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     1954  3 Kommentare Was für ein Preisverfall

    An den Börsen geht es derzeit ja ziemlich hin und her, doch so richtig gut schaut es nicht aus. Doch wird es dramatische Kurseinbrüche geben? Ich weiß es nicht, ich denke aber eher nicht.

     

    Dabei kehren wir ja langsam wieder in die Normalzeit vor den Nullzinsen zurück. Und auch die Inflation zeigt plötzlich einen neuen noch sehr zarten Trieb.

     

    Andere Dinge werden hingegen immer billiger, wie beispielsweise alles, was mit Computern zu tun hat, was jedoch ausschließlich dem technischen Fortschritt geschuldet ist.

     

    In dieser Woche ist mir jedoch etwas völlig anderes begegnet, das so radikal im Preis gefallen ist, wie ich es noch nie erlebt habe. Und das in Berlin und bei einem Preis, den der Senat in Berlin festsetzt, der doch eigentlich stets klamm bei den Finanzen ist.

     

    Andererseits will Berlin aber auch die kostenlose Stadt werden. Ich dachte jedoch, das würde eher die Kitas betreffen als die Toten. Doch dem ist anscheinend nicht so.

     

    Im nächsten Jahr muss ich eine Grabstelle auf dem Friedhof verlängern, drei Gräber, und da hatte ich schon durchaus Muffen vor. Denn als ich das beim letzten Mal gemacht habe, vor 19 Jahren, da hat die Verlängerung für 20 Jahre doch tatsächlich 11.280 DM gekostet, was 5.767 Euro ausmacht. Wahrlich kein Pappenstil.

     

    Als ich jetzt jedoch nach den Gebühren anfrage, haut es mich fast um. Mich hatte allerdings der Friedhofsgärtner schon darauf hingewiesen, dass die Preise hier abgerutscht seien. Doch dass es so extrem wird, hätte ich nie gedacht.

     

    Den die neue Verlängerung für 20 Jahre kostet jetzt nur noch 534 Euro. Und zwar tatsächlich für 20 Jahre, Irrtum ausgeschlossen. Dieser administrative Preis hat sich also binnen 20 Jahre mehr als gezehntelt.

     

    Wie kommt es dazu? Haben wir so wenig Tote? Das kann es bestimmt nicht sein, denn jetzt kommt doch langsam für die Bayboomer das Ende. Außerdem: Braucht das Land Berlin nicht dringend Bauland? Warum daher die Kosten nicht hier genauso wie die Mieten steigen lassen?

     

    Vielleicht bestatten die Menschen heute ihre Lieben auch lieber im Internet. Oder im Wald und auch hoher See. Bestimmt hat auch niemand mehr Lust, Gräber zu pflegen, weshalb überproportional viele Gräber aufgegeben werden.

     

    Doch was wird mit einer Gesellschaft, die das Trauern verlernt hat? Die den Tod negiert und wegschiebt? Vielleicht muss die sich ja bald selbst beerdigen. Das jedoch wird dann richtig teuer.

     

     


    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
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