checkAd

    Aktueller Stand  3549  0 Kommentare Vermieter sind die Leidtragenden der Politik?

    Der Mietendeckel hat es in die internationale Presse geschafft. Und vermutlich wird die Idee als nächstes vor dem Gericht geprüft. Mieter und Vermieter sind die Leidtragenden einer explosiven Mischung aus geringer Kaufkraft, beliebtem Betongold und einer von der Politik vernachlässigten sozialen Wohnungsbaupolitik.

    In Berlin fließt, gemessen an der Kaufkraft, jeder zweite Euro in die Miete und die Nebenkosten. Das Einkommen liegt unter dem bundesweiten Mittel von 3.209 Euro. Während in Hamburg das Durchschnittsgehalt bei 3.619 Euro liegt, kommt Berlin auf 3.126 Euro. Für eine Eigntumswohnung muss im Schnitt in Berlin 3.900 Euro pro Quadratmeter bezahlt werden, während die Miete knapp über 10 Euro pro Quadratmeter liegt - in Hamburg liegt die Durchschnittsmiete bei unter 12 Euro.

    Seit 2001 stellt in Berlin die SPD den Bürgermeister. In dieser Zeit wurden Tausende landeseigene Sozialwohnungen verkauft. Nach der Finanzkrise 2008 erstarkte das Interesse an Berliner "Betongold" bei internationalen Anlegern - sie interessierten sich für Neubau- und Bestandswohnungen. Gleichzeitig veränderte Airbnb das Reiseverhalten und zahlreiche Mietwohnungen wurden zu Ferienwohnungen. Erst sehr spät hat der Senat einen Riegel vorgeschoben. Mit dem Zweckentfremdungsverbot sollte den Ferienwohnungen Einhalt geboten werden. Jedoch gibt es einige Ausnahmen, denn sobald ein Vermieter sich registiert hat, kann er seine Wohnung zeitweise als Ferienwohnung vermieten.

    Zu den weiteren Problemkreisen gehört, dass Berlin einen starken Zuzug verzeichnet. Diese Menschen brauchen temporär oder dauerhaft eine Wohnung. Die Stadt wächst jährlich um 40.000 Einwohner. Altmieter ziehen immer seltener um, denn der Wechsel von einer größeren in eine kleinere Wohnung lohnt sich finanziell nicht. Und im Bereich der Eigentumswohnungen sind die Projekte meist vor Baubeginn bereits vollständig verkauft.

    Nun hängt alles daran, ob Berlin mehr Wohnungen für 8 Euro pro Quardratmeter baut oder ob die Vermieter zurückstecken müssen. Eigentlich würde der Menschenverstand zu Neubau tendieren, denn in diesem Bereich gibt es seit Jahrzehnten Erfahrungen mit klaren Richtlinien - Grundstücke und Ideen zum Auf-, Um-, und Anbau sind vorhanden, Bauauflagen könnten angepasst werden. Jedoch um die Klimaziele einzuhalten, dürfte der derzeitige Standard nicht aufgeweicht werden.

    Der nun vorgeschlagene Mietendeckel ist komplettes Neuland - nach dem Motto: `Machen wir doch mal alles ganz anders´ und wenn am Ende noch was kaputt geht, dann ist es halt so. Frau Katrin Lompscher ist sich dieses Risikos auch vollkommen bewusst: "Wir haben hier Neuland". Unterdessen gehen Juristen von einer Klagewelle aus. Ein weiteres juristisches Minenfeld ist die Enteignung von großen bösennotierten Wohnungsunternehmen. Zusammengenommen sendet damit die Berliner Politik ein klares Signal, dass sie lieber bestraft als baut.

    Berlin wird zum juristischen Experimentierfeld, denn wenn Lompschers Ideen bestehen, dann sind ähnliche Ansätze in München, Hamburg und Frankfurt denkbar. Und Hessens SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel bringt bereits einen Mietendeckel für ganz Deutschland ins Spiel.

    Die steigenden Mieten könnten aber auch durch höhere Löhne teilweise ausgeglichen werden. Der gesetzliche Mindestlohn liegt seit dem 1.1.2019 bei 9,19 Euro und ab dem 1.1.2020 bei 9,35 Euro. Anspruch darauf haben weder Auszubildende noch Langzeitarbeitslose während der ersten sechs Monate im neuen Job. In Frankreich liegt der Mindestlohn bei 10,03 Euro, während in Australien 11,98 Euro pro Stunde gezahlt werden müssen. Ein Mindestlohn von 12 Euro wird von SPD und Linke gefordert. Von den Gewerkschaften kam die Idee, dass der Staat die Differenz zwischen aktuellem Mindestlohn und den 12 Euro füllt. Ausgang offen...

    Aber nochmal zum Berliner Wohnungsmarkt. Der Wohnmarktreport Berlin 2019 belegt: Leerstandsquote Geschosswohnungsbau 1,1 Prozent, 103 Postleitzahlgebiete mit Angebotsmieten über 10 Euro pro Quadratmeter, Preissteigerung für Eigentumswohnungen seit 2015 um 38 Prozent. Nur in Teilen von Marzahn-Hellersdorf und Spandau gab es noch Wohnungen für 6 Euro pro Quadratmeter.

    Von 2012 bis 2017 entstanden in Berlin 55.312 neue Wohnungen - die meisten in der "Europacity" in 1-A-Lage. Wie geht es weiter: Im Oktober 2018 waren in Berlin 286 Neubauprojekte in der Entwicklung. In den nächsten Jahren werden somit 42.920 Wohnungen entstehen, wovon 26.110 als Mietwohnungen auf den Markt kommen werden. Die Neubauwohnungen werden nicht unter den geplanten Mietendeckel oder die Mietpreisbremse fallen. Vor diesem Hintergrund sollte das Land Berlin andere Lösungen zur Minderung der Wohnungsnot anstreben.  

    Quellen:

    Berliner Morgenpost

    Wiener Zeitung

    DGB

    Wohnmarktreport





    wallstreetONLINE Redaktion
    0 Follower
    Autor folgen
    Mehr anzeigen

    Melden Sie sich HIER für den Newsletter der wallstreetONLINE Redaktion an - alle Top-Themen der Börsenwoche im Überblick! Verpassen Sie kein wichtiges Anleger-Thema!


    Für Beiträge auf diesem journalistischen Channel ist die Chefredaktion der wallstreetONLINE Redaktion verantwortlich.

    Die Fachjournalisten der wallstreetONLINE Redaktion berichten hier mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus den Partnerredaktionen exklusiv, fundiert, ausgewogen sowie unabhängig für den Anleger.


    Die Zentralredaktion recherchiert intensiv, um Anlegern der Kategorie Selbstentscheider relevante Informationen für ihre Anlageentscheidungen liefern zu können.


    Mehr anzeigen
    Aktueller Stand Vermieter sind die Leidtragenden der Politik? Der Mietendeckel hat es in die internationale Presse geschafft. Und vermutlich wird die Idee als nächstes vor dem Gericht geprüft. Mieter und Vermieter sind die Leidtragenden einer explosiven Mischung aus geringer Kaufkraft, beliebtem Betongold und …

    Schreibe Deinen Kommentar

    Disclaimer