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    ROUNDUP 3  297  0 Kommentare Herbe Verluste für deutsche Koalitionsparteien bei Europawahl

    (durchgehend aktualisiert)

    BERLIN (dpa-AFX) - Debakel für die Parteien der großen Koalition: Union und SPD haben bei der Europawahl in Deutschland Hochrechnungen zufolge historisch schlecht abgeschnitten. Trotzdem bleiben CDU und CSU zusammen stärkste Kraft. Die Sozialdemokraten dagegen fallen auf den dritten Platz. Erstmals bei einer bundesweiten Wahl kommen die Grünen auf den zweiten Rang, sie können über satte Zugewinne bei der Abstimmung am Sonntag jubeln. Die EU-skeptische AfD verbessert ihr Europawahl-Ergebnis deutlich, bleibt aber unter ihrem Ergebnis von der Bundestagswahl 2017.

    Die Einbußen der Regierungsparteien dürften der Frage nach der Stabilität des schwarz-roten Bündnisses in Berlin neue Brisanz verleihen. Denn hinzu kommt: Wie bei der Europawahl verloren die Sozialdemokraten auch bei der zeitgleichen Landtagswahl in Bremen stark - der Stadtstaat war immer eine rote Hochburg. Die CDU lag dort nach Prognosen 1 bis 2 Prozentpunkte vor der SPD.

    Bei der Europawahl schnitten Union und SPD so schlecht ab wie nie zuvor bei einer bundesweiten Wahl. Die Union von CDU und CSU erreicht nach Hochrechnungen von ARD und ZDF 28,1 bis 28,6 Prozent - etwa sieben Punkte weniger als bei der Europawahl 2014 (35,4 Prozent) und auch schlechter als bei der jüngsten Bundestagswahl (32,9 Prozent).

    Die SPD stürzt auf 15,3 bis 15,7 Prozent ab. Das sind rund zwölf Punkte weniger als bei der vorherigen Europawahl (27,3 Prozent) und noch schlechter als bei der Bundestagswahl (20,5 Prozent).

    Die Grünen legen den Hochrechnungen zufolge auf 20,9 Prozent zu - gut zehn Punkte mehr als bei der Europawahl vor fünf Jahren (10,7 Prozent). Die AfD kommt auf 10,6 bis 10,8 Prozent (2014: 7,1 Prozent). Die Linke liegt bei 5,4 bis 5,5 Prozent (2014: 7,4 Prozent), die FDP bei 5,4 Prozent (2014: 3,4 Prozent). Auf andere Parteien entfallen 13,6 bis 13,8 Prozent.

    Die Wahl war der erste Stimmungstest für die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer seit ihrem Amtsantritt im Dezember, Kanzlerin Angela Merkel hatte sich weitgehend aus dem Wahlkampf herausgehalten. Kramp-Karrenbauer sagte, das Ergebnis entspreche nicht dem Anspruch der Union als Volkspartei. CSU-Chef Markus Söder fordert ein strategisches Umdenken der Union: "Die große Herausforderung der Zukunft ist die intensive Auseinandersetzung mit den Grünen", sagte Söder im Bayerischen Fernsehen.

    Die SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles bezeichnete das Ergebnis als "schmerzlich". Generalsekretär Lars Klingbeil sagte: "Das Ergebnis kann nicht ohne Folgen bleiben." Bei den Sozialdemokraten dürfte sich nun der Druck auf Nahles weiter erhöhen. Fraktionsvize Achim Post und Ex-Kanzlerkandidat Martin Schulz wird nachgesagt, sich bereits für ihre Ablösung an der Fraktionsspitze im Bundestag warmzulaufen. Vizekanzler Olaf Scholz sagte der ARD jedoch: "Der Ruf nach personellen Konsequenzen führt nicht weiter".

    Den innerparteilichen Gegnern der großen Koalition um Juso-Chef Kevin Kühnert liefern die Niederlagen neue Argumente. Eine Kabinettsumbildung wird es auf jeden Fall geben, weil Justizministerin und SPD-Spitzenkandidatin Katarina Barley ins EU-Parlament wechselt. Ob noch mehr Posten neu verteilt werden, wird sich in den nächsten Tagen zeigen.

    Die Grünen bezeichneten ihr historisch gutes Ergebnis als "Signal für mehr Klimaschutz". AfD-Chef Alexander Gauland sprach von einem "schwierigen Wahlkampf" für seine Partei. Angesichts dessen sei er mit dem Ergebnis zufrieden, sagte er im ZDF. FDP-Chef Christian Lindner sah seine Partei als "kleinen Wahlgewinner". Der Linke-Spitzenkandidat bei der Europawahl, Martin Schirdewan, äußerte sich unzufrieden mit dem Abschneiden seiner Partei.

    Die Wahlbeteiligung lag Berechnungen zufolge bei 59,0 bis 60,0 Prozent - ein deutlicher Sprung nach oben: vor fünf Jahren waren es 48,1 Prozent. "Die europäische Demokratie lebt", sagte der Spitzenkandidat der europäischen Christdemokraten, Manfred Weber. Diesmal waren in Deutschland 64,8 Millionen Menschen wahlberechtigt.

    Wichtige Themen im Wahlkampf waren Klimaschutz, Mindestlohn, die Besteuerung von Internetkonzernen sowie die Migrationspolitik und die Internet-Urheberrechtsdebatte. Bestimmt war er auch von Sorgen vor einem Erstarken von Rechtspopulisten, EU-Skeptikern und Nationalisten.

    Auch europaweit haben Christdemokraten und Sozialdemokraten nach einer ersten Prognose der ARD verloren. Einige rechte Parteien haben dagegen hinzugewonnen. Den Trend für die 28 EU-Staaten veröffentlichte die ARD am Sonntagabend.

    Die EU-kritische AfD will im Europaparlament eine neue Fraktion mit anderen Rechtspopulisten wie der italienischen Lega und der französischen Partei Rassemblement National bilden. Kurz vor der Wahl war die mit der AfD verbündete FPÖ in Österreich durch die Ibiza-Affäre massiv unter Druck geraten. In Deutschland sah sich zuletzt vor allem die CDU scharfer Youtuber-Kritik ausgesetzt. Zudem hatten in den vergangenen Monaten Zehntausende junge Aktivisten bei den Fridays-for-Future-Protesten für mehr Klimaschutz demonstriert.

    Nach den Hochrechnungen verteilen sich die 96 deutschen Sitze im EU-Parlament so: CDU/CSU 28 bis 29 Mandate, SPD 15 bis 16, Grüne 21, AfD 11, Linke 5, FDP 5, auf andere Parteien entfallen demnach 10, darunter jeweils 2 für die Freien Wähler, die Tierschutzpartei und die Satirepartei Die Partei. Bei der Europawahl gilt in Deutschland keine Fünf-Prozent-Hürde.

    Das Europaparlament hat wichtige Kompetenzen in der EU-Gesetzgebung und muss unter anderem dem jährlichen EU-Haushalt zustimmen. Es spielt auch eine wichtige Rolle bei der Bestimmung des neuen EU-Kommissionspräsidenten./seb/DP/fba





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