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    Marktkommentar  932  0 Kommentare Stephan Rieke (Oddo BHF): Vorweihnachtlicher Hindernislauf für die Märkte

    Bevor die Marktteilnehmer den Wirrungen der Märkte entfliehen können, stehen noch einige hochkarätige Ereignisse auf der Tagesordnung.

    Freitag, 07.12.2018

    Aktienmärkte:

    Die Verhaftung Meng Wanzhous, Finanzchefin des chinesischen Smartphoneherstellers Huawei, in Kanada führte zu Ausverkäufen an den Aktienmärkten. Da eine Auslieferung Wanzhous an die USA droht, befürchten Anleger eine weitere Zuspitzung der sino-amerikanischen Beziehungen. Die aufgekommenen Zweifel an einer versöhnlichen Lösung im Handelskonflikt wurden durch die Festnahme genährt.

    Die Talfahrt der Aktienmärkte beschleunigte sich am gestrigen Handelstag (6.12.) und endete für die europäischen Indizes auf den tiefsten Ständen seit dem Brexit-Referendum 2016. Der pan-europäische STOXX 600 stürzte um 3,1% ab. Die größten Tagesverluste verzeichneten der italienische FTSE MIB (-3,54%) und der DAX (-3,48%). Auch der CAC 40 (-3,32%) und der FTSE 100 (-3,15%) erlitten schwere Verluste. Letzteren belasten zudem die Brexit-Diskussionen (siehe unten).

    Auch die US-Indizes wurden nicht verschont, konnten die Verluste aber zum Handelsschluss fast neutralisieren. Neben der Sorge über eine Verschärfung des Handelskonflikts im Zuge der Verhaftung, drücken die Entwicklung am Rentenmarkt und der Ölpreis auf US-Aktien. Der S &P 500 gab zwischenzeitlich über 1% ab, legte später jedoch eine Rallye hin und schloss den Handel mit 2695,95 nur 4,1 Zähler unter dem Eröffnungskurs. Der Dow Jones verlor unter dem Strich 0 ,32%, während die Nasdaq einen leichten Zugewinn verzeichnete ( 0,2%).

    Der Handel an Asiens Börsen verläuft heute (7.12.) durchwachsen. Die aktuellen Bewegungen: Nikkei 0,82%, Hang Seng -0,24%, CSI 300 /-0%. 

    Renten und Währungen:

    Als Konsequenz des Ausverkaufs an den Aktienmärkten stieg die Nachfrage nach Rentenpapieren, die als sichere Häfen gelten. Die Rendite 10 -jähriger US-Treasuries fiel weiter und liegt nun bei 2 ,88% - dem niedrigsten Stand seit drei Monaten. Auch Staatsanleihen der EWU stehen im Zeichen der Risikoaversion. Bundesanleihen mit einer Laufzeit von 10 Jahren rentieren bei 0 ,24% (-0,3 Basispunkte), während die Renditen der italienischer BTPs zunahmen. Die Renditedifferenz zwischen Schuldscheinen des Bundes und Anleihen des italienischen Tesoros weitete sich im gestrigen Tagesverlauf aus und liegt im Segment der Langläufer (10j.) nun bei [B]2 ,95 .

    Angesichts der fallenden Renditen und der (teilweisen) Inversion der Zinsstrukturkurve, die als Indikator einer bevorstehenden Rezession gilt, bröckelte der US-Dollar. Der Greenback gab gegenüber dem Euro nach, in der Spitze schaffte es die Gemeinschaftswährung sogar 1,14 zu durchbrechen. Aktuell notiert EUR -USD bei 1 ,1371. 

    Edelmetalle und Rohstoffe:

    Gestern (6.12.) einigten sich die OPEC-Staaten auf eine Kürzung der Ölproduktion. Bevor sich das Kartell jedoch auf die Details hinsichtlich des Kürzungsvolumens festlegt, wird auf eine Zusage Russlands, einem gewichtigen OPEC-Partner, gewartet. Delegierten zu Folge ist eine Reduktion der Fördermenge von 1 Mio. Barrel pro Tag denkbar. Die Ölsorten Brent und WTI reagierten mit Abschlägen auf diese Nachricht und stehen derzeit bei 59 ,4 bzw. 50 ,9 USD/b. Gold handelt aktuell bei 1239 USD/Unze. 

    Konjunkturelles Umfeld:

    Auf der Konjunkturseite ist die deutsche Industrieproduktion im Oktober um 0,5% gefallen. Der wichtigste Eintrag im Datenkalender dürfte jedoch der US -Arbeitsmarktbericht sein, der neben der Arbeitslosenquote (erwartet: 3,7%) auch die Beschäftigungsänderung („non-farm payrolls“; erwartet 200.000 ggü. Oktober) und die durchschnittliche Einkommensänderung (erwartet 3,1%) beinhaltet. Die Beschäftigungs- und Lohndynamik gibt Aufschluss ist ein wichtiger Faktor für den Verlauf der Inflationsrate, die wiederum maßgeblich den geldpolitischen Kurs der Fed beeinflusst. 

    Vorweihnachtlicher Hindernislauf für die Märkte

    Das Jahr neigt sich seinem Ende zu. Bevor allerdings die Marktteilnehmer den Wirrungen der Märkte entfliehen und eine hoffentlich friedliche Weihnachtszeit genießen können, stehen noch einige hochkarätige Ereignisse auf der Tagesordnung. Zunächst wählt am Wochenende der Parteitag der CDU eine(n) neue(n) Vorsitzende(n). Dieses Ereignis bekommt dadurch besondere Relevanz, dass das Ergebnis die weitere Amtszeit der amtierenden Bundeskanzlerin und die Lebensdauer der Großen Koalition wesentlich beeinflussen könnte. Konkreter: Vor allem wenn Friedrich Merz das Rennen machen sollte, würden nach unserer Einschätzung das Ende der Koalition und vermutlich auch Neuwahlen deutlich näher rücken. Damit würden die politischen Unsicherheiten in Europa weiter zunehmen.

    Am Dienstag dann steht zunächst die Abstimmung des britischen Unterhauses über die Austrittsvereinbarung und die Rahmenvereinbarung für die zukünftige Zusammenarbeit mit der EU auf dem Programm. Im Idealfall (aus Sicht der Märkte) würde die Vereinbarung abgesegnet und damit eine friktionsarme, den Status Quo weitgehend erhaltende Übergangsphase eingeleitet. Allerdings wäre die „Kuh“ nach einem solchen Parlamentsentscheid noch nicht endgültig vom Eis, denn die Entscheidung müsste anschließend noch in Gesetzesform (EU Bill) gegossen werden. Aber so wie sich die laufende Diskussion darstellt, ist auch eine Abstimmungsniederlage von Premierministerin May nicht unwahrscheinlich.

    Wenn es dazu kommen sollte, wäre allerdings (noch) nicht alles verloren. Eine durchaus ernstzunehmende Variante ist eine dann zu verhandelnde Modifikation der Vereinbarung mit der EU, die dann im Januar (um eine Minute vor zwölf) durch das Parlament geboxt würde – eventuell mit, möglicherweise auch ohne einen vorherigen Wechsel in 10 Downing Street. Man kann sich auch Szenarien vorstellen, die – vermutlich verbunden mit einem Wechsel auf dem Posten des Regierungschefs – auf einen Rücktritt vom Rücktritt hinauslaufen. Nach unserer Einschätzung würde allerdings bei einer Abstimmungsniederlage am Dienstag die Wahrscheinlichkeit steigen, dass kein geregelter Austritt gelingt. In Verbindung mit zusätzlichen innenpolitischen Risiken (neuer Regierungschef, Neuwahlen?) wären die Märkte von einer solchen Entwicklung vermutlich nicht begeistert.

    Und schließlich folgt am Donnerstag die Sitzung des EZB-Rates – die im Vergleich fast harmlos wirkt. Zinspolitische Veränderungen stehen derzeit nicht zur Diskussion; zu entscheiden ist allerdings über die Beendigung des Anleiheankaufprogramms und die Wiederanlagestrategie. Wir gehen davon aus, dass die Anleihekäufe zum Jahresende endgültig eingestellt werden, fällig werdende Papiere aber bis auf weiteres vollständig ersetzt werden. Im Endeffekt würde damit der Bestand an Anleihen auf dem aktuellen Niveau konstant gehalten. Von der (turnusmäßigen) Anpassung des Kapitalschlüssels der EZB (für Deutschland um 0,8 Prozentpunkte nach oben) dürften keine wesentlichen Veränderungen ausgehen. Theoretisch könnten mehr deutsche Papiere gekauft werden, allerdings stößt der Bestand für Deutschland bereits an die Obergrenzen für einzelne Emittenten bzw. Emissionen. Im Hinblick auf die Überlegungen zu einer Anschlussregelung für die 2020/21 fällig werdenden „Gezielten Langfristigen Refinanzierungsgeschäfte (TLTROs)“ dürfte man sich darauf beschränken, auf derzeit laufende Prüfungen eventueller Maßnahmen hinzuweisen.

    Das Augenmerk wird sich vor allem auch auf die Einschätzung der EZB zur weiteren wirtschaftlichen Entwicklung richten. Die Projektionen des EZB-Stabes dürften eher etwas moderater ausfallen als im September, sowohl im Hinblick auf das Wachstum in 2018/19 als auch, ölpreisbedingt, mit Blick auf die Inflation (insb. 2019). Wir gehen allerdings davon aus, dass die Anpassungen maßvoll bleiben (0,1 bis 0,2 Prozentpunkte) und die Grundaussagen – verlangsamtes aber solides Wachstum und sehr graduelle Annäherung an das Inflationsziel – nicht verändert werden. Bei der Beurteilung der Risiken dürfte der EZB-Rat an der Einschätzung „weitgehend ausgewogen“ („broadly balanced“) festhalten, aber eine Zunahme der Abwärtsrisiken einräumen. Insgesamt erwarten wir damit keine allzu starken Impulse von der EZB.



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