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     926  0 Kommentare Verrückte Aktienmärkte: „Das Ausmaß der Korrektur hat uns überrascht“

    Verkehrte Welt – die Gewinne von US-Unternehmen steigen, die Aktienkurse aber nicht. Woran das liegt, was das mit dem Geldentzug der Zentralbank und Indexfonds, also ETFs, zu tun hat, und was man jetzt kaufen sollte, erklärt Nadia Grant, Chefin für US-Aktien bei Columbia Threadneedle in Europa.Nachdem Präsident Donald Trump das US-Steuerreformgesetz "Tax Cuts and Jobs Act" am 22. Dezember 2017 unterzeichnet hatte, erwarteten wir für 2018 ein kräftiges Wachstum der Unternehmensgewinne. Unsere Erwartung wurde weit übertroffen, weil der direkte Effekt der Steuersenkung auf die Unternehmensgewinne durch die Beschleunigung des Wirtschaftswachstums weiter verstärkt wurde.
    Wir hatten ursprünglich für 2018 ein Gewinnwachstum von etwa 15 Prozent prognostiziert, doch jetzt sieht es nach einem Plus von ca. 25 Prozent aus, wovon rund 6 bis 8 Prozent der Steuersenkung zu verdanken sind. Im Vergleich dazu wuchsen die Gewinne der US-Unternehmen in den letzten 60 Jahren um durchschnittlich 5 bis 7 Prozent.
    Trotz dieser starken Gewinnentwicklung hat sich der S&P 500 Index 2018 weitgehend seitwärts bewegt (Stand: 30. November 2018), sodass sich den Anlegern jetzt attraktive Bewertungsniveaus bieten.
    Handelskrieg, weniger Geld und wackelnde Kurse
    Was also hat den Markt gebremst? Der Handelskrieg mit China und die damit einhergehende Rhetorik waren wichtige Faktoren. Die Aktien von Unternehmen, die von den Zöllen am stärksten betroffen sind – wie Industrie- und Grundstofftitel sowie Halbleiter- und Autohersteller –, wurden dabei entsprechend abgestraft.
    Auch war klar, dass die Bilanzverkürzung seitens der US-Notenbank (Fed) für Volatilität sorgen wird, wobei uns das Ausmaß der Marktkorrektur im Oktober dann doch überrascht hat.
    Nach dem sehr volatilitätsarmen Jahr 2017 ging es 2018 mit zwei Marktkorrekturen (über 10 Prozent vom Hoch zum Tiefpunkt), die eine im ersten Quartal und die andere in den letzten drei Monaten des Jahres, turbulenter zu. Beide Korrekturen wurden durch technische Faktoren verschärft. So wurde beispielsweise im Februar/März 2018 der Aktienmarkt durch erste Daten zu einem Anstieg der durchschnittlichen Stundenlöhne verunsichert. Die Löhne stiegen stärker als erwartet, was auf einen möglicherweise steigenden Inflationsdruck hindeutete. Da die Unternehmen vor der Veröffentlichung der Quartalsergebnisse ihre Aktienrückkaufprogramme unterbrochen hatten, fanden die Aktienkurse wenig Unterstützung und fielen deutlich. Als der nächste Lohnwachstumsbericht im März verhaltener ausfiel, erholte sich der Markt und spiegelte damit die guten Gewinnausweise der Unternehmen wider.

    Die zweite Korrektur war sehr ähnlich: Der Markt reagierte auf restriktivere Kommentare des Fed-Vorsitzenden zur Frage, wann neutrale Zinssätze erreicht würden. Die Eskalation des Handelskriegs verschärfte die Situation weiter. Die beiden Korrekturen zeigen aber auch, wie sehr sich die Marktstruktur seit der Finanzkrise durch den größeren Einfluss von börsengehandelten Indexfonds (ETFs) und systematischen Anlegern verändert hat.
    An durchschnittlichen Handelstagen machen ETFs rund 30 Prozent des Aktienmarktvolumens aus, doch bei Volatilitätsschüben wie im März und Oktober 2018 liegt ihr Anteil deutlich höher. Auch im Oktober hatten die Unternehmen wegen der bevorstehenden Veröffentlichung der Drittquartalsergebnisse ihre Rückkaufprogramme ausgesetzt und boten damit dem Markt wenig Kaufunterstützung.
    Wir halten diese zwei Korrekturen für gleichermaßen technisch wie fundamental bedingt. Außerdem ist empirisch belegt, dass Anleger in den Monaten nach einer außergewöhnlich hohen Volatilität überdurchschnittliche Renditen erzielen können, da sich die paarweisen Aktienkorrelationen und die Streuungsbeziehungen normalisieren.
    In der Vergangenheit legten Aktien nach vorübergehenden starken Anstiegen der Volatilität (VIX) kräftig zu (siehe Abbildung 1).



    US-Aktien unterdurchschnittlich teuer
    Mit Blick auf 2019 ist der Aktienmarkt damit jetzt attraktiv bewertet. Wir erwarten ein weiterhin über dem Trend liegendes Wirtschaftswachstum, eine moderate Inflation und ein solides Gewinnwachstum von 8 bis 10 Prozent, was ebenfalls nach wie vor über dem Trend läge. Auf dieser Basis notiert der S&P 500 Index zurzeit mit dem rund 15-fachen der prognostizierten Gewinne und damit etwas unter dem durchschnittlichen Kurs-Gewinn-Verhältnis von 16. Der Markt ist demnach trotz des überdurchschnittlichen Gewinnwachstums niedriger bewertet als im historischen Durchschnitt.
    Momentan passiert sehr viel. So hat Fed-Chef Jay Powell gerade seinen Kommentar zum neutralen Zinsniveau geändert, das er jetzt nicht mehr "in weiter Ferne", sondern "fast erreicht" sieht. Auch haben die Handelsspannungen zwischen China und den USA nachgelassen, nachdem auf dem G20-Gipfel ein 90-tägiger "Waffenstillstand" vereinbart und damit eine weitere Eskalation vorerst abgewendet wurde.
    Wir dachten, der Markt sei nahe daran, einen totalen Handelskrieg (Zölle von 25 Prozent auf Waren im Wert von 500 Milliarden Dollar) einzupreisen, bei dem im schlimmsten Fall (wenn wegen fehlender Preismacht die Zölle nicht kompensiert werden können) die Prognosen für das Gewinnwachstum der S&P-500-Unternehmen vielleicht um 5 bis 6 Prozent hätten gesenkt werden müssen.

    Eine Lösung erscheint jetzt möglich und das Worst-Case-Szenario ist nach den G20-Gesprächen weniger wahrscheinlich. Auch wenn dabei die 90 Tage als sehr ehrgeiziges Ziel anmuten, so gibt es doch zumindest eine Marschroute für die Diskussion der Kernthemen. Zu diesen zählen Technologietransfer, Schutz geistigen Eigentums, Cyberangriffe und -Diebstahl, nichttarifäre Handelshemmnisse sowie Dienstleistungen und Landwirtschaft. Wir wissen, dass die Chinesen bei den Themen geistiges Eigentum, Dienstleistungen und Landwirtschaft zu Zugeständnissen bereit sind. Außerdem hat das CFIUS (Committee on Foreign Investment in the United States), ein Ausschuss der US-Regierung zur Kontrolle von Auslandsinvestitionen in den USA, einen neu erweiterten Aufgabenbereich mit der Befugnis, Technologietransfers zu begrenzen. All dies deutet darauf hin, dass zwar die Handelsspannungen zunehmen können, bevor sich die Lage verbessert, die Zölle aber vermutlich nur vorübergehend sind und zurückgenommen werden, sobald eine Lösung gefunden ist.
    Was also preist der Markt gerade ein? Er scheint mit einem Dilemma zu kämpfen: Einerseits ist die Konjunktur in den USA robust, andererseits verlangsamt sie sich in der übrigen Welt aufgrund einer Liquiditätsverknappung oder bedingt durch quantitative Straffungsmaßnahmen. Das erinnert an 2015, als der Industrie- und Rohstoffsektor in einer Rezession steckten, während der Rest der Wirtschaft wuchs. Damals griffen die Zentralbanken ein, woraufhin der Markt wieder den Vorwärtsgang einlegte. Die entscheidende Frage ist heute also, ob die negativen Auswirkungen, die die quantitative Straffung auf die globale Liquidität hat, die Konjunktur zum Erliegen bringen werden. Der Markt befürchtet offenbar, dass die Zentralbanken dieses Mal nicht genügend tun werden.
    Der aktuelle Aufschwung ist zwar einer der längsten der Geschichte, aber auch der langsamste (siehe Abbildung 2). Das dürfte den Konjunkturzyklus natürlich verlängern.



    Wir sehen noch keine Anzeichen für eine Konjunkturverschlechterung und glauben auch nicht, dass Konjunkturzyklen an Altersschwäche sterben. Deshalb bleiben wir vorsichtig optimistisch, zumal wir auch als aktive Einzelwertanleger von der Normalisierung der Volatilität und der paarweisen Aktienkorrelationen im nächsten Jahr profitieren dürften. Wir sind weiterhin in erstklassigen Unternehmen investiert, die sich durch verbesserte Geschäftsfundamentaldaten und attraktive Bewertungen auszeichnen. Dazu gehören Technologietitel, die davon profitieren, dass der Siegeszug von künstlicher Intelligenz, Cloud-Computing, Gaming und dem Internet der Dinge die Wirtschaft wesentlich rechenintensiver macht. Zu unseren Favoriten zählen weiterhin auch Banken, die höhere Renditen auf das eingesetzte Kapital erwirtschaften und deren Aktionärsrenditen von der Deregulierung, der starken Konjunktur und dem operativen Hebel profitieren. Trotzdem sind sie niedriger bewertet als im historischen Durchschnitt.

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