Merkel mit dem Kopf durch die Wand
Ist die Abspaltung Bayerns möglich?
Heute möchte ich Ihnen die Gedanken meines geschätzten Kollegen Dr. Ulrich Horstmann zu Deutschland, Merkel und Seehofer nicht vorenthalten:
Der bayerische Löwe hat mal wieder gebrüllt. Wie soll man das einordnen? War es ein zwischenzeitliches Kraftritual nach dem Motto „Wir sind auch noch da!“ oder steckt mehr dahinter?
Der Streit zwischen CDU und CSU Anfang Juli hinterließ tiefe Spuren – zumindest bei den langjährigen Anhängern dieser Schwesterparteien. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Innenminister Horst
Seehofer (CSU) schienen im Asylstreit bis zum dramatisch verlaufenden Wochenende Anfang Juli unversöhnlich. Am Sonntagabend (2.7.) stand die Unionsgemeinschaft gefühlt vor dem Ende (Ältere unter
uns erinnerten sich an den erbittert geführten Streit zwischen Helmut Kohl/CDU und Franz Josef Strauß/CSU im Jahr 1976). Der plötzlich gefundene Kompromiss am Montag (3.7.) überraschte nach diesem
dramatischen Zwischenspiel. Warum nicht gleich so? Stand wirklich alles auf der Kippe? Oder war der Streit und alle ihn begleitende Statements nur inszeniert? War es vielleicht nur ein fauler
Kompromiss, um „gesichtswahrend“ noch irgendwie weiterregieren zu können?
Viele Fragen müssen vorerst offen bleiben
Solche Fragen müssen vorerst offen bleiben, sie lassen sich derzeit mangels näherer Inforationen noch nicht klar genug beantworten. Bekannt wurde bereits, dass Merkel für ihre Flüchtlingspolitik
keine ausreichend klare Mehrheit mehr gehabt hätte. Für eine durchaus geprüfte Entlassung Seehofers hätte es keinen formalen Grund gegeben. Wie lange der aktuelle Burg -frieden hält, ist offen.
Niemand unter den regierenden Parteien in Berlin, vor allem nicht die SPD, hat ein Interesse an Neuwahlen. Sie müssten mit weiteren Stimmenverlusten rechnen. Nicht mehr die früheren Lager streiten
untereinander, jetzt gibt es zumindest vordergründig einen nie da-gewesenen Nord-Süd- Konflikt der ehemals konservativen Schwesterparteien. Selten wurde aus Berlin so offen gegen Bayern und konkret
gegen Seehofer gestichelt. Am liebsten würde man im Norden anscheinend ohne ihn und auch ohne die CSU regieren. Durch die Grenzen nach Süden ist Bayern und die CSU stärker bei der Migrationsfrage
gefordert. In Bayern waren die Flüchtlinge seit der Grenzöffnung Anfang September 2015 zuerst angekommen. Die Kontrolle über das Land ging zeitweise verloren, die Bürger waren zutiefst
verunsichert.
Gibt es vor dem Hintergrund der Streitthemen, insbesondere bei der Migration, eine langfristige Strategie des CSU-Chefs? Wie wird sich Merkel positionieren? Die Zukunft wird weisen, ob die
vermeintlich immerwährende Große Koalition diese Legislaturperiode übersteht. Angesichts ihrer vielen Fehlleistungen hätte sie es nicht verdient. So spitzen sich die Krisen in der Europäischen
Union weiter zu. Dabei geht es um eine immer offener betriebene Wohlstandsumverteilung und nicht nur um Transfers innerhalb der Eurozone. Es geht auch um die Eindämmung der Wanderungsbewegungen aus
Problemzonen in aller Welt in Staaten mit einem hoch entwickelten Sozialsystem, das betrifft insbesondere Deutschland.
Das Personal in den Parteien der Großen Koalition wirkt verbraucht. Kanzlerin Merkel ist nach dem offen ausgetragenen Streit angeschlagen. Auch in der EU stellt der französische Superstar Emmanuel
Macron sie deutlich in den Schatten. Macron signalisiert Reformen und Aufbruchstimmung, Merkel steht für Beharrung und einer reformunfähigen Verwaltung des Status Quo. Probleme werden in die
Zukunft verschoben. Ihr Zögern führt auch zu einer Lähmung in der Bundespolitik. Ihre Migrationspolitik löst immer mehr Befremden aus, die Bevölkerung ist verunsichert, die derzeitige
Flüchtlingssituation bereitet große Sorgen. In den Medien war nach Jahren einer sehr wohlmeinenden und beschönigenden Berichterstattung überraschend viel Kritik zu hören. Wegen des Asylstreits die
Koalitionsgemeinschaft zu beenden, wäre wohl auch für sie zu einer zu großen Belastung geworden. Der Kritiker Horst Seehofer wäre dann nicht mehr im Amt gewesen, aber auch das Tischtuch zwischen
CDU und CSU wäre zerrissen gewesen. In den Parteien hatte man sich nur „notgedrungen“ solidarisch gegenüber Merkel und Seehofer gezeigt. Der Bruch der Union, dieses „Bleigewicht“ hätte ihr Amt nach
Jahren des Durchwurstelns ernsthaft gefährdet. Wie hätte sie dann weiterregieren können?
Kanzlerin Merkel hätte vielleicht andere Mehrheiten organisiert, wenn sie – wie zu befürchten ist – um jeden Preis weiterregiert, um ihr „europäisches Werk“ (mit Emmanuel Macron?) zu vollenden,
wobei unklar ist, welche Ziele sie dabei verfolgt. Der Ruf nach Neuwahlen wäre vermutlich immer lauter geworden. In den nächsten Wochen wird sich zeigen, ob der ausgehandelte Kompromiss im
Asylstreit überhaupt tragfähig ist, er sich in der Praxis bewährt und die SPD nicht zu große neue Hürden dagegen errichtet. Es könnte sogar sein, dass er zur Makulatur wird und Seehofer dann als
„lahme Ente“ seinen Posten doch noch verliert. Merkel hätte dann wieder einen starken Kritiker aus dem Feld geräumt. Vielleicht war aber doch alles nur wählerwirksam inszeniert. Der Löwe hat zwar
gebrüllt, aber es bleibt alles wie es ist. Der „Masterplan Migration“ wird wieder zu den Akten gelegt und wenn überhaupt, nur völlig unzureichend umgesetzt. Seehofer und Merkel könnte trotz des
Konflikts auf der Vorderbühne sogar hintergründig eine „klammheimliche Komplizenschaft“ verbinden, wie Gertrud Höhler meint. Eine notwendige Lösung bleibt offen, aber die gescheiterten Politiker
bleiben dennoch im Amt!
Es könnte um mehr gehen
Bei dem zwischenzeitlich offen ausgebrochenen Streit zwischen Seehofer und Merkel könnte es um weit mehr gehen als nur um die Steuerung der Wanderungsbewegungen von Menschen aus Kriegsgebieten und
unterentwickelten Staaten in unser Sozialsystem. Die Kanzlerin betont immer wieder, europäische Lösungen zu suchen. Seehofer und nicht zuletzt der Wahlkämpfer Markus Söder pochen auf bayerische und
inländische Zuständigkeiten. Gilt vielleicht nach diesen Entfremdungen bald der Grundsatz „Bayern First!“ in Anlehnung an die neue Politikausrichtung der USA. Donald Trumps Motto „America First!“
könnte Schule machen… Wäre das dann ein neuer Isolationismus oder nur ein berechtigter Streit um Positionen, um von anderen nicht über den Tisch gezogen zu werden?. Die bayerischen „Dealmaker“
könnten von Trump gelernt haben. Trump sorgt sich um seine Wähler aus der Mittelschicht, die sich zunehmend abgehängt fühlen. Das gilt auch in Bayern. Es ist Wahlkampf und da will, ja da muss man
Handlungsfähigkeit zeigen und das auch aus rein bayerischer Perspektive. Der Grundsatz von Franz Josef Strauß, dass es rechts der Union keine demokratisch legitimierte Partei geben dürfe, ist nicht
eingehalten worden. Vielen ist auch noch folgender Dreiklang bekannt, den Franz Josef Strauß prägte: “Bayern ist unsere Heimat, Deutschland unser Vaterland und Europa unsere Zukunft“.
Föderalismus und Subsidiarität, auch darum geht es! Franz Josef Strauß und auch Edmund Stoiber hatten nicht vergessen, auch bayerische und deutsche Interessen zu vertreten. Horst Seehofer und
Markus Söder müssen jetzt liefern, um bodenlosen Utopien von Politikern entgegenzutreten, sonst wird der neue Brüsseler Zentralstaat immer mehr zementiert. Europa als Dogma und der neue europäische
Mensch, das sind Ansprüche, die uns immer mehr präsentiert werden. Dazu gibt es jedoch keinen Wählerauftrag. Bislang gibt es auch in Europa noch Nationalstaaten. Sie sind die einzigen wirklich
funktionsfähigen demokratischen Gebilde und nicht ihr künstlich geschaffener Überbau, der von Funktionären und bürokratischen Helfern machtausweitend mehr und mehr umgesetzt wird. Ein europäisches
Volk wird es nicht geben, aber weiter funktionierende Einzelstaaten und Teilregionen, die in bester europäischer Tradition im Wettbewerb standen. Kleinere Staaten sind zudem friedlicher als die
Großimperien. Kleinstaaten führen keine Weltkriege. Eine verstärkte Zentralisierung passt nicht zu Europa, die damalige Sowjetunion ist dabei kläglich gescheitert. Der Aufstieg Europas vor
Jahrhunderten wäre bestimmt nicht von einer Brüsseler Zentralbehörde ermöglicht worden. Kleinere regionalen Einheiten, wie sie noch im 19. Jhdt. in Europa bestanden, förderten Kreativität und
Wettbewerb. Inländische Fürstentümer waren nicht Provinz, sondern auch Weltbühne.
Außerhalb Deutschlands setzen die Regierungen in der EU weiter auf ihre Autonomie, sie wollen nicht Verwalter einer Brüsseler Zentralregierung sein. Zu Recht, die Staaten wurden nicht abgeschafft,
es gibt in anderen Ländern der EU auch keine Bestrebungen wie in Deutschland, die nationalen Zuständigkeiten immer weiter auszuhöhlen. Eher im Gegenteil. Die inländische „Europafixierung“ wird auch
als Gefahr gesehen, das Europa „zu deutsch“ wird. Das will kaum jemand. Nach zwei Weltkriegen mit traumatischen Folgen im In- und Ausland und aktuell gefühlter ökonomischer Dominanz will niemand
einen starken deutschen Politikeinfluss. Das ist gut nachvollziehbar und solche Zweifel sollte auch Kanzlerin Merkel stärker als bisher ausräumen. Kauders Statement „Jetzt wird in Europa deutsch
gesprochen“ vor bald sieben Jahren werden viele in der EU nicht vergessen haben.
Misstrauensfördernd ist auch die neue deutsche Staatsvergessenheit inländischer Politiker, unsere politische Führung ist weniger berechenbar für das Ausland und die eigenen Bürger. Bei alledem werden immer höhere Risiken eingegangen, um Europa finanziell zu stabilisieren. Wenn Deutschland als Bürge ausfällt, kippt Europa. Auch eine Ratingverschlechterung könnte einen Dominoeffekt nach sich ziehen. Politiker in der EU und nicht zuletzt Deutschland scheinen dabei jede Bodenhaftung verloren zu haben. Berlin scheint ein besonderes Biotop für Groko-Politiker geworden zu sein. Reden die noch mit einfachen Leuten auf der Straße oder treffen sie sich nur untereinander in den jeweils angesagten Nobelrestaurants? Für die inländischen Bürger wird eine derartige Hybris sehr teuer, vielleicht ist sie am Ende des gescheiterten Durchwurschtelns sogar unbezahlbar.
Eine neue „EUdSSR“ würde scheitern
Viele EU-Bürokraten zeigen ein befremdlich hohes Sendungsbewusstsein, das an totalitäre Vorbilder erinnert. Je zentraler die Ebene, desto mehr Außenwirkung erhoffen sich die Vertreter dieser doch
inzwischen sehr abgehobenen Politikerkaste. Selbst der bald mögliche Austritt Englands aus der EU hat nicht zu einem bescheideneren Verhalten geführt – im Gegenteil. Es scheint der Grundsatz zu
gelten: „(Kontinental-)Europa strafe England!“. Die Ausgestaltung des Brexits führte in dem Königreich zu einem außergewöhnlichen Stresstest der Demokratie. Aber England steht und Europa fällt –
schleichend auseinander. Die Bürger sind verdrossen, die Euro- und Europafunktionäre machen unverdrossen weiter.
London feiert daher bei der europäischen Umverteilungsparty schon nicht mehr mit. Großbritannien hätte zahlen müssen, für ein zentralistisches Europa, das die pragmatischen Briten nicht ändern und
dass sie so nicht wollen können. Darüber wird kaum diskutiert. Das Migrationschaos dürfte das Zünglein an der Waage für den Brexit gewesen sein. Einen Kontrollverlust wie in Deutschland wollten die
Briten nicht erleiden. Der Brexit hat viel mit Merkels einseitiger Grenzöffnung zu tun. Bis heute pocht sie auf eine erkennbar falsche und zudem illegale Massenimmigration. Nach dem Brexit wird
nicht gespart, sondern munter das Geld weiter vom Norden zum Süden verteilt.
Damit wird die neue EU der Eurokraten französischer, südlicher und wohl auch protektionistischer. Die EU-Agrarpolitik, die z.B. seit vielen Jahren Afrika diskriminiert, könnte auf die sonstige
Wirtschaft verstärkt übertragen werden. Warum strebt Macron gerade hier mehr Kompetenzen an? Offensichtlich geht es – trotz des Europa-Tickets im Schaufenster – nicht nur um Um -verteilung von
Nord- nach Süd, sondern auch um eine „von oben“ gesteuerte Industrie-, Banken- und Standortpolitik.
Macron, Merkel und Juncker machen trotz aller Krisen einfach weiter, sie nutzen sie sogar geschickt, um ihre politische Macht zu vergrößern. Sie machen einfach weiter, als wäre nichts gewesen,
Kanzlerin Merkel führt ihr fragwürdiges Krisenverwaltungswerk mit Verlagerung der Probleme in die Zukunft trotz eines schlechten Wahlergebnisses, das einen Rücktritt auslösen müsste, fort. Die
Politik von solchen machtorientierten Gesinnungsethikern ist aus liberaler Bürgersicht unverantwortlich und könnte den Kontinent vor die Wand fahren. Regionen verlieren angesichts der zunehmenden
Zentralisierung autonome Spielräume, zumindest gefühlt. Sepa-ration ist zu einer starken Bewegung geworden.
Der Zerfall Jugoslawiens war ein Paukenschlag. Die Bürger dort haben kleinere staatliche Einheiten bevorzugt. Jugoslawien könnte eine Blaupause für ganz Europa sein. Starke Regionen trotzen dem
Vereinheitlichungsdiktat von oben. Die Spannungen nehmen zu, der Konflikt um die Separation Kataloniens von Spanien zeigte neue Bruchlinien. Wer regiert? Bürgernahe Politiker vor Ort oder
EU-Funktionäre? Ein „Weiter so“ der Eurokraten könnte zu einer neuen „EUdSSR“ führen – ein trotz offensichtlicher Mängel pseudoreligiös verklärter neuer etatistischer Zentralstaat, der ideologisch
geführt den neuen sozialistischen Europäer normiert, vermeintlich sozial umverteilt und den Wettbewerb ausschaltet. Wir Bürger haben bessere Alternativen verdient. Aus bayerische Perspektive wäre
das Land „Opfer einer doppelten Transferunion, einer deutschen und europäischen“. Die Mehrheitsverhältnisse sind eindeutig, dass gilt auf Bundes- wie auf Europaebene: „Weniger als einer Handvoll
Zahlern steht ein Dutzend Empfänger gegenüber, die keinerlei Veranlassung sehen, an dem für sie äußerst bequemen Zustand etwas zu ändern. Dabei ist dieser Zustand für die Nehmerländer nur dem
Anschein nach hilfreich…“ Mit der absehbaren „politischen Entmachtung Deutschlands“durch die EU-Kommission könnte sich die Dominanz der Brüsseler Zentralregierung noch verstärken und die
erfolgreiche Weiterentwicklung Bayerns verstärkt bremsen.
Ein gut funktionierendes Staatswesen braucht eine Regierung, die ihre Arbeit professionell erledigt. Dazu sind korruptionsfreie Politiker und gut bezahlte unbestechliche Elitebeamte erforderlich.
Nicht teure Visionen sind gefragt, sondern bürgernahe Realpolitik, die sich auch in den Kommunen und auf dem Land bewährt und nicht nur großstädtischen Eliten gefällt, die sich längst vom normalen
Volk entfernt haben. Wir brauchen in Europa mehr denn je „Verantwortungsethiker“ statt „Gesinnungsethiker“.
Ein zentralistisches Europa, das von Bürokraten gesteuert wird, hatte Ludwig Erhard immer abgelehnt. Seine Warnungen blieben unerhört. Heute spricht auch kaum mehr jemand von ihm und seiner
Politik. Es klingt absurd, aber ein „Weiter so!“ ohne tiefgreifende Reformen zur Sicherung des Föderalismus könnte zu einem fragilen EU-Imperium führen, einem mängelbehafteten etatistischen
Zentralstaat ohne Bodenhaftung. Ein solches vermeintliches Bollwerk des Friedens wäre überfordert. Ohne Euro kein Frieden? Solche Behauptungen, nicht selten fast pseudoreligiös wirkend verklärt,
desinformieren. Hier hält die Groko zusammen, die am liebsten dauerhaft ohne jede Opposition weiterregieren würde, so scheint es. Besteht überhaupt noch Wettbewerb zwischen der CDU und der SPD? Es
wirkt fast so, als wäre wie in der DDR eine Art Einheitspartei gebildet worden. Mit solch einem Parteiensystem wird ideologisch geführt und der neue sozialistische Europäer normiert, vermeintlich
sozial umverteilt und der Wettbewerb ausgeschaltet. Bayern und Seehofer werden wegen der Kritik ausgegrenzt. Wir Bürger haben bessere Alternativen verdient.
Was könnte stattdessen kommen?
Ein solches Europa holt die Menschen nicht ab, sondern will sie umerziehen. Konrad Adenauer formulierte realistisch: „Nehmen Sie die Menschen, wie sie sind, andere gibt’s nicht.“ Wenn die Politik
auf EU-Ebene nicht funktioniert und die Kompetenzen zwischen den Staaten und der EU immer mehr im Frage steht, könnte dies Ausdruck einer tiefgreifenden europäischen Führungs- und Demokratiekrise
sein.
In Europa ist vor diesem Hintergrund nicht nur eine wieder verstärkte Hinwendung zum Nationalstaat, sondern – wie bereits erwähnt - auch zu noch kleineren Teilregionen zu beobachten, die
bürgernäher organisiert werden können. Der neue Separatismus ist ein Spiegelbild des Versagens auf den höheren regionalen Ebenen. Föderalismus ist die bürgernähere und effizientere Form, mit
demokratischen Spielregeln politische Lösungen zu erarbeiten, die pragmatisch und nicht abgehoben sind. Entscheider in Zentralbehörden bekommen von der realen Welt vor Ort kaum mehr etwas mit.
Eigentlich war geplant, die EU genau nach solchen Regeln zu gestalten. Probleme, die vor Ort lösbar sind, benötigen keine zentralen Entscheidungen.
Die gelebte Politik in der EU sieht anders aus. Das neue Europa ist zentralistischer und hin-sichtlich der Strukturen französischer. Das führt zu Unmut und fördert Separationsbestrebungen, zum Teil
sind sie auch nur aus den nationalstaatlichen Traditionen und Entwicklungen erklärbar. Wäre eine Abspaltung wie von Katalonien gegenüber Spanien angestrebt auch in Deutschland möglich? Auf Anhieb
hätte ich zunächst vor Wochen noch Nein gesagt. Aber nach den jüngsten Entfremdungen zwischen CDU und
CSU und der zunehmenden Sonderrolle Bayerns als ein wirtschaftlich herausragend erfolgreicher Staat ist eine Separation immer mehr denkbar. Daher könnte Katalonien auch zu einer Blaupause
in der eher föderal und bislang als vorbildlich demokratisch geführt geltenden Bundesrepublik werden.
Was wäre, wenn sich Bayern und Österreich politisch immer mehr annähern und gefühlt zu einem Land würden? Das wäre auch vor dem Hintergrund historisch gemeinsamer Wurzeln nicht absurd. Die
aktuellen politischen Entscheidungsträger scheinen diese Entwicklung eher zu fördern als zu bremsen. Das Versagen Berlins bzw. Kanzlerin Merkels insbesondere bei der Bewältigung der
Wanderungsbewegungskrise wirken nach. Für Bayern würde es um ein „Los von Berlin und Brüssel“ gehen (bei den Katalanen geht es dagegen vorrangig um ein „Los von Madrid!“, Südtirol hat das „Los von
Rom!“ diplomatisch gut durch Teilautonomie gemeistert). Die EU ist für Bürger in Bayern und Österreich eher Fluch (Umverteilungs- und Enteignungsgefahr!) und für die Unternehmer eher Segen (größere
Märkte und, wenn auch fehlsteuernd und abzulehnen, Subventionen und mit dem Euro eine viel zu schwache Währung, die den Export fördert).
Teilregionen, das können Bayern und Österreich sein, dann auch mit Südeuropa und der Schweiz können eine enorme neue Bindungskraft gewinnen. Kulturell sind sie ähnlich, sie sind sich näher als
Bayern und die als „Preußen“ bezeichneten oder sogar verschmähten nördliche Gebiete. Die neuerliche Entfremdung erfolgte beiderseits, im Norden wurde sogar kürzlich gegen Seehofer demonstriert.
Trotz solcher binnenländischen Befindlichkeitsstörungen, bleibt festzuhalten: Skandinavien und Kalabrien sind kulturell noch viel unterschiedlicher als inländische Regionen trotz ihrer föderalen
Tradition und Eigenheiten. Es zeigt sich immer wieder, nicht zuletzt nach den Wahlen in Italien: Mitteleuropa und vor allem Bayern ist nicht mit Kalabrien und Sizilien einerseits und mit Nordeuropa
andererseits kompatibel.
Inzwischen gibt es neue Treiber für eine österreichisch-bayerische Annäherung, die nationale Grenzen überwinden könnte: Der junge österreichische Kanzler Sebastian Kurz ist auch in Bayern sehr
angesehen. Warum sollten sich in der EU nicht ganz neue Strukturen herausbilden? Der Zentralismus ist in Europa gescheitert – zuletzt Anfang der 1990er Jahre die Sowjetunion mit ihren
Satellitenstaaten, der Wettbewerb der Regionen prägte schon immer diesen Kontinent. Wir alle in der EU haben es in der Hand, weiter für ein buntes Europa zu kämpfen, von dem Erhard in seiner
Stockholmer Rede bereits 1963 sprach: „Nein – dieses Europa hat seinen Wert auch für die übrige Welt gerade in seiner Buntheit, in der Mannigfaltigkeit und Differenziertheit des
Lebens“.
Mehr Zurückhaltung der EU-Bürokraten wäre die Zauberformel! Ansonsten wird dieses neue Europa, das demokratisch längst nicht mehr ausreichend legitimiert ist, auseinanderbrechen und starke
Teilregionen immer mehr Bedeutung gelangen. Im Falle Bayerns müsste das Motto „Bayern First“ mit einer großen Weltoffenheit im Einklang stehen. Daran hätten nicht zuletzt die Industrie und der
Mittelstand ein größeres Interesse. In der Schweiz lebt man uns vor, wie eine solche Mischung aus vermeintlichen Provinzialismus und Weltbürgertum funktioniert. Deutschland hätte genauso eine
größere Schweiz werden können, inzwischen hat es sich an der EU verhoben. Dabei spielte die Hybris auch deutscher Politiker eine Rolle. Maßlos wurden die inländischen Politiker insbesondere bei der
Geldpolitik. Deutschland hätte seine Währung nicht sozialisieren dürfen. Einer starken Währung eines erfolgreichen Landes schlossen sich auch die anderen an. Zwangsläufig. Vergessen wir nicht: Mit
der Aufgabe der DM wurde eine gute Währung durch eine schlechtere ersetzt, die Einführung des Euros – das zeigt sich immer klarer – war nichts anderes als eine Währungsreform. Viele Politiker und
Manager werden es geahnt haben, sie kommen damit zurecht. Vielen kommt es gerade recht. Die Bürger wurden nicht gefragt und bereits damals mit im Nachhinein falschen Versprechungen beruhigt. Es
wird immer deutlicher: Die damalige Bundesbankpolitik ermöglichte Stabilität. Heute steht die EU – nicht zuletzt mit dem EZB-gesteuerten Euro – vor einem Scherbenhaufen.
Auf die Vernunft und Reformfähigkeit zu setzen, reicht nicht mehr. Alternativen müssen gesucht werden, wenn das System EU Freiheit, Demokratie und Wohlstand der Bürger aufs Spiel setzt.
Wenn Deutschland nicht zu DM zurückkehrt, könnte die BM kommen, die Bayerische Mark. Diese neue Währung könnte auch digital gesteuert sein. Bayern wäre stark genug, das zu tun. Andere Regionen
würden das als Vorbild sehen, vor allem wenn die Berliner Politik unter Leitung von Angela Merkel in ganz Europa als gescheitert gilt. Um das zu verhindern, sind schnelle Reformen dringender denn
je. Deutschland muss den Euro verlassen. Das Euro-Experiment ist auch Sicht vieler Bürger längst gescheitert. Politischer Irrtümer sollten rechtzeitig korrigiert werden. Es wird eine
Anpassungskrise geben, aber diese wäre jetzt noch eher zu meistern. Abwarten verstärkt die Spannungen. Das „Weiter so!“ wäre nicht nur eine Konkursverschleppung, sondern hätte eine
risikosteigernde, den inneren und äußeren Frieden bedrohliche Sprengkraft. Der Vertrauensverlust fördert bereits jetzt den Separatismus! Dann wären auch die guten Aspekte europäischer
Zusammenarbeit gefährdet. Statt Freihandel würde der alte Kontinent in den Bilateralismus verfallen. Viel steht auf dem Spiel!
Bei einer forcierten Transferunion würden
die starken Regionen besonders leiden. Bayern subventioniert schon den Bund, weitere Umverteilungsmaßnahmen könnten auch die erfolgreichen Teilstaaten über Gebühr schwächen. Als führendes
Land in Europa, das sich Freistaat nennt, sind Vorgaben aus Brüssel und Berlin oft wenig hilfreich. Wenn der bayerische Löwe zu sehr an die Kette gelegt wird, könnte er zumindest aus dem deutschen
Stall weglaufen. Auch wenn das vielfach nur als Drohkulisse gilt: Bayern kann es alleine schaffen, vermutlich wird es im Verbund seiner Nachbarn Tschechien, Österreich und der Schweiz erfolgreich
eine Loslösung vom Norden umsetzen können. Es gibt kein europäisches Staatsvolk, der Wettbewerbsföderalismus hat Europa und vor allem Deutschland geprägt. Jetzt wird gegen jede Vernunft wieder auf
Zentralismus gesetzt, die EU nimmt eine etatistische Perspektive von oben nach unten ein. Das ist eine bürgerferne Ausrichtung. Erhard wollte bei einer gegenläufigen Perspektive von unten nach oben
die Bürger stärken. Seine erfolgreiche bürgernahe gesellschaftliche Konzeption scheint heute vergessen zu sein. Der Bayxit wäre anders als der Brexit. Wie die Schotten sind die Bayern eine
traditionsreiche und stolze Teilregion eines Landes. Ein erneuertes Europa, das auf faire Wettbewerbsregeln und Freihandel setzt, wäre für Bayern weiter attraktiv. Nichts anders war für Ludwig
Erhard maßgeblich. Dann wäre der Bayxit – anders als der Brexit – nicht nur ein „Los von Brüssel!“, sondern ein „Los von Berlin!“ und gleichzeitig eine Hinwendung nach Wien, Rom, der Schweiz sowie
im Verbund mit Österreich zu den osteuropäischen Staaten westlich Russlands.
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Vergessen wir nicht: Es waren immer eher Sozialisten, die den Neid anfachten und für Umverteilung plädierten. Das gilt für Sozialisten aller Prägungen. Der real praktizierte Marxismus ist nach einem Versuch, der über drei Generationen anhielt, mit dem Zerfall der Sowjetunion Anfang der 90er Jahre gescheitert. Auch die Nationalsozialisten setzen ab 1933 auf den Einheitsstaat, die Länder wurden „gleichgeschaltet“, darauf weist Wilfried Scharnagl in seinem immer wieder lesenswerten Buch „Bayern kann es auch allein – Plädoyer für den eigenen Staat“, aus dem ich bereits mehrfach zitierte, hin. Der Föderalismus ist friedens- und freiheitsbewahrend. Gute konkrete Nachbarschaft war schon immer besser als die zentrale Lenkung von oben. Gesellschaft muss von unten her gedacht werden und eine bürgerliche Perspektive einnehmen, die Politiker sind nur die Diener der Freiheitsinteressen der Bürger. Es gilt der klassische Subsidiaritätsgrundsatz von Ludwig Erhard: „Kümmere du, Staat, dich nicht um meine Angeleigenheiten, sondern gib mir so viel Freiheit und lass mir von dem Ertrag meiner Arbeit so viel, dass ich meine Existenz, mein Schicksal und dasjenige meiner Familie selbst zu gestalten in der Lage bin.“
Was jetzt zu tun ist
Deutschland muss den Euro verlassen und eine eigene Währung einführen! Dies würde zwar kurzfristig zu erheblichen Irritationen an den Märkten führen. Dies ist aber tatsächlich „alternativlos“, um diese fragwürdige Merkelsche Begrifflichkeit zu wählen, wenn die inländische Bevölkerung nicht noch mehr enteignet und Europa nicht noch mehr destabilisiert werden soll. Inländische Politiker müssten den Fehler eingestehen und die Fehler korrigieren – mit der Einführung der DM, denn dieses Währungskürzel steht nach wie vor für Vertrauen und eine stabile Geldpolitik. Für Nachkriegsdeutschland war die DM sogar identitätsstiftend. Die Austrittsoption schien in früheren Jahren immer möglich, auch rechtlich bei Stabilitätsgefahren. Inländische Politiker sollten sich für ihr Fehlverhalten entschuldigen.
Das ist natürlich derzeit völlig unrealistisch, schon solche Ideen gelten im öffentlichen Diskurs zu Unrecht als anstößig. Die Alternative wäre die Bayerische Mark, kurz BM. Die BM wäre wie der
Schweizer Franken eine starke Währung, noch eher als eine wiedereingeführte DM. Der Norden Deutschlands ist
heruntergewirtschaftet worden. Die Finanzsituation im Vergleich zu Bayern ist schlecht, insbesondere in Bremen oder Berlin. Für die Bürger Bayerns würde eine neue bayerische Währung erhebliche
Wohlstandsgewinne versprechen.
Das zweite große strittige Feld neben der Geld- und Finanzpolitik ist die Migration. Hier hat Seehofer mit der Vorstellung des Masterplans Migration einen ersten vorsichtigen Schritt in die
richtige Richtung getan. Wenn in Berlin weiter blockiert wird, wäre Bayern gefordert, als echter Vollstaat ein Einwanderungsgesetz zu formulieren, das auch den Bedürfnissen des aufnehmenden Landes
gerecht würde. Nach jahrelangen Diskussionen war man dazu auf Bundesebene nicht in der Lage oder willens. Mit der Migration aufgrund einer besseren sozialen Absicherung wäre das inländische
gesellschaftliche Erfolgsmodell gescheitert. Es basierte darauf, das von den Bürgern in Eigenverantwortung Leistungsbereitschaft und -fähigkeit erwartet wurde. In Verbindung mit hoher Bildung und
einer guten Infrastruktur, einer funktionierenden Verwaltung und stabilen Geldpolitik hat sich Deutschland einen enormen Wohlstand aufbauen können. Ohne die politischen Weichenstellungen Ludwig
Erhards hätte das so nicht gelingen können.
Wenn dieses Land sich in ein
„Weltflüchtlingsheim“verwandeln will, werden Sozialleistungen nicht mehr erwirtschaften werden können, auch nicht für die, die neu zu uns kommen. Die, die schon länger im Lande leben,
werden bei einer solchen Politik mit erheblichen Vermögenseinbußen, vor allem im Alter rechnen müssen. Auch hier gilt: Da sich der Bund nicht handlungsfähig zeigt, muss Bayern mutig voranschreiten
und – wenn nicht anders möglich – auch seine Grenzen selbst schützen. Der erste bayerische und sozialdemokratische Ministerpräsident, Wilhelm Hoegner, Patriot wie sein damaliger preußischer
Parteikollege Kurt Schumacher, plädierte 1945 für den Föderalismus, damit die Süddeutschen nicht als Staatssklaven auf den Wink einer Einzelperson einschwenken und formulierte – zeitlos –
abschließend: „Wir wollen Deutsche sein und bleiben und bleiben, nicht durch den Befehl von Berlin. Vor allem wollen wir wieder unsere eigenen Herren im „Gasthaus zum Bayerischen Löwen“ sein.“ Da
müsste man neben Berlin jetzt nur noch Brüssel ergänzen. Der bayerische Löwe braucht keinen Berliner und keinen Brüsseler Käfig!
P.S.: Weitere Artikel zu diesen und anderen Themen von mir und meinen Kollegen Thilo Sarrazin, Ernst Wolff, Willy Wimmer, Gunnar Heinsohn, Daniele Ganser und vielen anderen finden Sie in Der Privatinvestor Politik Spezial.
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