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    Interview mit Thomas Schuchardt  5957  0 Kommentare Gigaset: "Das Ruder ist bereits neu ausgerichtet"

    Vor wenigen Tagen hat Gigaset neue Jahreszahlen vorgestellt, die die ehrgeizigen Ziele nicht vollständig erfüllt haben. Im Gespräch mit den Redaktionen von wallstreet:online und 4investors.de spricht Thomas Schuchardt, Finanzdirektor der Gigaset Communications GmbH, über die Hintergründe. Er geht zudem auf die Strategie und die Visionen der Gesellschaft ein. Die Prognose für 2019 und das Internet der Dinge (IoT) sind weitere Themen im Interview mit Finanzdirektor Schuchardt.

     

    Seit 2014 habe ich mit den Finanzvorständen Blum, Dorn, Doerr und Mathys gesprochen. Jetzt sind sie seit Jahresbeginn Finanzdirektor der Gigaset Communications GmbH. Ist der Posten des Finanzchefs ein Schleudersitz bei Gigaset?

     

    Schuchardt: Gigaset hat in den letzten Jahren große Veränderungen durchlebt, eine tiefgreifende Restrukturierung, den Aufbau der neuen Bereiche Smart Home und Smartphones oder die Herausforderungen, die der sich schnell wandelnde Telekommunikationsmarkt und die Digitalisierung mit sich bringen. In so einem Umfeld sind Veränderungen auch im Management etwas ganz Normales. Aber lassen Sie uns lieber nach vorne schauen und über die Zukunft sprechen, da warten spannende und langfristige Aufgaben, gerade im Finanz-Umfeld.

     

    Und was wollen sie anders machen als ihre Vorgänger?

     

    Schuchardt: Ich kann Ihnen nicht sagen, was ich anders machen will, ich kann Ihnen nur sagen, was ich machen will. Ich will, dass Gigaset bei einem mittel- bis langfristigem Umsatzwachstum profitabel ist. Dies kann nur gelingen, wenn wir an den richtigen Stellen die richtigen Investitionen tätigen. Dafür gilt es vor allem eine Finanzierungsgrundlage zu schaffen und dann im operativen Betrieb die Finanzierung fortlaufend sicherzustellen. Das ist eine der wichtigsten Aufgaben, an denen ich mit meinem Team arbeiten werde.

     

    Im November haben sie eine Umsatzwarnung ausgesprochen, der Kurs hat daraufhin neue Tiefen ausgelotet. Wie erklären Sie diesen rapiden Kursverfall?

     

    Schuchardt: Ende letzten Jahres mussten wir unsere ehrgeizige Umsatzprognose, bei Einhaltung der sonstigen Finanzkennzahlen, adjustieren. Allerdings hat die negative Kursbewegung nicht deswegen eingesetzt, sondern erst in Kombination mit dem Ausscheiden meines Vorgängers. Diese beiden Ereignisse wurden vom Markt interpretiert und führten zu entsprechenden Kursbewegungen.

    Thomas Schuchardt, Finanzdirektor Gigaset AG.

     

    Wenn man sich die Zahlen des Jahresabschlusses anschaut, dann hauen diese die Anleger ebenfalls nicht vom Hocker. Kommt da noch etwas oder wird Gigaset zur Story ohne Happyend?

     

    Schuchardt: Wir haben uns – obwohl wir uns mitten in einem großen Umbruch befinden – für 2018 ehrgeizige Ziele gesetzt und diese nicht völlig erfüllen können. Aber wir konnten in den jungen Bereichen Smart Home, Smartphones sowie bei Professional durchweg Umsatzsteigerungen gegenüber 2018 erreichen. Wichtiger noch: die Gigaset Gruppe kann das dritte Jahr in Folge ein positives Gesamtergebnis verzeichnen. Ich denke, das sind sehr gute Indikatoren. Und dennoch bin ich ganz bei Klaus Weßing, der bei seinem Antritt als CEO Ende 2015 ganz klar einen neuen Realismus formuliert hat. Wir wollen Schritt für Schritt arbeiten, denn das Unternehmen muss sich neu erfinden und unsere operative Strategie muss sich in den kommenden Jahren weiter verfestigen. Wir folgen einer klaren strategischen und produktseitigen Richtung, die bis 2025 definiert ist. Bei Gigaset geht es um einen Marathon und keinen Sprint.

     

    Sie bezeichnen Gigaset also als Anlagechance?

     

    Schuchardt: Ja, das tue ich. Wir haben doch eine gute Ausgangsposition. Wir haben eine starke Marke und ein exzellentes, weltweit aufgestelltes, Vertriebsnetzwerk. Wo andere Unternehmen sich jetzt Gedanken über Reshoring machen, hat es Gigaset im letzten Jahr bereits vorgemacht und das erste Smartphone „Made in Germany“ auf den Markt gebracht. Auch die Finanzierung steht. Wir haben gerade eine entsprechende Finanzierung über 20 Millionen Euro erhalten, um unsere Zukunftsthemen auf den Weg zu bringen. Investitionen sind der Motor für die Zukunft. Das beeinflusst ab und zu die Kennzahlen und der Weg führt nicht immer geradewegs ans Ziel, aber wir sind auf Kurs. Das hat auch der Kapitalmarkt nach der Delle letzten Dezember verstanden. Vom damaligen Tiefpunkt hat sich der Wert der Anteilsscheine bereits mehr als verdoppeln können.

     

    Wie wollen Sie das Ruder denn konkret herumreißen?

     

    Schuchardt: Das Ruder ist bereits neu ausgerichtet. Ich möchte eher ein anderes Bild zum Vergleich heranziehen: Von uns wird erwartet, bei voller Fahrt erstklassige Ergebnisse zu zeigen und gleichzeitig das Boot umzubauen. Wir geben unser Bestes, aber ich denke, der Vergleich zeigt, warum es auch mal etwas dauern kann. Unser Ziel ist es – als Antwort auf den marktbedingten Rückgang im Phones Segement – den Umsatz in den neuen Segmenten in den kommenden Jahren konstant zu steigern und bei parallelen Investitionen in die Zukunft unterm Strich ein positives Ergebnis zu erzielen.

     

    Wagen Sie schon eine Prognose für 2019?

     

    Schuchardt: Gigaset setzt seine 2016 gestartete operative Strategie in 2019 unverändert fort. Der unternehmerische Fokus liegt auf der Erweiterung des Produktportfolios bei gleichzeitiger Absicherung des Phones-Geschäfts. Wir befinden uns unverändert in einer Transformationsphase hin zu einem digitalisierten Produktportfolio. Entsprechend werden Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen „mit Augenmaß“ steigen. Mit Blick auf die Kompensation des eingeplanten Marktrückgangs im Bereich Phones, der durch den Zugewinn von Marktanteilen gedämpft werden soll, sowie dem Ausbau der Aktivitäten und des Umsatzwachstums in den Bereichen Smartphones, Smart Home und Professional, erwarten wir für das Geschäftsjahr 2019 eine leichte Steigerung des Umsatzes gegenüber 2018, eine deutliche Verbesserung des Free Cash Flows sowie ein EBITDA auf Vorjahresniveau, bedingt durch Investitionen in die Zukunft, z.B Marketing- und Entwicklungskosten.

     

    Warum sollten Anleger ihre Aktien denn kaufen? Gibt es die entsprechende Perspektive bei Gigaset, ist eine Trendwende in Sicht?

     

    Schuchardt: Das habe ich ja bereits angesprochen. Wir haben die Anlagen für eine erfolgreiche Zukunft. Die Gigaset Aktie hat zum Jahresstart 2019 einen beeindruckenden Rebound verzeichnet. Wir haben dem Markt die aktuelle Umbruchsituation aktiv und offen kommuniziert und die angepassten Vorhersagen eingehalten. Der Umbau von Gigaset zu einem integrierten Hardware-, Software- und Servicedienstleister ist auf Kurs. Im weiteren Jahresverlauf werden neue Produkte weitere positive Impulse setzen.

     

    Apple stellt Smartphones her, die Kultstatus haben. Bei Gigaset gibt es einen Vertrag mit Bayern München, die Testberichte lesen sich meist ganz gut, doch vom Kult ist man weit entfernt. Fahren sie eine falsche Strategie?

     

    Schuchardt: Wir sind von unserer Strategie überzeugt. Wir wissen aber, dass es noch viel zu tun gibt. Der Smartphone-Markt ist hart umkämpft – sowohl im niedrigen, als auch im hohen Preissegment. Aber ich denke, unsere Bilanz kann sich soweit sehen lassen. Wir haben quasi aus dem Stand im ersten Jahr über 20 Millionen Euro mit unseren Smartphones erwirtschaftet und dies auch im letzten Jahr erreicht. Wir haben ganz neue Impulse im Bereich Innovation gesetzt und dank modernster Fertigungsmethoden auf Industrie 4.0 Basis das erste Smartphone in Deutschland produziert, zur Serienreife und auf den Markt gebracht. Unser Marktanteil liegt nach Markteinschätzung inzwischen im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Wir haben uns also schon zu einer gewissen Größe entwickelt.

     

    Wie sehr zieht das Smartphone „Made in Germany“?

     

    Schuchardt: Wir sind für das erste Jahr nicht unzufrieden, denn „Made in Germany“/„Made in Bocholt“ zieht vor allem, weil es nicht nur ein Werbeslogan ist. Wir stellen unsere übrigen Produkte bereits seit 1942 in Bocholt her. Die wahren Themen sind jedoch Qualität, Nutzen und Innovation.

     

    Müssen sie internationaler agieren, um erfolgreicher zu werden?

     

    Schuchardt: Unsere Produkte können in über 50 Ländern weltweit erworben werden. Ich denke daher, wir sind international gut aufgestellt. Zusätzlich richten wir die Augen auch auf für uns neue Märkte wie z.B. Lateinamerika oder die USA. Voraussetzung dafür ist aber natürlich, ein komplettes Produktportfolio für diese Märkte zu haben, Stichwort ganzheitlicher, digitaler Lösungsanbieter. Dies kombiniert mit individuellen Markteintrittsstrategien bietet für Gigaset dann die Möglichkeit weiter zu expandieren.

     

    Wie sehen denn ihre Visionen für eine erfolgreiche Gigaset aus?

     

    Schuchardt: Gigaset steht für Telefonie und Kommunikation. Wir sind die Nummer 1 in der Telefonie und wir wollen die Nummer 1 für ein integriertes Eco-System werden, in das alle Kommunikationsmittel eingebunden werden können. Von der privaten bis zur geschäftlichen Telefonie, von Smart Home bis Smartphone. Das Gigaset Eco-System soll alle eigenen Produktbestandteile sowie relevante, ergänzende Produkte von Dritten nahtlos und komfortabel für den Kunden nutzbar machen und Gigaset somit zu einem digitalen Lösungsanbieter machen.

     

    Sie stellten jüngst das GS280, den smart speaker L800HX, den smart thermostat und eine Kooperation für eine Smartphone Reparatur vor. Sind das die großen Impulsgeber für die Zukunft? Oder was haben sie Interessantes in der Pipeline?

     

    Schuchardt: All die Themen, die Sie gerade genannt haben, zeigen, wie sehr wir uns verändern. Das sind alles digitale Themen. Das Schlagwort lautet „IoT - Internet der Dinge“. Schon in naher Zukunft werden nahezu alle Geräte verbunden und unabhängig vom Aufenthaltsort zu steuern sein. Lautsprecher und Thermostate sind dabei nur zwei Produkte von sehr vielen. Entscheidend ist, dass wir in diesem Bereich die Marke Gigaset klar positionieren. Dabei kommt es nicht nur auf die Hardware an, sondern vor allem auf eine zuverlässige Software. Das Gigaset Eco-System entsteht und verdichtet sich und dazu haben wir noch eine Menge neuer Produkte für 2019 in der Pipeline. Wie bereits angesprochen, ist unsere Strategie bis 2025 gesetzt und mit Produkten unterfüttert, die wir nun schrittweise auf den Markt bringen werden.

     

    Das Handelsvolumen mit Gigaset-Aktien ist meist beschränkt. Müsste sich ihr Großaktionär von Papieren trennen, um die Aktie interessanter zu machen?

     

    Schuchardt: Aus meiner Sicht bilden Ankerinvestoren Vertrauen. Das niedrige Handelsvolumen ist damit eher ein Zeichen dafür, dass unsere Aktionäre Vertrauen in uns haben. Ich denke, wir sollten weiter an unserem Dialog mit dem Kapitalmarkt arbeiten. Wir müssen die Vision von Gigaset besser darstellen und Menschen mit auf die Reise nehmen. Wir haben uns bisher zu sehr auf die reinen Finanzdaten konzentriert – aber geht es an der Börse nicht vielmehr um die Träume von Morgen als um die Zahlen von heute?

     

    Der Kurs der Aktie ist seit dem Interview mit ihrem Vorgänger von über 70 Cent auf 0,18 Cent im Dezember gesunken und notiert zuletzt um die 0,45 Cent. Ist im Aktienkurs zu viel Panik und Unsicherheit eingepreist oder zeigt dieser einen realistischen Wert an?

     

    Schuchardt: Ich sehe Gigaset als klar unterbewertet. Der aktuelle Aktienkurs hat nichts mit unserem inneren Wert zu tun. Aber letztlich bestimmt immer der Markt den Wert – da zählen keine Einzelmeinungen. Wir müssen mehr über die Themen von Morgen sprechen und das Potential von Gigaset aufzeigen. Dann wird der Aktienkurs sich automatisch positiv verändern.

     

    Werden Sie an der Fremdkapitalquote von rund 90 Prozent arbeiten? Das könnte einige Investoren ansonsten nervös machen.

     

    Schuchardt: Ja, zukünftige Erträge und gezielte Maßnahmen, an denen wir bereits arbeiten, werden dafür sorgen, dass die Finanzstruktur von Gigaset optimal aufgestellt ist.

     

    Brauchen sie im Jahresverlauf frisches Geld?

     

    Schuchardt: Nein, Gigaset ist solide aufgestellt! Wir verdienen Geld. Unsere Produktpipeline ist gut gefüllt, wir haben im letzten Jahr eine Finanzierung über 20 Millionen Euro für neue Produkte erhalten und durch zukünftige Synergieeffekte, die im Kontext unseres Eco-Systems entstehen werden, werden wir in der Lage sein, weitere Potentiale zu heben.

     

    Im Mai können Investoren sie auf der Konferenz des Equity Forums in Frankfurt erleben, das hat es lange nicht mehr gegeben. Ändern sie ihre Strategie?

     

    Schuchardt: Nicht die Strategie selbst, lediglich die Kommunikation rund um die Strategie. Wir wollen unsere Kommunikation mit dem Kapitalmarkt ausweiten und unsere Strategie und Zukunftsvision kommunizieren. Dazu wollen wir unsere IR-Aktivitäten zukünftig intensivieren. Wir sind gespannt, wie die Besucher des Forums auf unser Angebot reagieren werden – ich selbst freue mich auf die Teilnahme.

     

    Auf den Punkt gebracht – für wen eignet sich ein Investment in die Gigaset AG?

     

    Schuchardt: Für Anleger, die diversifiziert investieren und einen langfristigen Anlageplan verfolgen. Interesse an Technologie, Veränderung und daher eine gewisse Risikobereitschaft können nicht schaden…

     

     

    Dieses Interview ist eine Kooperation von wallstreet-online mit der Redaktion von https://www.4investors.de/




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