checkAd

     2229  4 Kommentare Nun gratulieren Sie mir mal

    Nein, bloß nicht, herzlichen Dank, das war nur der Aufhänger für die zwanzig Jahre, die ich mittlerweile hier im Netz verbracht habe.

     

    Letzte Woche Freitag vor zwanzig Jahren bin ich aus meinem Angestelltendasein geschieden, und diese Woche Freitag vor zwanzig Jahren habe ich meine Selbständigkeit festgemacht.

     

    Da begann ich dann bald eine börsentäglich eine Hotline, von irgendetwas musste ich ja leben. Und vorher schon habe ich täglich Kolumnen geschrieben. Ich weiß gar nicht genau, wo die am Anfang erschienen sind. Zuerst wohl beim GoingPublic-Verlag, später dann bei wallstreet:online, anschließend Spiegel-Online, und danach Gatrixx, Instock, Stockworld und im Doersam-Brief.

     

    Anfangs hat das auch gutes Geld gebracht, denn wir schrieben ja das Jahr 1998. Und da ging der Neue Markt durch die Decke. Und Börsenbücher hatten natürlich ebenfalls Konjunktur.

     

    Damals wurden wir alle jeden Tag reicher.

     

    Dann jedoch war Schluss, es kam die große Krise von 2000 bis 2003. Da wurde bald gar nichts mehr für Kolumnen gezahlt und viele Provider gingen pleite. Börsenbücher wurden unverkäuflich und die Börsengewinne schmolzen. Zum Glück habe ich rechtzeitig die Reißleine gezogen.

     

    Und die Kolumnen habe ich dann aus Freude an der Sache weitergeschrieben. Fünf Jahre gut verdient, fünfzehn Jahre Hobby. Das ist mein Leben. Never mind.

     

    Gerade habe ich einmal die früheste Kolumne herausgesucht, die ich auf meinem Computer noch finden kann. Sie ist vom 11. Juni 1999 und erstaunlicherweise nicht ganz so peinlich, wie ich das befürchtet habe. Sie beginnt so:

     

    Heute ist ein spannender Tag für mich. Denn jetzt kann ich endlich sehen, ob ich den Relaunch der Internet-Seite überlebt habe. Das ist schon eine witzige Situation, selbst mit anschauen zu können, ob man überlebt hat. Und die Ärzte ..., äh Programmierer sollen ja ihr Bestes gegeben haben. Mal sehen: ........… Ja! ..........… Da! ........… Jetzt sehe ich mich! .......… Da steht´s! ......... Der Zugang ist gelegt – und der Patient hat überlebt.

     

    Dabei sind wir Berliner natürlich in ganz besonderer Weise mit dem „Relaunching“ vertraut, denn wie oft wurde diese Stadt nun schon neu ausgerichtet. So, wie jetzt auch wieder. Aus diesem Grunde war es natürlich auch eine besondere Hilfe, dass wir jetzt von einem Vertreter Gottes auf Erden den wirklich ultimativen Beistand erhalten haben.

     

    Denn, so schrieb Erzbischof Kardinal Meisner diese Woche in der „Welt“, Berlin sei zwar nicht gerade das Abbild des himmlischen Jerusalems, aber auch nicht die Hure Babylon. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie ich in diesem Moment aufgeatmet habe, als ich das aus so berufenem Munde gehört habe.“

     

    Tja, so kreiste ich also schon damals genauso um mich selbst wie heute. Nur dass das Internet damals eben noch etwas anderes war. Bin ich drin?, das war zu dieser Zeit noch eine echte und sogar die entscheidende Frage.

     

    Und Börsenträume gab es damals noch en masse. Heute hingegen reden wir meist über Realitäten.

     

     

     


    Bernd Niquet
    0 Follower
    Autor folgen
    Mehr anzeigen
    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

    Mehr anzeigen
    Verfasst von Bernd Niquet
    Nun gratulieren Sie mir mal Damals wurden wir alle jeden Tag reicher