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    Banken  1418  1 Kommentar Die verschleppte Neustrukturierung ist immer die teuerste

    Die deutsche Bankenwirtschaft steht heute vor einer in ihrer Größe bisher nicht erlebten personellen Umorientierung. Für die Notwendigkeit der Banken in Deutschland, ihren Personalbestand nicht nur drastisch zu verringern, sondern auch erheblich zu verändern, gibt es eine Reihe von Gründen, die jeder für sich noch nicht unbedingt weitreichende Folgen für die Branche hätten, aber die in ihrem zeitlichen Zusammenfallen eine Dynamik entfalten, die die Banken unter erheblichen Zugzwang setzen - nicht nur in Abhängigkeit ihrer Strategie, wie es gerade die Deutsche Bank erfährt.

    Dies sind zum einen externe Faktoren: niedrige Zinsen, schärfere Regulierungen mit einhergehenden zunehmenden Dokumentationspflichten und eine immer schneller voranschreitende Digitalisierung. Diese drei Faktoren setzen die Erträge des deutschen Kreditwesens massiv unter Druck. Dabei werden in den nächsten Jahren das Umfeld anhaltend niedriger Zinsen und die Digitalisierung den Banken in besonderer Weise zusetzen. Ohne entschlossene Gegenmaßnahmen werden, so eine McKinsey-Studie, die niedrigen Zinsen die Banken etwa zwei Prozent der Eigenkapitalrendite kosten, die Digitalisierung weitere zwei Prozentpunkte und die Regulierungen 1,7 Prozentpunkte.

    Um wieder eine Eigenkapitalrendite von sechs Prozent zu erreichen – dies entspricht dem Durchschnitt der vergangenen 30 Jahre -, müssen also die Institute entweder ihre Erträge um 30 Prozent steigern oder ihre Kosten um 30 Prozent senken. Da aber Quellen für nennenswerte Ertragssteigerungen nicht in Sicht sind, wird den Instituten nichts anderes übrigbleiben, als die Kosten um 30 Prozent zu senken. Klassische Maßnahmen wie Schließung von Filialen sind ein erster Schritt, dürften aber kaum ausreichen. Insgesamt durchläuft die Kreditwirtschaft in Deutschland einen massiven Schrumpfungsprozess: So gab es im Jahre 2004 in Deutschland noch 2400 Banken, während es Ende 2016 noch nur knapp 1900 waren.

    Doch ebenso drängend sind die internen Herausforderungen. Dabei ist die Veränderung der internen Kultur auch die größte. In der Vergangenheit versprach eine Anstellung in der Kreditwirtschaft eine fast beamtenähnliche Job-Sicherheit. Entsprechend schwach entwickelt war die Veränderungsbereitschaft der Arbeitnehmer. Dies schlägt sich auch in Zahlen nieder: Der Altersdurchschnitt der Beschäftigten in dieser Branche liegt heute bei deutlich über 40 Jahren, Tendenz weiter steigend. Zudem ist die Verweildauer der Beschäftigten in den Banken weit überdurchschnittlich.

    All das spricht eher nicht für ein dynamisches Umfeld. Auch auf der anderen Seite, beim Management, bleibt einiges zu tun: So hat die Steinbeis-Universität in einer gemeinsamen Umfrage mit dem ZEB Münster ermittelt, dass die Personalarbeit in den Banken in der Umbruchsituation „zu oft als Teil des Problems und nicht als Teil der Lösung gesehen“ werde.

    Dabei ist die Kritik nicht immer gerecht: Angesichts einer immer stärkeren Orientierung an Regulation, Digitalisierung und Kostensenkung wird natürlich eine längerfristige, strategisch ausgerichtete Personalplanung immer schwieriger. Damit steht die Branche vor einem nur schwer entwirrbaren Widerspruch: Strategische Personalarbeit wird immer wichtiger, jedoch die Notwendigkeit, auf kurz- und mittelfristige Herausforderungen wie Regulation und Kostensenkungen zu reagieren, immer drängender.

    Das Ergebnis: Die Wichtigkeit der Personalfunktion wird zwar von niemandem bestritten - trotzdem verliert der Personalbereich an Bedeutung. Damit aber wachsen die operativen Risiken: Mitarbeiter werden durch ständig neue Herausforderungen überfordert, Führung ist nicht mehr einheitlich, Kostensenkungsprogramme liefern auf lange Sicht nicht die erwarteten Ergebnisse. Trotzdem: Die Aufgabe der personellen Neustrukturierung, vor denen die Banken in Deutschland heute stehen, ist auf Dauer nicht aufschiebbar. Es wird deshalb von entscheidender Bedeutung sein, dass sich das Management die Freiräume erhält oder wieder verschafft, neben der Bewältigung der täglichen Aufgaben, strategische Personalpolitik voranzutreiben.

    In einigen deutschen Banken können wir dies bereits feststellen: Hier gibt es interne Personalfunktionen, die sich mit der Veränderung beschäftigen, Mitarbeitergruppen identifizieren und auf neue, auch externe Aufgaben teilweise vorbereiten und dann mit Outplacement-Beratungen zusammenarbeiten. Hier weiß man, das Geld alleine, für höhere Abfindungen, nicht zum Ziel führt, da in aller Regel Trennungsprozesse sehr viel reibungsloser funktionieren, wenn es gelingt, Mitarbeitern neue Perspektiven aufzuzeigen.

    Keiner wird heute auf die letzte Kommastelle eine Prognose abgeben, wie groß der Restrukturierungsbedarf ist, wieviel Beschäftigte genau von den zu erwartenden Restrukturierungsmaßnahmen betroffen sein werden. Zur Zeit wird in der Branche in den Personalabteilungen das Drei-Drittel-Szenario für recht wahrscheinlich gehalten. Das heißt: Ein Drittel der rund 600.000 Beschäftigten in der deutschen Bankwirtschaft werden den Job, den sie gerade ausüben, auch in Zukunft machen. Ein zweites Drittel wird zwar in der Branche bleiben, jedoch neue, andere Aufgaben übernehmen. Das letzte Drittel indes werde, so die Annahme, die Banken verlassen müssen.

    Halten wir fest: Es kann „nicht Alles beim Alten bleiben“. Das Hinüberretten in die nächsten Jahre unter dem Anspruch einer Strategieoptimierung, verbesserter Umfeld Szenarien, reduzierter Bezüge für die Bankangestellten wird nicht die allein selig machende Lösung sein. Gerade beim Einkommen sehen wir eher das Gegenteil: nämlich das Halten von geschätzten Mitarbeiten durch Erhöhung der Boni.

    Somit stehen die Banken intern vor einer doppelten Aufgabe, nämlich einer Aufgabe für die Beschäftigten - und für das Management.  Zum einen sollte in einem weit stärkeren Maße als bisher unter den Arbeitnehmern die Einsicht in das Notwendige, wie das Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten wachsen – die Einsicht, dass die Zeiten unwiderruflich vorbei sind, in denen ein Job in der Bankwirtschaft eine Lebensanstellung bedeutete. Und gleichzeitig das Zutrauen, dass die im Bankgewerbe erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten auch in anderen Branchen anwendbar sind und man deshalb durchaus auch in anderen Berufen neue und sinnvolle Verantwortungen finden kann.

    Gleichzeitig aber sollte im Management die Erkenntnis reifen, dass die Zeiten einer insgesamt ausgesprochen freundlichen Konjunktur genau die Zeiten sind, die für eine ohnehin fällige Restrukturierung zu nutzen wären, weil es dann viel eher möglich ist, Mitarbeitern neue Perspektiven aufzuzeigen, was eine friktionsarme Personalneustrukturierung erheblich erleichtert.  Und ganz abgesehen davon sollte eines allen klar sind: Die verschleppten Neustrukturierungen sind immer die schmerzhaftesten – und am Ende auch die teuersten.

    Dr. Eckart Eller

    Der Autor ist Vorsitzender des Vorstandes der in München ansässigen EL-NET GROUP, einem Unternehmen, das auf Outplacement, Executive Search und Personalneustrukturierung von Unternehmen spezialisiert ist.

     





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