Warren Buffetts Burggraben-Strategie
Veraltetes Konzept oder entscheidender Faktor für den Börsenerfolg?
von meinem Analysten Alan Galecki
Vor zwei Wochen, am 3. Mai berichtete Tesla von den Ergebnissen des ersten Quartals 2018. Während des Frageteils seiner Präsentation beantwortete Firmengründer und CEO Elon
Musk einige Minuten lang die typischen Fragen von Wall Street-Analysten. Am Ende verlor er das Interesse an den nach seiner Meinung „trockenen Fragen“ und ließ Galileo Russell zu Wort kommen, der
auf Youtube unter anderem Videos mit Titeln wie „Wieso ich heute Tesla-Aktien gekauft habe“ veröffentlicht. Der offensichtliche Tesla-Fan erhielt 20 Minuten, um Musk seine Fragen zu
stellen.
Prompt fragte er nach Teslas E-Tankstellen-Netzwerk und warum das Unternehmen diesbezüglich offen sei für die Zusammenarbeit mit Konkurrenten. Russell verwies richtigerweise
auf den Burggraben-Effekt, den die Tankstellen-Infrastruktur für Tesla entfaltet. Er sagte: „Als langfristiger Investor habe ich das Gefühl, dass der Aufbau einer Ladeinfrastruktur, die Sie
bereits aufgebaut haben, Jahre der Arbeit und Millionen von US-Dollar für eine Konkurrenzmarke bedeuten würde.“ Es stimmt. Die Frage aus Investorensicht lautet wahrhaftig: Warum gibt Tesla diesen
Burggraben auf?
Elon Musk antwortete:
„Burggräben sind nett und irgendwie malerisch, aber wenn Deine einzige Verteidigung gegen eindringende Armeen ein Graben ist, wirst Du nicht lange durchhalten. Entscheidend ist das Tempo der Innovation. Das ist ein wesentlicher Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit.“
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Warren Buffett, von dem wir hier bei Der Privatinvestor sehr viel halten, reagierte bei Berkshire Hathaways Jahreshauptversammlung am 5. Mai prompt…
Buffett sagte, von Aktionären auf die Aussagen Musks angesprochen:
„Sicherlich sollten Sie ständig daran arbeiten, Ihren eigenen Graben zu verbessern und Ihren eigenen zu verteidigen. Und Elon kann die Dinge in einigen Bereichen auf den Kopf stellen. Ich glaube nicht, dass er es mit uns auf dem Süßigkeitenmarkt aufnehmen will.“
Buffett brachte Süßigkeiten ins Spiel, da er mit See’s Candies seit fast 50 Jahren einen starken Player in diesem Segment im Portfolio hat, der insbesondere auch aufgrund eines tiefen Burggrabens so erfolgreich war und ist.
Was ist der Kerngedanke hinter dem Burggraben?
Zunächst ist der Burggraben sicherliche eine schöne, gut verständliche Metapher: die Idee, dass ein Unternehmen eine Barriere hat, die letzte Verteidigungslinie, einen Graben,
der ziemlich breit oder tief sein kann. In wirtschafticher Hinsicht ist ein solcher Graben ein Wettbewerbsvorteil bzw. eine Reihe von Vorteilen, die es einem Unternehmen ermöglichen, mit der Zeit
überaus große Gewinne zu erzielen.
Selbst Warren Buffett hat die Bedeutung von solchen „Festungen“ erst lernen müssen. Am Anfang seiner Laufbahn hat er sich eher auf günstige Kaufgelegenheiten konzentriert –
die sich auf lange Sicht als schlechte Wahl herausstellten. Er hat die Lektion teuer bezahlt, indem er sich mit der wenig ansprechenden Wirtschaftlichkeit von Landmaschinenherstellern,
drittklassigen Kaufhäusern und der Textilindustrie in New England beschäftigte.
1965 erwarb Buffett das in New England ansässige Textilunternehmen Berkshire Hathaway. 20 Jahre später schloss er die Textilproduktion, die rote Zahlen schrieb und nicht zukunftsfähig war. Globale
Wettbewerber zerstörten diesen Geschäftsbereich. New-England-Stoffe hatten keinen langfristigen Wettbewerbsvorteil, keinen Burggraben, der ihre Aussichten geschützt hätte, und die Produktion war
letztlich nicht zu halten.
Für Charlie Munger ist ein Burggraben sogar wichtiger als hervorragende Manager
Ein gutes Beispiel ist Ron Johnson, früher verantwortlich für den Einzelhandelsbereich von Apple und später CEO bei JC Penney: Bei Apple mag er gezeigt haben, dass
er ein sehr guter Einzelhandelsmanager ist, doch weil sein neuer Arbeitgeber fundamental gesehen ein schreckliches Unternehmen war, konnte auch Johnson dort keine überzeugenden Finanzergebnisse
erreichen.
Die einzige Pflicht eines angestellten Managers ist es, so Munger, den Schutzgraben zu vergrößern.
Im Jahr 2008 sagte er dazu auf der Jahrehauptversammlung von Wesco Financial folgendes:
„Ich sehe immer wieder, wie das in Unternehmen nicht gemacht wird. Man muss die Augen darauf gerichtet halten, den Schutzgraben zu vergrößern und den übernommenen Wettbewerbsvorteil zu pflegen.“
Munger möchte, dass Manager in Bezug auf ihre Unternehmen eine Eigentümermentalität haben, dass sie sich also nicht nur als Manager im fremden Auftrag verstehen. Außerdem wollen Munger und Buffett, dass ihre Manager das haben, was Nassim Taleb als „skin in the game“bezeichnet. Manager sollen selbst einem gewissen Risiko ausgesetzt sowie Risiken und Vorteile symmetrisch verteilt sein. Für Munger kommt es entscheidend auf die richtigen Anreize für Manager an.
Da fällt mir noch eine schöne Metapher von Warren Buffett ein, wenn ich zurückdenke an Tesla und Elon Musks eigenwillige Telefonkonferenz:
„Wenn Sie Piranhas und Krokodile in einem tiefen Burggraben sehen, haben Sie ein nachhaltiges Unternehmen gefunden, das Investoren belohnt.“
Man kann mit Wachstumsunternehmen wie Tesla sehr viel Geld verdienen, aber ein Burggraben ist immer noch ein entscheidender Faktor. Das Investieren in Wachstumsunternehmen ist
viel, viel schwieriger, als sich das viele Hobbyinvestoren vorstellen. Deshalb sind wir Value-Investoren bei Wachstumsunternehmen auch besonders vorsichtig. Wir wissen, dass überdurchschnittliches
und profitables Wachstum eher die große Ausnahme als die Regel ist. Daher durchlaufen Wachstumsunternehmen bei unseren Analysen besonders strenge Tests in Bezug auf das Management, den Markt sowie
die Marktposition und die Produkte ab.
Und hier haben Tesla und Musk noch nicht geliefert. Vor allem haben sie bisher nur Geld verbrannt.
Auf gute Investments,
Ihr
Alan Galecki,
Analyst im Team von Max Otte
P.S.: Auf unserem Blog bringen wir täglich neue Analysen und Kommentare, vermitteln Börsenwissen und Anlagestrategien. Es lohnt sich, regelmäßig vorbeizuschauen!
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