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    Börsen-Zeitung  558  0 Kommentare Rezession im Anmarsch / Kommentar von Kai Johannsen zur Prognosefähigkeit von Zinsstrukturkurven

    Frankfurt (ots) - Wenn Sie derzeit jemanden treffen, der nicht mit
    einer Rezession der US-Wirtschaft und anderer Volkswirtschaften
    rechnet, dann sollten Sie diese Person fragen, ob sie überhaupt weiß,
    was eine Rezession ist. Denn die Signale, die derzeit von den
    Bondmärkten kommen, weisen eindeutig darauf hin, wohin die Reise in
    Sachen Konjunktur geht. Aus Furcht, dass der US-Handelskonflikt nicht
    nur kleinere Blessuren in der Wirtschaft anrichten, sondern ganz
    heftige Beeinträchtigungen der konjunkturellen Entwicklung
    hinterlassen, sprich eine Rezession auslösen wird, steuern die
    Anleger seit Wochen und Monaten sichere Häfen an, also sichere
    Staatsanleihen. Das dadurch ausgelöste Kurs- bzw. Renditebild zeigt
    damit an, worauf sich die Anleger einstellen. In der Vergangenheit
    waren das ausgesprochen sichere Signale für die weitere
    realwirtschaftliche Entwicklung.

    Durch die Käufe sicherer Staatsanleihen werden die Renditen der
    betreffenden Papiere immer weiter heruntergedrückt. Das führt zu
    Null- und Negativrenditen. Ein Phänomen, das seit Ende 2011 bekannt
    ist. Um noch positive Bondrenditen einstreichen zu können, wandern
    die Anleger die Laufzeitenkurve weiter herauf, mit dem Ergebnis, dass
    auch in den langen Laufzeitenbereichen die Renditen immer weiter
    fallen und schließlich ins Minus rutschen. So gibt es mittlerweile
    Länder, deren gesamte ausstehende Renditekurve von zwei bis 20, 30
    oder 50 Jahren Restlaufzeit komplett im Minus liegt.

    Den Anfang machte der Staatsanleihenmarkt Dänemarks im Juli. Kurze
    Zeit später folgte die Schweiz. Vor einigen Tagen kippte auch die
    Kurve der Bundesanleihen ins Negative. Einen Tag später gesellten
    sich die Niederlande dazu. Am Freitag wurde das fünfte Mitglied in
    den Club der Staaten aufgenommen, die eine komplette Bondkurve mit
    rotem Vorzeichen haben: Schweden.

    Eine negative Rendite bzw. die Tatsache, dass die Kurve im Minus
    ist, ist allein natürlich kein verlässliches Rezessionssignal. Sie
    zeigt aber, wie groß die Furcht der Investoren vor einer Rezession
    ist, denn sie drückt die damit verbundene Fluchtbewegung in sichere
    Assets aus, kann also als entsprechender Gradmesser für diese
    Unsicherheit herangezogen werden. Ein sehr guter Signalgeber ist aber
    die Kurvenformation. In den USA, deren Kurve zwar noch im positiven
    Bereich liegt, ist die Kurve der Staatsanleiherenditen von drei
    Monaten bis zehn Jahren und seit der abgelaufenen Woche auch die
    Kurve von zwei bis zehn Jahren Restlaufzeit der US-Staatsbonds
    komplett invertiert. Das bedeutet: Dreimonatige und zweijährige
    Bondrenditen liegen über den zehnjährigen Sätzen. Die Anleger stellen
    sich bei einer solchen Formation der Kurve darauf ein, dass die
    Notenbank der schwächelnden oder in der Rezession befindlichen
    Wirtschaft auf längere Sicht mit niedrigen Leitzinsen unter die Arme
    greifen muss. Dieses Signal war in der Vergangenheit sehr sicher,
    ging doch jeder Rezession in den USA in den vergangenen 50 Jahren
    eine Inversion der Zinsstrukturkurve - etwa im Bereich von drei
    Monaten und zehn Jahren Restlaufzeit - voraus.

    Auch die Analysten der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) weisen
    darauf hin, dass eine inverse Renditestruktur gemeinhin als einer der
    besten Rezessionsindikatoren gilt. So soll die Kurvensteilheit auch
    der zentrale Input-Faktor eines Modells der New Yorker Fed sein, um
    die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in den kommenden zwölf Monaten
    einzuschätzen. Das Modell zeige aktuell eine
    Rezessionswahrscheinlichkeit von 31,5% und liege damit in den
    Dimensionen, die auch schon vor früheren Rezessionen verzeichnet
    wurden. Und die USA sind mit ihrer inversen Kurve ja nicht allein.
    Auch Kanadas Zinsstrukturkurve ist invertiert, die britische Kurve
    tat es ihren amerikanisch-kanadischen Pendants in den vorigen Tagen
    gleich. Die Briten haben erstmals seit 2008 wieder eine inverse
    Kurve, die USA seit 2007.

    Und die Bund-Kurve? Die zehnjährigen Renditen fallen derzeit
    kräftig. Bis auf das Rekordtief von minus 0,727% ging es am Freitag
    herunter. Die 30-jährige Bundrendite ist ebenfalls sehr stark unter
    Druck, hier wurde der Rekord am Freitag mit minus 0,313% gemessen.
    Die Rendite zweijähriger Papiere fällt auch, aber nicht so stark.
    Dadurch verflacht sich die Kurve immer mehr. Der Abstand zwischen
    zwei und zehn Jahren beträgt nur noch rund 20 Basispunkte.
    Vielleicht lässt sich ja bald das nächste Novum am Markt der
    Bundesanleihen beobachten, und zwar eine komplett flache Kurve, die
    dann in die Inversion übergeht. Neu wäre dabei, dass sich dieses
    Phänomen dann erstmals im negativen Renditebereich abspielt.

    (Börsen-Zeitung, 17.08.2019)

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