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    ROUNDUP  372  0 Kommentare Kommunen wollen Mitsprache bei Hilfen für Kohle-Regionen

    LEIPZIG/BERLIN (dpa-AFX) - In der Debatte um die Folgen eines Kohleausstiegs wird der Ruf nach mehr Verantwortung für die betroffenen Kommunen laut. Die Städte und Landkreise um das Mitteldeutsche Revier herum wünschten sich, die Millionensummen des zugesagten Sofortprogramms selbst zu verwalten, sagte der Landrat des Burgenlandkreises, Götz Ulrich, der Deutschen Presse-Agentur. Der CDU-Politiker spricht für einen Zusammenschluss der betroffenen Kommunen im südlichen Sachsen-Anhalt sowie im Raum Leipzig. Vor Ort seien bereits erste Entscheidungen gefallen, was mit den Bundeshilfen umgesetzt werden sollte.

    Anlass seiner Forderung ist ein Spitzentreffen in Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte die zuständigen Bundesminister und die Regierungschefs der Kohleländer für Dienstagabend eingeladen. Auch die CDU-Regierungschefs von Sachsen und Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff und Michael Kretschmer, formulierten vor ihrer Anreise zum Treffen Forderungen an den Bund.

    Bis Monatsende soll die Kohlekommission der Bundesregierung neben Vorschlägen für neue Impulse in den Revieren auch ein Datum für den Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohle nennen. Zugesagt sind 150 Millionen Euro Soforthilfe für die ostdeutschen Reviere. Sie sollen dieses Jahr in schnell umsetzbare Projekte fließen. Bis 2021 sind bisher 1,5 Milliarden Euro für alle Kohleregionen eingeplant. Dazu gibt es das Signal, die Summe deutlich zu erhöhen.

    Haseloff forderte konkrete Zusagen für die Förderung neuer Jobs in den Revieren. "Denn nur, wenn neue Arbeitsplätze auch angeboten werden können, ist das Ganze in den Regionen oder den Revieren vermittelbar", sagte er dem Sender MDR Aktuell. Dabei gehe es nur zum Teil um neue Perspektiven für die jetzigen Braunkohle-Beschäftigten.

    Der CDU-Politiker verwies auf das Beispiel Ruhrgebiet. Dort seien einst für betroffene Mitarbeiter akzeptable Vorruhestandsregelungen gefunden worden. "Aber deren Kinder und Enkelkinder sitzen teilweise heute noch in der zweiten, dritten Generation in der Arbeitslosigkeit und das wollen wir nicht." Kretschmer erklärte, dass die Regierung ihr Versprechen einhalten müsse, dass niemand durch "den politisch organisierten Braunkohleausstieg" arbeitslos werde.

    Ökonomen des Instituts für Wirtschaftsforschung aus Halle, kurz IWH, bezweifeln, dass mit politischen Maßnahmen kurzfristig Ersatzjobs in den jetzigen Revieren geschaffen werden könnten. Langfristig könnten sich gute Bedingungen für Pendler und Gründer positiv auswirken. Die IWH-Forscher untersuchten in einer Modellrechnung, welche Folgen der bisher diskutierte frühestmögliche Ausstieg aus der Braunkohle im Jahr 2035 hätte.

    Während sie für die gesamtdeutsche Wirtschaft kaum Effekte vorhersagen, sehen die Forscher für die Revierregionen durchaus spürbare Einschnitte: Die Arbeitslosenquote würde demnach zwischen 2035 und 2040 steigen, die durchschnittlichen Bruttolöhne fallen und vor allem gut qualifizierte Beschäftigte wegziehen, so die Einschätzung. Am stärksten wären diese Effekte der IWH-Studie zufolge in der Lausitz in Sachsen und Brandenburg.

    Im Landkreis Leipzig, in dem zwei aktive Tagebaue liegen, mahnte Landrat Henry Graichen (CDU), die Fehler aus den 1990ern nicht zu wiederholen. "Wir haben da leidige Erfahrungen gemacht", sagte er. Damals habe es keinen Strukturwandel gegeben, sondern einen Strukturbruch.

    Es müssten neue Industriezweige angesiedelt werden - und bestehenden Branchen geholfen werden, den Wandel zu bewältigen, sagte Graichen. Als Beispiel nannte er die Baustoffindustrie oder Hersteller von Industriegasen, die bisher Wärme und Dampf aus Braunkohlekraftwerken nutzen. Graichen schlug eine Förderung vor, um die Betriebe beim Aufbau nötiger neuer Infrastruktur zu unterstützen. Zudem müsse die Planung öffentlicher Projekte beschleunigt werden. Als Beispiel nannte er die Bahnstrecke Leipzig-Zeitz-Gera, die derzeit nicht mit Elektroleitungen für S-Bahnen ausgestattet ist.

    Im Mitteldeutschen Revier hängen dem Landrat zufolge je 2000 Jobs direkt und indirekt an der Braunkohle. Der Burgenlandkreis, wo der Braunkohleförderer Mibrag einer der wichtigsten Arbeitgeber ist, hat schon erste Pläne beschlossen. Wenn die Bundesmittel fließen, würden in Naumburg und Weißenfels neue Bildungszentren gebaut, sagte Landrat Ulrich. Für Zeitz sei ein ähnlicher Plan noch in der Abstimmung. So sollen die größeren Städte attraktive Wohnorte bleiben./hnl/bz/DP/he




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