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    Marktkommentar  893  0 Kommentare Guido Barthels (ETHENEA): Ein Ketchup-Moment

    In den letzten Jahren wurde oft die überraschenderweise ausbleibende Inflation mit dem im Titel beschriebenen Phänomen verglichen.

    Wir alle kennen den „Ketchup-Moment“, wenn man die leckere rote Sauce aus einer Glasflasche auf seinen Teller geben möchte – man klopft und klopft und lange Zeit passiert gar nichts. Bis sich schließlich gefühlt die halbe Flasche in einem Schwupp auf dem Teller entleert. Der Ketchup-Moment eben.

    In den letzten Jahren wurde von verschiedenen Seiten oft die überraschenderweise ausbleibende Inflation mit dem oben beschriebenen Phänomen verglichen. Allerdings ist bisher trotz häufigen Klopfens auf den Flaschenboden vielerorts nicht allzu viel Inflation aus der Flasche gerutscht. Aber langsam kann man zumindest etwas vom Ketchup im Flaschenhals erkennen, vor allem in den USA. Seit Anfang 2018 erhöht sich dort stetig die Inflationsrate in Richtung 3 % (siehe Grafik 1). Auch die Kernrate, die wichtiger für die Zentralbank ist, hat sich mit aktuell 2,4 % deutlich von der 2 %-Marke entfernt. In der Eurozone hingegen ist bisher nur wenig passiert (siehe Grafik 2). Die Kernrate liegt knapp über 1 %, lediglich die Inflationsrate ist nun über die 2 % gestiegen.



    Grafik 1: US Headline- und Kerninflationsrate



    Grafik 2: EZ Headline- und Kerninflationsrate


    Wie geht es nun von hier aus weiter? Der Präsident der EZB, Mario Draghi, hat vor kurzem in einer Rede von einem deutlichen Anstieg der Inflation gesprochen. Hat er möglicherweise Zugriff auf Daten, die wir bisher nicht gesehen haben? Allerdings deuten auch viele Parameter auf ein mittlerweile deutlich erhöhtes Inflationsrisiko hin. Der stark gestiegene Rohölpreis, der derweil um mehr als 60% gegenüber dem Vorjahr zugelegt hat, wird zumindest die Inflationsrate erhöhen. In Grafik 3 zeigen wir die OECD-Inflationsrate gemeinsam mit der Jahresänderungsrate des Rohölpreises (dividiert durch 10 zur besseren Darstellung). Dass hier eine große Korrelation der Richtung vorliegt, ist deutlich zu erkennen. Logischerweise fließt die Rohölinflation nicht 1:1 in die Konsumentenpreise ein. Grafik 4 zeigt die Zusammensetzung der Inflationsrate in der Eurozone. Der Ölpreis wird sich indirekt in der Komponente Housing und im Transport niederschlagen. Diese beiden Komponenten haben einen Anteil von mehr als 30% an der Berechnung der Inflationsrate und sind deutlich gestiegen. Der reine Benzin- und Dieselpreis, der sich in der Berechnung des CPI niederschlägt, weist aktuell eine Steigerungsrate von 13 % auf (siehe Grafik 5).


    Grafik 3: Inflationsrate der OECD-Staaten und die prozentuale Jahrespreisänderung von Rohöl dividiert durch 10



    Grafik 4: Zusammensetzung der Konsumentenpreise in der Eurozone



    Grafik 5: Benzin- und Dieselpreiskomponente im EZ CPI



    Aber nicht nur der Ölpreis wirkt inflationär. Da wir vor allem in den USA mittlerweile die längste Wirtschaftswachstumsphase der Nachkriegsgeschichte verzeichnen, ist es nicht verwunderlich, dass die Arbeitslosenquote auf einen 50-jährigen Tiefpunkt gesunken ist (siehe Grafik 6). Auch die für die Statistiker unter uns wichtigeren Erstanträge und Langfristanträge zur Arbeitslosenhilfe sind auf Langzeittiefpunkte gesunken (siehe Grafik 7). Dadurch wird ein Lohndruck aufgebaut, der auch die Märkte gelegentlich schon überrascht hat. Aus Grafik 8 lässt sich entnehmen, dass in den USA der nominale Lohn bereits mehr als 3 % wächst. In Ermangelung europäischer Daten ziehen wir die Zahlen für Deutschland heran und können erkennen, dass wir trotz Rekordbeschäftigung lediglich ein Lohnwachstum in Höhe von 2,5 % haben. Bei fortschreitender Expansion sollte der Lohndruck zunehmen, was sich dann auch in den Kernraten der jeweiligen Konsumentenpreise widerspiegeln wird.


    Grafik 6: US-Arbeitslosenquote


    Grafik 7: Erstanträge und Langfristanträge zur US-Arbeitslosenversicherung



    Grafik 8: Nominallohnwachstum


    Ein weiterer inflationärer Faktor ist die zunehmende Kapazitätsauslastung in den Industrienationen (siehe Grafik 9). Bis auf die griechische Tragödie haben alle anderen Industriestaaten das Level von vor der Finanzmarktkrise erreicht. In Zeiten der Globalisierung ist zwar eine hohe Kapazitätsauslastung nicht zwingend inflationär, aber zumindest kommt aus dem Bereich kein deflationärer Preisdruck.


    Grafik 9: Kapazitätsauslastung



    Zu guter Letzt bleibt noch der sogenannte Handelskrieg zwischen China und den USA. Der kurzfristige und unmittelbare Effekt ist eine Preiserhöhung der importierten Güter, die sich in vielen Fällen auch in höheren Konsumgüterpreisen niederschlagen wird. Mittelfristig und mittelbarer wird es Substitutionseffekte geben und/oder eine Nachfrageminderung, die letztendlich auch zu einer Abschwächung des Wirtschaftswachstums führen kann. 

    Die für die Zentralbanken wichtige, vom Markt implizierte zukünftige Inflationsrate (forward inflation rate) ist auf beiden Seiten des Atlantiks mit mal etwas mehr, mal etwas weniger als 2 % aber noch sehr verhalten (siehe Grafik 10). Es hat den Anschein, als ob sich das Potential einer großen Überraschung aufbauen könnte. Wenn die oben beschriebenen Faktoren allesamt auf die Inflation einwirken, dann könnte speziell die EZB schnell hinterherhinken. Schließlich deutet die Kommunikation der EZB bisher auf eine erste Zinserhöhung im Sommer 2019 hin. Dies könnte eindeutig viele Monate zu spät sein und würde zu einer deutlichen Überschreitung der Marke von 2 % Inflation führen.

    Sollte es tatsächlich so kommen, dann würden die Renditen in Europa deutlich steigen. Wie aktuell in den USA zu beobachten ist, scheinen höhere Inflationsraten die US-Notenbank nicht zu schnelleren und größeren Zinsschritten bewegen zu können. Derzeit ist mit einem weiteren Prozent Zinserhöhung, jeweils in Schritten von 25 Bp. alle drei Monate, zu rechnen.

    Falls aber doch ein Ketchup-Moment eintritt und die Inflationsrate eine ganz andere Wachstumsdynamik aufweist – etwas, was im aktuellen Umfeld durchaus möglich ist – dann werden die nächsten 6 bis 12 Monate sehr spannend an den Rentenmärkten.


    Grafik 10: Forward-Inflationsraten auf 5-Jahresbasis




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