Steinmeier sieht kaum Chancen für Brexit-Neuverhandlungen
BERLIN (dpa-AFX) - Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sieht kaum Chancen für eine Nachverhandlung des Brexit-Abkommens und der dort verankerten Irland-Regelung. "Alle Varianten, die jetzt noch vorgeschlagen werden können, sind eigentlich schon Gegenstand von Gesprächen gewesen", sagte er am Mittwoch unmittelbar vor dem Besuch des britischen Premierministers Boris Johnson in Berlin. "Ich halte es deshalb für wenig wahrscheinlich, dass Verhandlungen darüber noch einmal in Gang kommen." Steinmeier stellte die Ernsthaftigkeit des Verhandlungswunsches von Johnson in Frage. "Möglicherweise geht es eher um Schuldzuweisungen als um die Frage von wirklicher Veränderung der Datenleiste." Das lasse sich aber erst nach den Gesprächen genau beurteilen.
Johnson hatte in einem Brief an EU-Ratspräsident Donald Tusk offiziell die Streichung der von der EU verlangten Garantieklausel für eine offene Grenze in Irland verlangt. Statt des sogenannten Backstops stellte er andere "Verpflichtungen" Großbritanniens in Aussicht. Was damit gemeint ist, ließ er offen. Johnson wurde am Mittwochabend in Berlin erwartet. Er wollte mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sprechen, die seine Forderung nach Nachverhandlungen des Austrittsabkommens mit der EU schon zurückgewiesen hat.
Steinmeier und die slowakische Präsidentin Zuzana Caputova warnten nach einem Gespräch im Schloss Bellevue vor einem ungeregelten Brexit. Dieser würde Großbritannien besonders hart treffen, hätte aber negative ökonomische Folgen für ganz Europa. Caputova erinnerte daran, dass mehr als 100 000 Slowaken in Großbritannien leben.
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"Ich glaube, dass wir die Folgen eines ungeregelten Brexits immer noch unterschätzen", sagte Steinmeier. Viele im Abkommen zwischen der EU und London geregelte Fragen würden dann wieder zu offenen Fragen. Caputova betonte das gemeinsame Interesse beider Staaten an einem starken Europa./sk/DP/jha