Prognose
Das war knapp: EZB-Banker kurz davor, beim Risiko von Gelb auf Rot zu schalten
Beinahe hätte der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) den Risikoausblick für das Wachstum im Euroraum pessimistischer eingeschätzt. Spannend bleibt die Frage, welche geldpolitischen Maßnahmen die EZB nach dem Stopp ihrer Anleihenankäufe im Wert von insgesamt 2,6 Billionen Euro jetzt ergreifen wird - also wann kommen die ersten Zinserhöhungen seit 2011?
Die Notenbanker waren in ihrer letzten Sitzung im alten Jahr in ihrer Diskussion über die Euroraum-Wirtschaft kurz davor, die Aussichten von "ausgewogen" auf "nach unten geneigt" herabzustufen. Das geht aus dem Protokoll der EZB-Ratssitzung vom 13. Dezember hervor, über das die "Börsen-Zeitung" und das "Handelsblatt" berichten. Demnach gehen einige Marktbeobachter jetzt davon aus, dass die EZB ihre Einschätzung in der nächsten Sitzung im Januar hin zu einer pessimistischeren Einschätzung abändern könnte.
Aber noch kommen die obersten, europäischen Zentralbanker zu dem Schluss, dass sich Chancen und Risiken für das Wachstum im Euroraum überwiegend die Waage halten. Aber der Eindruck am Markt entsteht, dass das Pendel leicht nach unten ausschlagen könnte. „Es wurde unterstrichen, dass die Lage anfällig ist und sich schnell wandeln kann, wenn Risiken rasch an Prominenz wiedergewinnen oder neue Unsicherheiten auftauchen“, heißt es im Protokoll.
Die Währungshüter sorgen sich unter anderem über den bevorstehenden Brexit und über den Handelsstreit USA - China sowie über die Finanzmärkte in den Schwellenländern wie zum Beispiel in der Türkei. Hinzu kommen die schlechteren Wachstumsdaten, die die hausinterne Abteilung anliefert. Demnach ist die Euroraum-Wirtschaft im dritten Quartal so langsam gewachsen wie seit mehr als vier Jahren nicht mehr. Erneut senkten die EZB-Volkswirte ihre Wachstumsprognosen, wozu auch die schwächere Inflationsrate beigetragen hat.
Auf der anderen Seite stehen die Faktoren, die die Risiken schmählern und somit zu mehr Ausgewogenheit zwischen Chancen und Risiken beitragen: Der tiefe Ölpreis und die Option der EZB, doch wieder zu einer expansiveren Finanzpolitik zurückzukehren. Tatsächlich ist ein deutlicher Abschwung auch angesichts robuster Arbeitsmarktdaten und vertretbaren Lohnzuwachsraten nicht in Sicht. Im EZB-Protokoll steht, dass die konjunkturelle Lage zurzeit nicht angespannt genug sei, um weitere EZB-Eingriffe zu rechtfertigen.
Unterm Strich soll es jetzt erst einmal bis zum Sommer dieses Jahres keine Zinserhöhungen geben. Unterdessen rechnen Investoren am Geldmarkt aufgrund der zunehmenden Konjunktursorgen sogar immer später mit der ersten Zinserhöhung der EZB seit 2011, so "Reuters". Es gibt Prognosen, die eine Anhebung erst für Mitte 2020 voraussagen. Auch die Abschaffung des so genannten "Strafzins" für Finanzinstitute, also die Anhebung des Einlagenzins von minus 0,4 auf null, rückt in die Ferne. Die Wahrscheinlichkeit dafür wurde auf nur noch 45 Prozent taxiert.
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