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     1113  1 Kommentar Brauchen wir den Markt überhaupt noch?

    In einer meiner letzten Kolumnen habe ich mit einer gewissen Sympathie über Donald Trumps Eingriffe in die freien Märkte geschrieben, dass die Märkte allein die Probleme, vor denen wir heute stehen, nicht werden lösen können.

     

    Der Marktliberalismus hat getrogen, denke ich, denn die freie Konkurrenz führt nicht zu einer leistungsgerechten Verteilung, sondern es ergeben sich überall Monopole und Oligopole, auf jeden Fall große Einheiten, denen gegenüber der Einzelne keine Chance mehr besitzt.

     

    Im Rahmen des World Economic Forum in Davos habe ich jetzt einen phantastischen Bericht der Wirtschaftsredakteure der „Welt“ gelesen, der mich auf ganz andere Ideen bringt. Sie beziehen sich dabei auf den italienisch-amerikanischen Makroökonomen Xavier Sala i Martín.

     

    Den treibt die Überlegung an, ob wir heute eigentlich Märkte grundsätzlich noch brauchen? Es geht hierbei um die Funktion des Marktes als Informationsbeschaffungsorgan. Das ist Friedrich August von Hayeks berühmter Markt als Entdeckungsverfahren. Das heißt, durch Angebot und Nachfrage von Millionen von Marktteilnehmern werden neue Chancen erkannt und die tatsächlichen Knappheitsverhältnisse aufgedeckt.

     

    Doch was ist nun, so wird hier gefragt, wenn man auf einmal die Informationen gar nicht mehr gewinnen muss? Wenn sie bereits vorliegen, entweder in der Hand großer Unternehmen, Monopolisten gar? Oder gleich in der Hand von Staaten wie eben China? Braucht man dann noch konkurrierende Unternehmen? Könnte es staatlichen Planern nicht in Zukunft gelingen, woran die Sowjetunion und ihre Satelliten noch kläglich gescheitert waren, nämlich eine halbwegs verschwendungsarme Versorgung mit öffentlichen Gütern zu gewährleisten?

     

    Das scheinen mir wichtige Gedanken zu sein. Hier sind wir dann beim Thema künstliche Intelligenz. Heute ist damit natürlich noch nichts anzufangen. Dazu muss man ja nur einmal bei Google etwas suchen und dann sehen, mit welchem Blödsinn die ersten eingegebenen Suchwörter kombiniert werden, um einen an das vermeintlich richtige Ziel zu führen. Doch andererseits ist es eine Tatsache, dass heute bereits im Gesundheitsbereich vielfach anhand von Algorithmen entschieden wird, welche Patienten welche Versorgung bekommen.

     

    Werden wir also irgendwann demnächst tatsächlich in die Situation des allwissenden Planers hineinschliddern? George Orwell mit 40 Jahren Verspätung? Die parallel dazu ablaufenden politischen Entwicklungen können einen hierbei wirklich das Fürchten lernen.

     

    Ich denke jedoch, dass die vorhergehenden Überlegungen zu simpel sind und nicht weit genug greifen. Denn es gibt neben der Informationsgewinnungsfunktion des Marktes und der damit verbundenen Allokationsfunktion auch noch die schlichte Preisbildungsfunktion des Marktes.

     

    Hier könnte ein nahezu allwissender Planer natürlich durchaus die „wahren“ Knappheitsverhältnisse und Gewinnsituationen in einer Volkswirtschaft kennen. Doch solange es Eigentumsfreiheit gibt, wird es Börsenmärkte geben, die jeder zentralen Planung immer wieder eine lange Nase zeigen werden.

     

    Denn was nützt ein zentrales Wissen, wenn alle Handlungen in einer Volkswirtschaft wie in einer Gesellschaft stets vom Einsatz des Geldes privater Wirtschafter getragen werden? Denn so sind es immer deren Einschätzungen, die maßgebend sind.

     

    Die freien Märkte und vor allem die liberalisierten Börsen- und Finanzmärkte sind in der letzten Zeit oft gescholten worden (auch von mir). Vielleicht jedoch werden sie sich einmal genau umgedreht nicht als unser Untergang, sondern als unsere Retter vor dem Regiment von Big Brother erweisen.

     

     

     


    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
    Brauchen wir den Markt überhaupt noch? Big Brother ante portas?