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    Börsen-Zeitung  563  0 Kommentare Durststrecke / Kommentar von Dietegen Müller zur Marktentwicklung in den Schwellenländern

    Frankfurt (ots) - Die US-Notenbank könnte noch zweimal in diesem
    Jahr an der Zinsschraube drehen. Dies hat sie zur Wochenmitte
    deutlich gemacht. Auch für nächstes Jahr haben die US-Notenbanker
    ihre Zinsprojektionen im Mittel gegenüber März leicht angehoben.
    Längerfristig blieb der Median mit 3,375 % (2020) und 2,875 %
    (längerfristig) dagegen unverändert. Zugleich läuft die Wirtschaft
    weiterhin ziemlich gut, auch wenn es da und dort Abschwächungszeichen
    zu sehen gibt.

    Dies ist der Hintergrund für die Schwellenländermärkte, die in der
    ersten Jahreshälfte einen schwierigen Auftakt hatten. Gemessen am
    MSCI Emerging Markets Gross Return in Dollar liegen die Kurse der
    Schwellenländer-Aktien leicht unter dem Niveau von Ende 2017. Die im
    Januar 2016 gestartete Hausse ist einer Seitwärtsbewegung gewichen.
    Zuletzt haben Negativschlagzeilen überwogen: Währungsverfall in der
    Türkei, in Argentinien, auch in Brasilien. Eben noch als viel
    versprechende Wachstumsregion verkauft, scheinen heute
    Schwellenländer schon aus der Mode gekommen.

    Am stärksten zugespitzt hat sich die Lage in Argentinien. Die vor
    einem Jahr aufgelegte hundertjährige argentinische Staatsanleihe in
    Dollar über 2,75 Mrd. Dollar und mit 7,125 % Kupon war zur Auflage
    noch mehrfach überzeichnet. Heute wenden sich die Investoren ab, der
    Kurs notiert bei gut 80 % des Nennwerts. Der argentinische Peso ist
    zugleich gegenüber dem Dollar auf bis 27,7 Peso abgestürzt - vor
    einem Jahr wurden noch Kurse von gut 15 Peso gestellt. Der
    Internationale Währungsfonds gab vor gut einer Woche eine Zusage über
    50 Mrd. Dollar. Ökonomen bezweifeln, dass dem von hohen Defiziten und
    hoher Inflation, einem schwachen Finanzsektor sowie einer erratischen
    Reformpolitik geprägten Land bald die Wende zum Besseren gelingt.

    Unter Druck ist auch Brasilien. Für 1 Dollar mussten zuletzt 3,8
    Real bezahlt werden, kaum weniger als zum Rekordtief Ende Dezember
    2015. Die innenpolitische Unsicherheit wird hier mit angekreidet. Die
    UBS rät in einer Einschätzung zu "Qualitätsmärkten" wie Mexiko und
    Chile, da die Volatilität der Währungen und Aktienkurse in
    Lateinamerika hoch bleiben dürfte. Die Innenpolitik wird auch die
    Entwicklung türkischer Assets beeinflussen - in dem Land stehen am
    24. Juni vorgezogene Wahlen an.

    Was Argentinien, die Türkei und - stark abgeschwächt - Brasilien
    im Extrem zeigen, ist ein generelles Thema: sich verändernde
    Kapitalströme durch steigende US-Zinsen. Zudem reduziert sich durch
    geldpolitische Normalisierungsbemühungen wie dem Auslaufen der
    Netto-Anleihekäufe durch die Europäische Zentralbank die Liquidität
    im Finanzsystem. Während politische Ereignisse dabei schwierig zu
    prognostizieren sind, ist die derzeitige Dollar-Knappheit in den
    Augen vieler Marktbeobachter ein Faktum, obwohl sich der beste
    Indikator dafür, der Dollar-Libor-OIS-Spread, wieder auf 40
    Basispunkte verringert hat. Er war zwischen November und März von
    rund 10 auf 60 Basispunkte geklettert.

    Da der Finanzierungsbedarf der USA durch Donald Trumps
    Defizitwirtschaft deutlich steigt, schließen einige Beobachter weiter
    steigende US-Zinsen und somit Zuflüsse in die USA nicht aus, was den
    Dollar stützen dürfte. Zugleich könnten US-Investoren einen weniger
    großen Druck verspüren, im Ausland zu investieren. Dies könnte die
    Schwellenländermärkte in eine Durststrecke führen, auch wenn die
    Bewertungen vieler Assets dort deutlich ansprechender aussehen als
    etwa jene von US-Aktien. Kommt es zu diesem Szenario, hätte das
    genannte Problemtrio der Schwellenländermärkte eine harte Zeit vor
    sich.

    Investoren tun aber gut daran, die Schwierigkeiten dieser drei
    Länder nicht zu verallgemeinern. Die Zinserwartungen der US-Notenbank
    legen zudem nahe, dass die US-Zinsen ab 2020 kaum weiter steigen. Die
    Frage ist aber - warum? Wegen fehlendem Inflationsdruck und
    Konjunkturabkühlung? Die waghalsige Stimuluspolitik Trumps lässt
    anderes erwarten. Hinzu kommen unkalkulierbare Effekte eines sich
    weiter auszudehnen scheinenden Handelskonflikts. Gibt das dem
    Wachstum den entscheidenden Schlag? Oder zieht die US-Inflation
    vielmehr in diesem Umfeld stärker an?

    Zumindest die Handelskonflikte und die Fiskalpolitik sprechen für
    zunächst höhere Teuerungsraten und womöglich höhere US-Zinsen als
    derzeit erwartet. Dies dürfte die Schwellenländer nicht ungeschoren
    lassen und könnte irgendwann sogar das hässliche Wort Stagflation in
    Mode bringen lassen.

    (Börsen-Zeitung, 16.06.2018)

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