2 Prozent, während die Partei 13 Prozent der Wählerstimmen hat. In den Medien wird fast nur „über“ die Partei geschrieben, natürlich negativ, die Politiker kommen selber nicht zu Wort. Bei den anderen Parteien ist es anders.

    Man mag von der AfD denken, was man will, das sind zensurähnliche Zustände.

    Es werden etwa Bücher-Bestsellerlisten manipuliert. Bücher werden von großen Buchhandelsketten boykottiert.

    Zudem gibt es in den Mainstreammedien Desinformation. In der Flüchtlingskrise wurden etwa meistens Familien und Kinder gezeigt, obwohl die meisten Flüchtlinge junge Männer waren. In Bezug auf Donald Trump wird weniger als die Halbe Wahrheit satt.

    Was sagen Sie denen, die Trump und den Populisten „Nationalismus“ vorwerfen.

    Als Trump „America First“ sagte, meinte er, dass man sich zunächst um das eigene Land kümmern sollte: Schulen, Infrastruktur, Kriminalität, Jobs. International betrieb Amerika sowieso auch unter Obama und Bush eine „America First“ Politik zur Förderung der eigenen Konzerne und Interessen.

    Aber nun hat Trump mit den Strafzöllen doch ernst gemacht?

    Das ist nun ein winziger Teil der Außenwirtschaftspolitik. Amerika hat schon lange seine Konzerne international gefördert. Auch die einseitigen Dieselnormen, die in den USA viel strenger sind, sind America First Politik. Das fördert die heimische Autoindustrie, weil dort kaum Diesel gefahren werden. Ausgerechnet hier hat der Umweltsünder USA strenge Auflagen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

    Ich bin im PI Global Value Fonds und im Max Otte Vermögensbildungsfonds in Apple und Alphabet investiert. Wenn Europa eine vernünftige Außenwirtschaftspolitik hätte, würden diese Konzerne massiv besteuert, die Schlupflöcher Irland und Luxemburg geschlossen.

    Die Tech-Giganten sagen Wertschöpfung ab, ohne eine Chance, dass europäische Konzerne dagegen antreten können. Wir brauchen eine einheitliche europäische Strategie.

    Also sind Sie Europa-Freund?

    Die Einzelstaaten Europas sind tatsächlich zu klein und können sich nur gemeinsam international durchsetzen. Wir brauchen Europa. Aber wir müssen die EU reformieren.

    Die Deutschen wollten immer föderales Europa. Das haben wir nicht. Föderal heißt: die EU entscheidet über die wichtigen übergreifenden Themen wie die Verteidigungspolitik, den Schutz der Außengrenzen oder die Kartellpolitik. Das will Frankreich nicht, da es dann die Verfügung über seine Nuklearstreitmacht mit anderen teilen müsste.

    Föderal heißt aber auch subsidiär. Sozial-, Wirtschaftspolitik oder Kulturpolitik sollten von den Nationalstaaten entschieden werden. Außerdem muss endlich die Stimme jedes EU-Bürgers bei der Wahl zum Europaparlament das gleiche Gewicht haben. Jemand aus Luxemburg oder Malta hat derzeit wesentlich mehr Gewicht als ein Deutscher. Das geht nicht.

    Herr Otte, vielen Dank für das Gespräch.





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    Verfasst vonFerdinand Hammer
    Im Interview Warum ein neues Hambacher Fest, Herr Professor Otte? Max Otte ist ein deutsch-amerikanischer Ökonom, Börsenexperte und Investor. Er leitet das Institut für Vermögensentwicklung in Köln. Bekannt wurde er durch die präzise der Finanzkrise in seinem Buch „Der Crash kommt“ aus dem Jahr 2006. In den …