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    Marktkommentar  916  0 Kommentare Guido Barthels (ETHENEA): Good cop – Bad cop!

    Eigentlich sollte es im Hochsommer ruhig werden. Im Sommerloch, während sich die meisten Politiker im Urlaub befinden, kommen oft die skurrilsten Nachrichten an den Tag.

    Eigentlich sollte es im Hochsommer ruhig werden. Im Sommerloch, während sich die meisten Politiker im Urlaub befinden, kommen oft die skurrilsten Nachrichten an den Tag. Auch wenn es dieses Jahr (mal wieder) kein entlaufenes Krokodil¹ im Badesee war, schafften es die deutschen Bierflaschen² auf die Titelseiten der Boulevardpresse. Verursacht durch das deutsche Pfandflaschensystem und die anhaltende Hitze, haben wohl viele Deutsche Bier gehamstert und – vor allem – ihr Leergut nicht wieder zurückgebracht. Dieses „Fehlverhalten“ führt nun anscheinend dazu, dass die Brauereien nicht genügend Flaschen zum Befüllen besitzen und dementsprechend ihr bereits gebrautes Bier nicht an den Mann bringen können. Der vermeintliche Perfektionismus des deutschen Michel treibt gelegentlich seltsame Blüten! In Ländern ohne Mehrwegflaschen reiben sich die Leser wohl verwundert die Augen.

    So geht es auch uns, wenn wir den Juli Revue passieren lassen. Es begann ja bereits kurios damit, dass der britischen Regierung nicht nur ihr Außenminister abhandenkam, sondern auch der sogenannte Brexit-Minister angesichts des Kurses der Regierung May das Handtuch warf! Die Neunominierungen werden anscheinend den Brexit-Verhandlungen mit der EU auch keine große Kredibilität geben. Im Gegenteil: Sollte die britische Regierung ihren aktuellen Kurs beibehalten, sich doch die Rosinen herauspicken zu wollen, so sieht es doch immer wahrscheinlicher nach einem sogenannten „Hard Brexit“ oder „No-Deal Brexit“ aus. In einem solchen Fall prognostizieren die Auguren große Versorgungsengpässe³ im Bereich von Nahrungsmitteln, Medikamenten und Erdgas⁴. Kein wahrlich schöner Gedanke, auch gerade im Hinblick auf mögliche Investitionsentscheidungen nicht. Man kann nur hoffen, dass die Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien doch noch konstruktiv werden, denn viel Zeit bleibt nicht mehr. Wir machen aktuell einen großen Bogen um Großbritannien, da die wirtschaftliche Entwicklung dort noch unsicherer ist als anderswo.

    Im abgelaufenen Monat Juli stand natürlich auch mal wieder US-Präsident Trump im Mittelpunkt. Wie ja schon so oft, hat Trumps zum Teil erratisch wirkendes Verhalten auf der Weltbühne für Aufsehen gesorgt, aber vielleicht ist das ja auch sein erklärtes Ziel. Seine sehr narzisstische Art lässt wenig Interpretationsspielraum in dieser Hinsicht. Aber wie ein renommierter Psychiater jüngst über den Präsidenten sagte, sei nicht Trump verrückt, sondern die US-amerikanische Gesellschaft⁵. Er bezieht sich unter anderem auf die Waffengesetze, die den Amerikanern den Glauben schenken, dass mehr Waffen das Land sicherer machen würden. Die meisten anderen Gesellschaften schütteln ob dieser merkwürdigen Erkenntnis nur unverständlich den Kopf. Und Präsident Trump ist eben in jeder Hinsicht Teil dieser merkwürdigen Gesellschaft, die immer noch an das Trickle down⁶ glaubt, während die große Mehrheit der Bevölkerung wohlstandsmäßig komplett abgehängt wird.

    Aber zurück zum POTUS. Nach einer ziemlich verkorksten Europareise und vielen verletzten europäischen Gefühlen wollte der nach eigenen Erkenntnissen größte Deal-Maker aller Zeiten⁷ noch als derjenige in die Geschichte eingehen, der nicht nur Nordkorea bezwungen hat, sondern auch den russischen Bären. Allerdings lief das Treffen in Helsinki in der Außenwirkung komplett aus dem Ruder. Natürlich ist im Grundsatz nichts dagegen einzuwenden, dass die USA und Russland bessere Beziehungen zueinander unterhalten. Auch ein Treffen zwischen dem amerikanischen und dem russischen Präsidenten wäre eigentlich zu begrüßen. Die Spannungen zwischen Moskau und dem Westen sollten abgebaut werden. Doch Trump hat in Helsinki einmal mehr bewiesen, dass er für diese Aufgabe ungeeignet ist.

    Trump hat dort praktisch alles falsch gemacht, was er hätte falsch machen können. Wladimir Putin missachtet die Menschenrechte im eigenen Land, er führt in Syrien seit Jahren einen Krieg gegen Frauen und Kinder, und er verstößt mit der Annexion der Krim dauerhaft gegen das Völkerrecht. Er ist kein Mann, mit dem der US-Präsident als Anführer der freien Welt eine Männerfreundschaft oder Kumpanei zelebrieren sollte. Aber Trump tat in Helsinki genau dies.

    Allein die Tatsache, dass Trump sich mit Putin ohne jede Vorbedingung oder eine Forderung nach russischen Zugeständnissen in Syrien traf, war schon erstaunenswert. Und dann das Treffen selbst: Dass sich Trump und Putin mehr als eine Stunde lang praktisch allein, ohne Mitarbeiter besprochen haben, muss misstrauisch machen. Was dort verabredet wurde, welche geheimen „Deals“ die beiden womöglich auf Kosten Dritter (oder sogar zulasten der USA) gemacht haben, bleibt nicht nur der Welt, sondern auch Trumps engsten Beratern verborgen. So entsteht der Eindruck, dass Trump Putin mehr traut, als seinen eigenen Leuten.

    Völlig absurd erschien schließlich der Auftritt von Putin und Trump vor der Weltpresse. Dabei stellten sie sich gemeinsam gegen die Ermittlungen in der Russlandaffäre durch das FBI. Putin unterstützte Trumps Behauptung, dass es keine Zusammenarbeit zwischen Trumps Wahlkampfteam und russischen Agenten gegeben habe. Und gerade dies hat selbst bei seinen stärksten Unterstützern mehr als nur ein Hochziehen der Augenbrauen bewirkt. Trump schien sich mehr und mehr zu isolieren. Er versuchte sich anschließend mit einem angeblichen Versprecher aus der Schusslinie zu ziehen, aber sonderlich glaubwürdig war das nicht. Für niemanden.

    Nun musste dem Enfant Terrible etwas Neues einfallen, um wieder als großer Deal-Maker dazustehen. Das Treffen mit dem EU-Kommissionspräsidenten Juncker schien sich da geradezu aufzudrängen. Während Trump im Vorfeld ja ständig den Bad Cop gespielt hatte, brachte er am Vortag des Treffens noch einmal zur Sprache, was ihm bereits zuvor schon das ein oder andere Mal im Kopf herumzuspuken schien: eine Welt ohne Handelsbeschränkungen, Zölle und Wettbewerbsverzerrungen⁸! Der Good Cop hatte nun wieder seinen Auftritt und verstand sich glänzend mit Juncker. Auch als Außenstehender kann man dem Ergebnis nur Gutes abgewinnen: Angedrohte Strafzölle auf Autos bleiben erst einmal ausgesetzt, und man verhandelt wieder. Es wäre halt schön gewesen, wenn Präsident Trump direkt nach seiner Wahl seinen Beratern geglaubt hätte, die ihm sicher von einer vorschnellen Beendigung von TTIP und TPP abgeraten haben. Wenn nun noch irgendwann ein Einlenken beim Klimaschutz bei Trump einsetzt, dann mag man angesichts der doch sehr späten Einsicht zwar den Kopf schütteln. Aber besser spät als nie!

    Im Ergebnis feierten speziell die Aktien der von einem Handelskrieg besonders betroffenen Unternehmen mit deutlichen Kursgewinnen. Da man bei Trump aber nie sicher sein kann, ob ihn gerade das Teufelchen zum Bad Cop macht oder aber das Engelchen zum Good Cop, hat die Börsenkorrektur wieder eingesetzt. Wir glauben aber daran, dass sich letztendlich bei Trump, gerade in der zeitlichen Nähe zu den Wahlen, die Erkenntnis durchsetzen wird, dass er als Verfechter des freien Welthandels bessere Kapitel in den Geschichtsbüchern bekommen wird als dessen Gegner. Wir setzen daher darauf, dass die Auswirkung eines möglichen Handelskrieges in den Bewertungen mehr und mehr in den Hintergrund getrieben wird. Aktienkurse können ihre unterbrochene Hausse wieder fortsetzen, Renditen der Safe-Haven-Staatsanleihen wie Bunds und Treasuries können wieder steigen, und Kreditaufschläge bei Unternehmensanleihen sich wieder einengen.

    Unterm Strich wird alles nur ein böser Traum gewesen sein und es wird heißen: Außer Spesen nichts gewesen.



    ¹ "Die Mutter aller Krokodilmeldungen im Sommerloch", Der Tagesspiegel

    ² “Den Brauereien gehen die Flaschen aus”, hessenschau.de

    ³ “Großbritannien drohen Engpässe bei Medikamenten und Nahrung”, SPIEGEL-ONLINE

    ⁴ “Energie: Großbritannien ist von Russland und Norwegen abhängig”, Deutsche Wirtschaftsnachrichten

    ⁵ "Psychiater über den US-Präsidenten 'Nicht Trump ist verrückt, wir sind es'", Berliner Zeitung

    ⁶ “Trickle-down-Theorie”, Wikipedia

    ⁷ “Donald Trump Says He’s The Best Dealmaker. Negotiation Experts Say Otherwise.”, Huffington Post

    ⁸ “Die Antwort auf Trump heisst TTIP”, Neue Zürcher Zeitung



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    Verfasst von Asset Standard
    Marktkommentar Guido Barthels (ETHENEA): Good cop – Bad cop! Eigentlich sollte es im Hochsommer ruhig werden. Im Sommerloch, während sich die meisten Politiker im Urlaub befinden, kommen oft die skurrilsten Nachrichten an den Tag.