Kann ein Unternehmen kreditwürdiger sein als sein Staat? Das Prinzip der "Sovereign Ceiling"
Von Gerd Kommer und Martin Kerscher
Aufgrund des historisch niedrigen Zinsniveaus in Deutschland haben Privatanleger, getrieben von ihren Finanzberatern oder den Medien ab ungefähr 2014 immer häufiger ihre bestehenden Investments in sicheren Staatsanleihen oder Tagesgeldern innerhalb der gesetzlichen Einlagensicherung in "ertragsstärkere" Anlageformen umgeschichtet. Eine der Asset-Klassen, die in diesem Zusammenhang oft als ertragsstärkere Alternative genannt wird, sind Unternehmensanleihen von großen, mittleren oder kleinen Unternehmen. Nicht wenige Privatanleger halten Staatsanleihen im Kontext der allgemeinen Staatsschuldendiskussion sogar grundsätzlich für eine fragwürdige, weil zu risikoreiche Asset-Klasse.
Um die Implikationen einer aus Risikosicht oft hochproblematischen Umschichtung von im Vergleich sicheren Staatsanleihen in weniger sichere Unternehmensanleihen oder Bankguthaben (also Bankschulden) voll verstehen zu können, ist es hilfreich, sich mit dem Prinzip des Sovereign Ceiling (sinngemäß "staatliche Deckelung", Sovereign = der Staat) zu befassen. Es besagt, dass Unternehmen einschließlich Banken als Schuldner aus strukturellen Gründen fast immer eine schlechtere Kreditqualität (Bonität) als der "Heimatstaat" des Unternehmens bzw. der Bank haben müssen.
Die "Sovereign Ceiling" ist ein Grundpfeiler der Bonitätsanalyse von Unternehmensanleihen (der "Souverän" = Staat, "Ceiling" = Decke) durch Rating-Agenturen und Kreditabteilungen von Banken. Das Sovereign Ceiling-Prinzip besagt, dass Unternehmensanleihen den Rating-"Deckel" des Staats, der das Unternehmen beherbergt, eigentlich nicht durchstoßen können. Dass also das Rating der Unternehmensanleihe bestenfalls gleich gut und in der Regel schlechter ist als des betreffenden Staates. In diesem Zusammenhang sind zwei begriffliche Präzisierungen notwendig: (a) Mit "beherbergender" Staat ist dasjenige Land gemeint, in dem ein Unternehmen den größten einzelnen Teil seiner wirtschaftlichen Aktivität entfaltet und in dem es typischerweise seinen Unternehmenssitz hat – gewissermaßen der "Heimatstaat" des Unternehmens. (b) Wenn hier Unternehmensanleihen und Anleihen des beherbergenden Staates in Bezug auf Bonität (ausgedrückt im Rating der Anleihen) miteinander verglichen werden, wird stets unterstellt, dass diese Anleihen die gleiche Währung und die gleiche Laufzeit aufweisen.
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