Chefvolkswirt Holger Schmieding:
Europas Banken sind fit für Türkei-Turbulenzen
Holger Schmieding, Chefvolkswirt bei Deutschlands ältester Privatbank, Berenberg Bank, sagt, dass die Bank aufgrund der Türkei-Krise ihre Jahresprognose für den Euro von 1,21 US-Dollar auf 1,17 US-Dollar gesenkt hat.
Die Türkei ist sei keine Kleinigkeit, so Schmieding, denn sie trägt ein Prozent zum globalen BIP bei. Eine große türkische Rezession wäre eine enorme Herausforderung für die Finanzmärkte und andere Volkswirtschaften, aber dennoch rechnet Schmieding damit, dass die Auswirkungen auf den Euroraum eher begrenzt sein werden.
Exporte
"Die Eurozone erwirtschaftet 0,57 Prozent ihres BIP durch den Verkauf von Waren an die Türkei. Selbst ein Rückgang der Exporte in die Türkei um 20 Prozent würde nicht mehr als 0,1 Prozentpunkte vom jährlichen BIP-Wachstum der Eurozone abziehen. Da die weltweite Nachfrage weiterhin gut ist, könnten die Unternehmen der Eurozone den Schaden weiter eindämmen, indem sie für einige dieser betroffenen Waren auf andere Märkte wechseln und ihre Verkaufspreise nur geringfügig senken".
Finanzielle Verflechtungen
"Spanien, Frankreich und Italien sind die Länder der Eurozone, die der Türkei am stärksten ausgesetzt sind. Nach BIZ-Daten beläuft sich das Engagement der in diesen Ländern ansässigen Banken in der Türkei auf 81 Mrd. US-Dollar für Spanien, 35 Mrd. US-Dollar für Frankreich und 18 Mrd. US-Dollar für Italien. Ein Großteil davon besteht aus Beteiligungen an türkischen Banken und nicht aus gefährlichen unternehmensinternen Krediten oder direkten Kreditengagements. Türkische Verluste können einzelne Institute im Euroraum sichtbar treffen.
Dennoch sind die Banken im Euroraum deutlich besser in Form als in der Eurokrise 2011-2012, die im Zuge der Mega-Rezession 2008/2009 eingetreten war. Das Risiko, dass das Engagement einiger Banken in der Türkei zu einem systemischen Problem für die Eurozone wird und/oder zu einer Verschärfung der Kreditbedingungen in Spanien, Italien oder Frankreich führt, bleibt gering".
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Vertrauenseffekt
"Das eigentliche Risiko ergibt sich aus dem Lärmpegel. Vertrauen und damit Investitionsbereitschaft bestimmen oft den Konjunkturzyklus. Da die Zuversicht derzeit unbeständig ist und kein etablierter Trend besteht, können selbst kleine, aber gut sichtbare Probleme das Gefühl nähren, dass die Welt ein gefährlicher Ort ist und nicht voller aufregender Möglichkeiten. Wir sehen daher ein deutliches Risiko, dass eine laute Krise - wie die Turbulenzen in der Türkei - die Eurozone belasten und den Aufschwung der Märkte und der Geschäftsstimmung für eine Weile bremsen könnte".
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