Wohnungsmangel ungelöst
Berliner, hört auf, Eure irrwitzigen Enteignungs-Phantasien hinauszuposaunen!
Von der Debatte um eine Enteignung von Immobilienunternehmen geht ein äußerst gefährliches Signal aus. Zudem wird das Problem, dass endlich mehr Wohnungen angeboten werden müssen, in keinster Weise gelöst.
Diejenigen, die jetzt nach Enteignung schreien, haben die Situation des Marktes nicht verstanden. Abgesehen davon, dass das System Enteignung schon einmal in der deutschen Geschichte auftauchte und abblitzte, bietet es auch heute keine tragfähigen Lösungen für die Wohnungskrise an.
Schauen wir uns die extreme Notsituation auf dem Berliner Wohnungsmarkt an, die Auslöser der wahnwitzigen Debatte um Enteignungen ist. Folgt man Harald Simons, Vorstand des Forschungsinstitut empirica und Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule für Wirtschaft, Technik und Kultur Leipzig, sind die Mieten in Berlin in der Tat sehr stark angestiegen. Im aktuellen "Spiegel"-Interview mit Simons ist von 90 Prozent Mietsteigerung in zehn Jahren die Rede. Bei dieser drastischen Zahl muss man zwei Faktoren einrechnen: Zum einen lag das Mietniveau in Berlin laut Simons vor zehn Jahren auf "dörflichem Niveau". Zum anderen ist die Nachfrage viel stärker als das Angebot gewachsen. Und genau hier liegt das Problem. Es ist viel zu wenig Wohnraum vorhanden, um die Nachfrage zu decken. An dieser Stelle kommt zum ersten Mal die Frage auf, ob Enteignungen das Problem von viel zu wenig Wohnungen lösen werden.
Nur eine Lösung
Die einzige Lösung, die auch langfristig zur Entzerrung der extremen Marktsituation beitragen wird, ist einfach: Es muss mehr Wohnraum her. Die gute Nachricht ist, dass die Neubauzahlen in Berlin von 3700 in 2008 auf aktuell 15.700 gestiegen sind. "Das Problem ist nur, dass im gleichen Zeitraum die Nachfrage noch stärker gewachsen ist. Der Wohnungsmarkt ist leider sehr träge. Es dauert halt seine Zeit, bis Wohnungen geplant, genehmigt und gebaut sind - insbesondere in Berlin", erklärt Simons die Faktoren, die zum Flaschenhals auf dem Wohnungsmarkt geführt haben.
Man kann die Wut der Berliner Mieter, die unter den teilweise explodierenden Mieten leiden, sehr gut verstehen. Die schwarzen Schafe unter den Vermietern nutzen jede Chance, um den außergewöhnlich starken Wohnungsmangel auszunutzen. Perfide Methoden von Vermietern wie unsaubere Modernisierungsumlagen, fragwürdige Verwertungskündigungen oder Schmu bei der Energetischen Sanierung sind Stichworte, die vielen Mietern das Leben schwer machen. Für solche Fälle sind Gerichte zuständig. Aber führen Enteignungen von Immobilien-Besitzern zum Ziel, Mietwucher und andere unsaubere Methoden abzustellen?
Wenn man die wirren Enteignungspläne weiterspinnt: Wen von der sehr bunten Masse der Vermieter soll man denn enteignen? Die Deutsche Wohnen, die laut Simons nur 6,8 Prozent des Berliner Wohnungsmarktes besitzt? Oder zum Beispiel die Unternehmer-Familie, die in drei Mietshäuser investiert hat? Wie man das Blatt auch wendet, es kommt einfach kein zwingendes Pro-Enteignungsargument heraus. Das Problem Wohnungsmangel bleibt ungelöst.
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Hilflose Argumente
Schließlich wirkt es äußerst hilflos, wenn die Enteignungsbefürworter aufgrund des Mangels guter Argumente jetzt auch noch das Grundgesetz heranziehen und den Artikel 15 vorschicken: "Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden." Wird der Berliner Senat die Wohnungsnot durch einen Haufen enteignete Wohnungen, die womöglich nur einen Bruchteil des Berliner Gesamtmarktes ausmachen, lösen können?
Enteignung ist kein Beschleuniger, sondern eine Bremse bei allen Bemühungen, die Extremsituation zu entspannen. Wird man noch länger diesen als Klassenkampf verkleideten Enteignungsirrsinn in die Welt hinausposaunen, werden die, die das Geld haben, um mehr Wohnungen zu bauen, fortbleiben und sich Standorte suchen, wo ihr Eigentum nicht in Gefahr ist und sich in Ruhe wirtschaften lässt.
Es hilft nichts, es muss mehr Wohnraum her. Die Lösung liegt in der Mitte. Jede Seite muss einen Teil zur Lösung beitragen: Die Berliner sollten sich endlich mehr Gebiete für Neubauten oder Nachverdichtungen abbringen. Der Senat muss schneller genehmigen. Vermieter sollten bei den Mietpreisen die Wucherkarte stecken lassen, um irrsinnige, emotionale Debatten und langwierige Gerichtsprozesse zu vermeiden. Mieter sollten aufhören, dass Recht auf Eigentum in Frage zu stellen. Und nicht zuletzt müssen die Investoren weiterhin darauf vertrauen, dass in Berlin nicht enteignet wird.
wallstreet:online Redaktion
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