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    ROUNDUP  444  0 Kommentare Klimagipfel dürfte länger dauern - Kritik an Kompromissvorschlägen

    KATTOWITZ (dpa-AFX) - Im Endspurt des UN-Klimagipfels deutet viel darauf hin, dass die Unterhändler aus fast 200 Staaten in die Verlängerung müssen. Zwar legte die polnische Präsidentschaft in Kattowitz (Katowice) am Freitag einen 144-seitigen Entwurf für ein Gipfel-Ergebnis vor. An diesem gab es aber reichlich Kritik, wichtige politische und technische Fragen waren noch ungelöst.

    Auf der Konferenz geht es seit knapp zwei Wochen um die praktische Umsetzung des Pariser Klimaabkommens und damit die Begrenzung der Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad, möglichst 1,5 Grad - verglichen mit der vorindustriellen Zeit. Um das zu schaffen, müssten die Staaten schon bald sehr viel weniger Treibhausgase ausstoßen als bisher.

    Bundesumweltministerin Svenja Schulze erwartet einen positiven Abschluss. "Es sieht gut aus", sagte die SPD-Politikerin am Freitagmorgen nach nächtlichen Verhandlungen. Verhandlungskreise richteten sich allerdings auf eine weitere Nachtsitzung ein.

    Derweil kürte die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) "Heißzeit" zum Wort des Jahres 2018. Den Begriff haben Klimawissenschaftler geprägt. Sie wäre durch etwa vier bis fünf Grad höhere Temperaturen und einen Anstieg des Meeresspiegels um bis zu 60 Meter geprägt.

    Auf der Tagesordnung der Klimadiplomaten stehen viele technische Details, etwa, wie genau Staaten über ihre Pläne und Leistungen im Klimaschutz berichten müssen. Aber auch politische Signale sind heftig umkämpft. Einige Beispiele:

    - 1,5-GRAD-ZIEL: Wissenschaftler aus aller Welt haben einen Bericht vorgelegt, demzufolge die Erderwärmung mit radikalen Maßnahmen noch auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau begrenzt werden kann - und sollte, denn zwei Grad Erwärmung hätten noch drastischere Folgen für Artensterben, Extremwetter, die menschliche Gesundheit und den Anstieg der Meeresspiegel. Umstritten ist, wie prominent der Gipfel diesen 1,5-Grad-Bericht hervorhebt und welche Schlussfolgerungen gezogen werden. Aus Sicht der besonders bedrohten Staaten ist klar: Es müssen früher als geplant, nämlich bis 2020, ehrgeizigere Ziele auf den Tisch, damit weniger Treibhausgase in die Luft geblasen werden.

    - MARKT FÜR VERSCHMUTZUNGSRECHTE: Verhandlungsinsider sprechen nur von "Kapitel 6". Darin geht es um einen Marktmechanismus für das Recht auf Treibhausgas-Ausstoß. Staaten können sozusagen mit Verschmutzungsrechten handeln, denn für das Weltklima ist egal, wo die Treibhausgase herkommen und wo sie eingespart werden. Wichtig ist aber, dass hier nicht geschummelt werden kann und sich zum Beispiel zwei Staaten das gleiche gutschreiben.

    - KLIMASCHÄDEN: Ein weiterer Streitpunkt ist das Thema Schäden und Verluste durch den Klimawandel. Die ärmeren und stärker betroffenen Staaten kämpfen dafür, diese gut sichtbar und eindeutig anzuerkennen und in die Berichte der Staaten als eigene Kategorie mit aufzunehmen. Die Industriestaaten dagegen fürchten, sie könnten quasi haftbar gemacht werden für die Schäden anderswo.

    Dass Verluste und Schäden in den Entwürfen in eine Fußnote gerutscht sind, empörte Hilfsorganisationen. Sabine Minninger von Brot für die Welt nannte das eine "Beleidigung". Über Nacht sei die Anerkennung des für besonders verwundbare Staaten extrem wichtigen Themas noch verwässert worden. "Da sind gerade die kleinen Inselstaaten überrollt worden, das ist ein handfester Skandal."

    - FINANZHILFEN: Harjeet Singh von Actionaid International sagte, die Angebote der reichen Staaten seien ein "grausamer Witz" angesichts der immensen Schäden, die Dürren, Hochwasser und Stürme schon jetzt anrichteten. In den am Morgen vorliegenden Entwürfen werde nicht klar festgehalten, wie die schon länger zugesagten 100 Milliarden Dollar pro Jahr an öffentlichen und privaten Mitteln von 2020 an ausgezahlt werden und welche Transfers dabei mitzählen. "Es ist unfair, dass dabei auch Kredite und Garantien mitzählen sollen."

    Auch Martin Kaiser von Greenpeace zeigte sich insgesamt unzufrieden: "Der bisherige Text sorgt nicht dafür, dass sofort und verstärkt Kohlekraftwerke abgeschaltet werden oder weniger Verbrennungsmotoren auf die Straße kommen." Solche Sofortmaßnahmen seien aber unabdingbar, wenn der Dürresommer nicht nur ein Vorgeschmack gewesen seien solle. "Wir steuern ungebremst auf eine CO2-bedingte Heißzeit zu und bislang ändert diese Konferenz nichts am Kollisionskurs", sagte er.

    Auch der Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber rügte die Tatenlosigkeit vieler Staaten im Kampf gegen die Erderhitzung. "Das Defizit ist irrsinnig. Kaum ein Staat tut genug. Wir fahren diesen Planeten gerade an die Wand", sagte der Gründer des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. Bezahlen dafür würden die jungen Leute, speziell in den verletzlichsten Gesellschaften weltweit. "Jungen Leuten, die ich treffe, sage ich: Eure Zukunft wird euch gerade gestohlen - seid ihr nicht zornig, seid ihr nicht ärgerlich?"

    Eine Protestaktion mit dem Motto "Schulstreik fürs Klima" der schwedischen Aktivistin Greta Thunberg folgten am Freitag auch Hunderte deutsche Schüler. Statt zur Schule zu gehen, protestiert die 15-Jährige seit Monaten immer freitags gegen den Klimawandel. Unter anderem in Berlin, Göttingen, Kiel und Köln riefen Schüler im Netz dazu auf zu protestieren, anstatt zur Schule zu gehen. "Es ergibt für uns keinen Sinn, für die Zukunft zu lernen, wenn wir vielleicht keine haben", sagte einer der Initiatoren, der Kieler Schüler Jakob Blasel, der Deutschen Presse-Agentur am Freitagmorgen./ted/toz/nat/DP/stw





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