Weltautokrise: Autopapst Dudenhöffer attestiert Krisenmodus
Die vom US-Präsidenten Donald Trump ausgelösten Zollkriege und Sanktionen
treiben den Weltautomarkt immer tiefer in die Krise. Im Jahr 2019 wird die Nachfrage
nach Neuwagen weltweit um mehr als vier Millionen Verkäufe schrumpfen. So
erheblich war der Rückgang selbst in der Weltfinanzkrise 2008 und 2009 nicht. Derzeit
erleben wir den größten Einbruch des Weltautomarkts seit mehr als 20 Jahren. Setzt
der US-Präsident seine jüngste Drohung um, weitere US-Importe im Volumen von 300
Milliarden Dollar mit Strafzöllen zu belegen, besteht die Gefahr einer Weltautokrise.
Die Pleite der US-amerikanischen Großbank Lehman Brothers am 15. September
2008 war Ausgangspunkt der Weltfinanzkrise, die deutliche Spuren im Weltautomarkt hinterließ. In der Folge mußten GM und Chrysler Insolvenz nach Chapter 11 des USHandelsrechts melden. Am stärksten
war damals der US-Automarkt von 16,1 Millionen Fahrzeugen im Jahre 2007 auf 10,4 Millionen Neuwagenverkäufe im Jahre 2009 zusammengebrochen. Weltweit konnte China einen wichtigen Teil des
US-Einbruchs gutmachen, so dass der Weltautomarkt auf 56,2 Millionen Neuwagenverkäufe zurückging, wie Abb. 1 zeigt.
Automarkt China seit 12 Monaten im Minus
Das Jahr 2019 wird weltweit für die Autoindustrie mit mehr Stress verbunden sein als
2009. Nach unserer eher konservativen Prognose werden 2019 die Fahrzeugverkäufe
weltweit um mehr vier Millionen Neuwagen gegenüber dem Vorjahr zurückgehen. Das
ist global ein doppelt so großer Rückgang wie mitten in der Weltfinanzkrise. Einer der
Hauptauslöser sind die großen Unsicherheiten durch die Zollkriege und Sanktionen
der US-amerikanischen Regierung unter Präsident Donald Trump. Am stärksten ist
China betroffen. In den ersten vier Monaten sind die Fahrzeugverkäufe um 15%
eingebrochen. Auch im Mai brach der chinesische Automarkt um 13% auf 1,61
Millionen Neuwagenverkäufe gegenüber dem Vorjahresvergleichsmonat ein. Damit
war der Neuwagenmarkt in China im 12. Monat hintereinander im Minus. Zwar plant
die chinesische Regierung Maßnahmen zur Belebung, etwa die verzögerte Einführung
von Euro 6 Emissionsvorschriften, aber selbst bei Abfederung des Rückgangs muß
über das Jahr mit einem Absatzeinbruch von mehr als zehn Prozent in China
gerechnet werden.
China-Probleme: Deutlichere Auswirkungen in Q2 erwartet
Die Auswirklungen auf die Geschäftszahlen der Autobauer werden sich erst im zweiten
Quartal deutlicher zeigen, denn in den ersten drei Monaten des Jahres konnten
Autobauer wie BMW, Volvo-cars oder Toyota den Rückgang in China noch überbrücken. Bei der Geschwindigkeit des Marktrückgangs in China und der Eskalation des
Handelskriegs werden die Q2-Ergebnisse Aktionären und Investoren wenig Freude bereiten. Dies gilt auch für die USUnternehmen GM, Ford und Tesla. Dabei befindet gerade Tesla derzeit in einem sehr
schwierigen „Fahrwasser“. Zusätzlich hat die chinesische Regierung von sogenannten „schwarzen Listen“ von US-Unternehmen gesprochen. Damit könnte den US-Autobauern und Zulieferern zusätzlicher
Ärger ins Haus stehen. Das Hauptkrisengebiet im weltweiten Automarkt ist derzeit China. Kurzfristige Entlastungen durch Exporte aus China sind nicht vorstellbar. In China erzielten die Autobauer in
den letzten 20 Jahren ein Großteil ihrer Gewinne. Deshalb hat man mit Macht den Kapazitätsausbau im Reich der Mitte vorangetrieben. So steigerten sich im 5-Jahres-Zeitraum 2013 bis 2017 die
Neuwagenverkäufe in China jährlich um 10% (CAGR). Dies ist eine sehr hohe Wachstumsgeschwindigkeit. Kein wichtiger Autobauer konnte sich erlauben, seine Produktionskapazitäten in China nicht mit
hohen jährlichen Steigerungsraten kontinuierlich auszubauen. Unterstellt man lediglich eine Kapazitätsausbauplanung für die Zeit ab 2017 von fünf Prozent pro Jahr, liegen heute Überschuss
Kapazitäten von sechs Millionen Neuwagen in China vor.
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Brasilien einziger Markt mit Wachstum
Wie fragil die Situation ist zeigt die Übersicht über die 15 größten Automärkte in Abb. 3. In den ersten vier Monaten konnte lediglich der sehr volatile Markt Brasilien Zuwachs verbuchen. Andere lateinamerikanische Märkte wie Argentinien oder Uruguay hatten Nachfrageeinbrüche von 58% bzw. 21% zu verkraften. Mexiko mußte 5% Rückgang hinnehmen. Besserung in diesen Märkten ist kaum in Sicht.
Extrem verläuft auch der fortgesetzte Einbruch des Automarkts in der Türkei mit 47%
Rückgang in den ersten vier Monaten. Und auch der Wachstumsmarkt Indien leidet
unter der schwierigeren Weltkonjunktur, die durch Zollkriege, Sanktionen und
unberechenbare Vorwürfe gegenüber Unternehmen wie Huawei belastet werden. Die
Autonachfrage in Indien ist in den ersten vier Monaten um 5% zurückgegangen.
Der Autoweltmarkt war in den letzten zehn Jahren sehr intensiv an das Wachstum in
China geknüpft. Mit dem Wachstumseinbruch in 2018 und 2019 entstehen neue Risiken. Fällt das Wachstum in China über einen mehrjährigen Zeitraum aus, muß man
mit einer gefährlichen Krise der Weltautoindustrie rechnen.
CO2-Regulierung steigert Risiko
In unserer Prognose unterstellen wir, dass sich im zweiten Halbjahr die Probleme in
wichtigen Märkten wie etwa China abschwächen. Dies ist ein eher optimistisches
Szenario, insbesondere vor den neuen Drohungen des US-Präsidenten Donald
Trump, auf 300 Milliarden Dollar US-Importe aus China zusätzlich Strafzölle zu
erheben. Und selbst wenn es in den nächsten Monaten zu einer Art „Waffenstillstand“
käme, ist keineswegs sicher, dass der US-Präsident mögliche Unterstützungen durch
China bei weniger geliebten Ländern, wie etwa dem Iran, erneut zum Anlass für
Strafzölle nehmen würde.
Unberücksichtigt bei all den Überlegungen sind keine weiteren Verschlechterungen
der englischen Konjunktur bei einem angedrohten nicht-geordneten BREXIT.
Unberücksichtigt sind ebenfalls mögliche Strafzölle für Autoimporte aus Europa nach
USA. Unberücksichtigt sind auch noch Verschärfungen einer italienischen Finanzkrise
aufgrund der hohen Staatsverschuldungen.
Das Krisenszenario könnte kaum größer sein. Damit ist das Risiko groß, daß der
Weltautomarkt im Jahr 2019 weiter unter die prognostizierten 79,5 Millionen
Neuwagen fällt. Im Jahr 2019 wird durch politisch-konjunkturell bedingte Ereignisse
der Automobilindustrie wesentlich Ertrag und Liquidität entzogen. Die Industrie verfällt
in einen Krisenmodus. Die großen Herausforderungen der nächsten Jahre – wie etwa
der kostenintensive Hochlauf der Elektromobilität – verstärkt den Druck. Die Autobauer
sind gezwungen, in Europa nach 2021 im größeren Umfang Elektroautos zu
vermarkten, um hohe Strafzahlungen zu vermeiden. Bei den derzeit diskutierten
Preisen – wie etwa 29.900 Euro für einen Einsteiger elektrischen Opel Corsa – wird
man die notwendigen Verkaufsvolumen nicht erreichen. Also muß „quersubventioniert“ werden. Das Jahr 2019 wird damit Ausgangspunkt einer neuen Krise
der europäischen Autoindustrie.
Autor: Ferdinand Dudenhöffer: Der Rückgang im Weltautomarkt wird 2019 größer als nach der Lehmann-Pleite, Juni 2019.