checkAd

    Börsengurus  13776  3 Kommentare Was Müller, Hasler, Hillers, Otte, Hellmeyer und Glaser von Ursula von der Leyen halten

    Welchen Einfluss hat die Wahl von Ursula von der Leyen zur neuen EU-Kommisionschefin auf den Kapitalmarkt? Führende Analysten und Fondsmanager gaben der wallstreet:online-Redaktion zum größten Teil recht ernüchternde Antworten:

    Fondsmanager Dirk Müller, formerly known as "Mr. DAX", winkt ab: "Den Kapitalmärkten ist die Wahl von von der Leyen völlig egal. An der Grundausrichtung der Europapolitik ändert sich ohnehin nichts. Für die weltweiten Kapitalströme ist im Wesentlichen der US-Kapitalmarkt zuständig und deren Akteuren ist ziemlich egal, wer die EU-Kommission gerade führt. Vermutlich wissen die das nicht mal."

    Aus Müllers Sicht ist ein anderer Punkt viel bedeutsamer: "Interessanter ist da eher, dass mit Lagarde die Politik des billigen Geldes und die dafür oft notwendige Rechtsdehnung im Euroraum weitergeht und im Zweifel sogar intensiver als zuvor", so Dirk Müller im Gespräch mit der wallstreet:online-Redaktion.

    Peter Thilo Hasler, Gründer von Sphene Capital und sphaia advisory, stößt in ein ähnliches Horn wie Dirk Müller: "Die Wahl von Frau von der Leyen ist aus meiner Sicht für den Kapitalmarkt völlig irrelevant. Der alten Börsenweisheit, wonach politische Börsen kurze Beine haben, kann ich viel abgewinnen. Man schaue sich nur die letzten Monate an: Ein möglicher Handelskrieg der USA mit China, die dort bereits zu einer spürbaren Abschwächung des Wachstums geführt hat; der nahende Brexit, Streitereien der EU mit Italien… Krisenherde ohne Ende, doch welches dieser Themen hat denn die Kapitalmärkte wirklich nachhaltig bewegt?", fragt Hasler.

    Analyst Hasler gibt Anlegern einen eindeutigen Rat: "Anleger sollten sich von politischen Non-Events also nicht beirren lassen und an ihrer Anlagestrategie festhalten. Schließlich werden 95 Prozent der Wertentwicklung einer Aktie über die Gewinnentwicklung definiert, auf die auch Frau von der Leyen keinen Einfluss hat. Der Rest ist Noise, auf den zu reagieren ein Anleger ohnehin immer zu spät dran ist."

    Ebenfalls recht unbeeindruckt äußert sich Fondsmanager Jens Hillers, CM-Equity AG: "Aus meiner Sicht bringt die Wahl von der Leyens keine wesentlichen neuen Informationen für den europäischen Kapitalmarkt. Die Einflussmöglichkeiten einer einzelnen Person in der insgesamt schwierigen politischen und wirtschaftlichen Gesamtsituation der EU sind sehr begrenzt. Kurzfristig steht die Lösung des Brexit-Themas ganz oben auf der Agenda. Dass sich hier eine neue, pragmatische Haltung der EU durchsetzt wäre wünschenswert, ist aber momentan noch nicht visibel."

    Otte: "In allen politischen Ämtern versagt"

    Lesen Sie auch

    Max Otte, Fondsmanager, kritisiert die Politikerin von der Leyen scharf: "Zunächst einmal ist die Wahl einer Frau, die in all ihren politischen Ämtern versagt hat, kein gutes Zeichen für die EU. Dass dabei noch die groß angekündigte Demokratisierung durch das Prinzip der Spitzenkandidaten torpediert wurde, ist ein weiterer Kollateralschaden."

    Otte sieht eine Menge dringlicher Aufgaben, die noch unerledigt sind: "Auf von der Leyen würden eigentlich große Aufgaben warten: Die Vereinheitlichung der Regeln und Steuern, so dass Konzerne keine Vorteile mehr in Irland oder Luxemburg haben. Die Gründung einer europäischen Ratingagentur, ein Projekt, das vor einigen Jahren schon einmal angestoßen wurde, dann aber aufgrund des politischen Widerstands verebbte. Die Rückgängigmachung der Bankenunion, das heißt, der Enteignung der deutschen Sparerinnen und Sparer. Die EU-weite Einführung einer Steuer auf Internetkonzerne. Die Unterstützung der Frankfurter und Pariser Börsen als Alternativen zu London nach dem Brexit."

    Folker Hellmeyer, Chefanalyst bei Solvecon Invest, geht mehr ins Detail und findet gar positive Aspekte an der Wahl von der Leyens: "Durch die Wahl wird die EU handlungsfähig. Für den Kapitalmarkt ist damit ein von der EU ausgehendes Risiko, dem des Mangels an Handlungsfähigkeit der EU, eliminiert. Das ist positiv für den Kapitalmarkt."

    Wie Max Otte weist Hellmeyer aber auf eine Reihe von Krisenherden hin, die von der EU noch bewältigt werden müssen: "Dennoch bleiben viele Problemherde der EU gegeben, die nachhaltiges Handeln in zeitlicher Nähe erforderlich machen, deren Lösung zumindest partiell aber erst in weiterer Ferne möglich ist. Ergo bleiben elementare Defizite seitens der EU, die die Kapitalmärkte weiter belasten werden, da deren Lösung nicht nur an der Position der EU-Kommissarin hängt. Entscheidend ist, dass sie diese Themen forciert, um Lösungen im Verlauf zu ermöglichen. Im Innenverhältnis der EU geht es darum, Brücken zwischen der Visegrad-Gruppe und dem Rest der EU zu bauen. Die faktische Teilung der EU in elementaren Sektoren der EU-Politik muss überwunden werden, um international eine tragende Rolle spielen zu können. Dazu gehört auch Veränderung der Abstimmungsmodalitäten. Bezüglich des Themas Migration sind die Sorgen der Menschen in der EU bezüglich Überfremdungsangst und innerer Sicherheit ernster zu nehmen, denn die EU hat primär die Interessen der eigenen Bürger zu wahren. Im Fall Brexit gilt eine identische Maxime", so der Analyst.

    Selbstbewusste EU

    Folker Hellmeyer weist verstärkt auf die Eigenständigkeit der EU hin: "Ein regelbasierter Brexit, im Zweifelsfall ohne Deal, muss auf der Agenda stehen. Die EU hat sich nicht UK-Interessen im Rahmen des 'Cherry-Picking' zu unterwerfen. Ansonsten würden die Rechte der Bürger in der EU zu Gunsten des UK nivelliert. Die Bürger der EU wollen und haben einen Anspruch darauf, dass ihre Interessen durch Brüssel gelebt und nicht zu Gunsten Dritter ignoriert werden. Im EU-Erweiterungsprozess muss gelten, dass nur das Land assoziiert wird oder eintreten kann, das die Bedingungen voll erfüllt. Die Fehler der Erweiterung der EU, mit heißer Naht bei Beitritten zu nähen, fällt uns heute vor die Füße. Nur eins von zwölf Ländern erfüllte bei der Osterweiterung die Bedingungen zum EU-Beitritt. Dabei sollte nicht US-Geopolitik der Treiber der EU-Außenpolitik sein, sondern die nachhaltige Interessenlage der EU."

    Hellmeyer fordert eine selbstbewusste Abkehr von den Prämissen der US-Wirtschaftsinteressen: "Im US-Handelskonflikt gilt es, den USA deutlich zu machen, dass sie in der Weltwirtschaft nicht mehr der Treiber sind. Das ist Eurasien. Dort wird der Takt der Weltwirtschaft gesetzt. Dorthin gilt es, sich mit Freihandelsabkommen aufzustellen. Ergo ist eine Emanzipation von den USA, die sich in weiten Teilen von westlichen Werten in ihrer Politik entfernt haben, zwingend notwendig. Die EU sollte von der Rolle der Hanse lernen. Wandelt durch Handel! Handelspolitik ist Friedenspolitik, da sie gemeinsame Interessen forciert. Als EU kann man Mediator zwischen den Blöcken sein. Das passt zu den Werten, für die Europa steht! Absolut notwendig ist der Aufbau des europäischen IT-Airbus, da Big Data elementar für Zukunftsfähigkeit und Souveränität ist. Die Fragestellung, ob man China oder den USA in diesen Feldern vertrauen will oder mag, stellte die Verneinung des Begriffs Verantwortung in den Raum. Mehr Zuversicht als gestern, aber auf keinen Fall Euphorie, darf Raum greifen", meint Folker Hellmeyer.

    "Punkt für Merkel"

    Volker Glaser, Chefredakteur der "Vorstandswoche" beleuchtet die politischen Machtspiele und hebt die Rolle von Bundeskanzlerin Angela Merkel hervor: "Die Wahl hat gezeigt, dass die europäischen Institutionen ungeachtet aller partei- und machtpolitischen Erwägungen handlungsfähig sind. Europa ist in seinen Kernthemen der inneren Organisation handlungsfähig. Das ist die gute Nachricht für die Börse. Die schlechte Nachricht ist eher Geschmackssache, da ja hier das Parlament weitgehend umgangen wurde und das Wahlvolk andere Gesichter am Wahltag zur Auswahl hatte. Glückwunsch an der Stelle an Frau Dr. Merkel. Der Punkt geht an die Bundeskanzlerin. Die 'Verschiebung' von Ursula von der Leyen von der glücklosen Verteidigungsministerin zur Mama Nummer 1 in der EU zeigt, dass unsere Angela Machtpolitik weiterhin perfekt beherrscht. Zittern hin oder her."

    Laut Glaser ist aber die Personalpolitik der Unionsparteien verbesserungswürdig: "Ob 'Uschi' das nun kann, wird sich zeigen. Auf der Bonner Hardthöhe im Verteidigungsministerium hat sie keinen wirklich guten Job gemacht, wie die vielen Pannen bei der Truppe zeigen. Für die Truppe wäre ein Mann mit Diensterfahrung die einzig richtige Lösung. AKK halte ich für eine Fehlbesetzung. Vielleicht sollte sie machtpolitisch aus dem Spiel genommen werden, um Platz für neue Köpfe in der CDU Parteiführung zu machen. Die Ränkespiele der Politik sind für die Börse schwer verständlich und am Schluss vom Tag auch nicht so wichtig", so Glaser im Blitzinterview mit der wallstreet:online-Redaktion.

    Und schließlich weist Glaser wie Fondsmanager Dirk Müller auf das eigentliche Augenmerk der Börsianer hin, das sich auf die Zinspolitik richtet: "Der Laden läuft ist die Botschaft, der Kapitalmarkt wird eher auf die neue Notenbankchefin Lagarde schauen, die ja für ganz leichtes Geld steht. Wir sind gespannt, was das Girls Camp in der EU bringt. Man möge von der Leyen wünschen, wenn sie diesen Mut hat, dass sie den irrsinnigen Bürokratiewahn und Kostenapparat in Brüssel schnell beendet und keinesfalls zahlreiche Berater engagiert, um ihre großen Vorhaben ('Green New Deal') umzusetzen", fordert Glaser.

    Autor: Christoph Morisse




    wallstreetONLINE Redaktion
    0 Follower
    Autor folgen
    Mehr anzeigen

    Melden Sie sich HIER für den Newsletter der wallstreetONLINE Redaktion an - alle Top-Themen der Börsenwoche im Überblick! Verpassen Sie kein wichtiges Anleger-Thema!


    Für Beiträge auf diesem journalistischen Channel ist die Chefredaktion der wallstreetONLINE Redaktion verantwortlich.

    Die Fachjournalisten der wallstreetONLINE Redaktion berichten hier mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus den Partnerredaktionen exklusiv, fundiert, ausgewogen sowie unabhängig für den Anleger.


    Die Zentralredaktion recherchiert intensiv, um Anlegern der Kategorie Selbstentscheider relevante Informationen für ihre Anlageentscheidungen liefern zu können.


    Mehr anzeigen
    Börsengurus Was Müller, Hasler, Hillers, Otte, Hellmeyer und Glaser von Ursula von der Leyen halten Welchen Einfluss hat die Wahl von Ursula von der Leyen zur neuen EU-Kommissionschefin auf den Kapitalmarkt? Führende Analysten und Fondsmanager gaben der wallstreet:online-Redaktion zum größten Teil recht ernüchternde Antworten.