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    Börsen-Zeitung  449  0 Kommentare Persilschein für die EZB, Kommentar zum Europäischen Gerichtshof von Stephan Lorz

    Frankfurt (ots) - Die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank
    (EZB) ist ein hohes Gut - so "hoch", dass diese Institution in
    europäischen Kreisen offenbar über alle Kritik erhaben scheint. Eine
    Kontrolle ihrer Handlungen gibt es faktisch nicht. Denn der
    Europäische Gerichtshof (EuGH), der hierzu rechtlich in der Pflicht
    wäre, stellt den Notenbankern regelmäßig einen Persilschein aus.
    Darauf läuft es wohl auch im jüngsten Verfahren über die
    Rechtmäßigkeit der Staatsanleihekäufe hinaus.

    Die Verfassungskläger gegen die unkonventionelle EZB-Politik sehen
    hierin einen Verstoß gegen das Verbot der monetären
    Staatsfinanzierung, einen Fehlanreiz für die Haushaltspolitik, und
    sorgen sich um das Budgetrecht der Parlamente. Das
    Bundesverfassungsgericht hat hierzu dem EuGH Fragen vorgelegt und
    erkennen lassen, dass es den EZB-Kurs selber sehr kritisch sieht.
    Doch Melchior Wathelet, der Generalanwalt des EuGH, sieht in seinem
    Plädoyer keine Verfehlung der EZB, übernimmt sogar deren
    Argumentation und schlägt den deutschen Richtern vor, die Klage
    abzuschmettern.

    Natürlich wirkt jede Art der Geldpolitik über die Beeinflussung
    der Zinsen auf die nationale Haushaltspolitik durch. Aber der Kauf
    von Staatsanleihen schlägt hier aus der Reihe, weil er die
    Staatsfinanzierung direkt verbilligt. Und entgegen den Ausführungen
    des Anwalts hat dies stets Rückwirkungen auf das Verhalten der
    Haushaltspolitiker: Verschuldung wird günstiger, Konsolidierung
    weniger dringlich.

    Dass die Defizite in der Eurozone seit kurzem geringer ausfallen,
    ist also nicht unbedingt der Sparpolitik zuzuschreiben, wie Wathelet
    behauptet, sondern vor allem den niedrigen Zinsen. Die Forderung der
    früheren Eurokrisenländer, die EZB solle die Kurswende hinauszögern,
    spricht Bände. Zudem wurden die Euro-Notenbanken durch ihr Handeln zu
    den größten Gläubigern der Eurostaaten. Das macht die Zentralbanker
    erpressbar und untergräbt ihre Unabhängigkeit. Und dass bislang keine
    Anleiheausfälle zu beklagen waren, ist noch kein Beleg für die vom
    Generalanwalt unterstellte Gefahrlosigkeit des EZB-Kurses für die
    Parlamentsrechte.

    Wathelet vertraut allein auf die "Garantien" der EZB: ihre
    Kaufobergrenzen und Qualitätsanforderungen. Doch es fehlt die
    ökonomische Folgenabschätzung. Die durch die EZB bewirkten
    Verhaltensänderungen und Marktverwerfungen zeigen sich erst mit
    Zeitverzug. In der nächsten Krise dürften die Kaufgrenzen dann nicht
    mehr zu halten sein und die EZB wird vollends zum Staatsfinanzierer.
    Um seine Kontrollpflicht zu erfüllen, müsste der EuGH daher stets die
    ganze Entwicklung berücksichtigen.

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