Kommentar:
GE steht symptomatisch für die Krise des Systems
In der letzten Woche verloren die Aktien von General Electric (GE) an einem Tag über sechs Prozent und notieren mittlerweile auf dem Niveau von 1995. Was für ein Absturz für die einstige Industrieikone, die im August 2000 eine Marktkapitalisierung von 594 Milliarden US-Dollar hatte und heute mit weniger als 70 Milliarden nur noch im Mittelfeld der Aktien im S&P 500 liegt. Das einstmals wertvollste Unternehmen der Welt und Gründungsmitglied des Dow-Jones-Indexes war schon in diesem Sommer nach 111 Jahren Zugehörigkeit aus dem Index geflogen. Eine Entwicklung, die noch vor wenigen Jahren undenkbar erschien.
Ausgerechnet GE
GE galt zu Recht über Jahrzehnte als amerikanisches Vorzeigeunternehmen. In den 1930er-Jahren betrieb das Unternehmen die Elektrifizierung der USA, brachte die elektrische Waschmaschine auf den Markt, gefolgt von Mixern, Staubsaugern und Klimaanlagen. Schon damals bot GE den Kunden Finanzierungen an.
Als ineffizientes Konglomerat in den 1970er-Jahren kritisiert, wurde das Unternehmen unter Führung des legendären Jack Welch zum Vorbild für die Schaffung von Shareholder Value in diversifizierten Unternehmen: Er bereinigte das Geschäftsportfolio, und führte effiziente Managementmethoden ein, die schnell zum Vorbild für Unternehmen aller Branchen wurden und Geschäftsprozesse revolutionierten. Die Börse honorierte es mit immer höheren Kursen – um beeindruckende 4000 Prozent stieg die Aktie in den 20 Jahren seiner Amtszeit. Jack Welch und seine Manager wurden reich.
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Doch es waren nicht nur die operativen Maßnahmen, die zum Erfolg von GE führten. Mindestens ebenso bedeutend war, dass das Management die immer größere Bedeutung der Finanzmärkte erkannte, Folge der Deregulierung Anfangs der 1980er-Jahre und der anhaltend lockeren Geldpolitik der Fed. Dies führte zum einen zum deutlichen Ausbau des eigenen Finanzgeschäfts (GE Capital), zum anderen zu einer konsequenten Nutzung der Instrumentarien des Financial Engineerings. War es zunächst Jack Welch, der es sich zur Angewohnheit machte, die Erwartungen der Analysten bezüglich der Quartalsergebnisse immer leicht zu übertreffen, kamen Aktienrückkäufe, Erhöhung des Verschuldungsgrades (Leverage) und schließlich aggressive Bilanzierung hinzu.