Negativzins-Debatte
Bei Bankern nachgefragt: Klares Nein zu Strafzinsen für Sparer fällt anders aus
Für einige deutsche Banker scheint der Faktor "negative Zinsen" auf Sparguthaben längst zum denkbaren Instrument zu gehören. Wir haben bei Banken, Vermögensverwaltern und Wirtschaftsinstituten nachgefragt, inwieweit viel mehr deutsche Sparer damit rechnen sollten, in absehbarer Zeit sogenannte "Strafzinsen" auf Guthaben zahlen zu müssen. In diesem ersten Teil kommen Banker der Targobank, der DekaBank, der Commerzbank sowie der UBS zu Wort.
"Bei der Einführung negativer Zinsen wäre die Wut der Sparer groß. Das ließ in der Vergangenheit und lässt viele Banken auch aktuell immer noch vor der Einführung negativer Zinsen zurückschrecken", sagte Otmar Lang, Chefvolkswirt der Targobank, im Gespräch mit der wallstreet:online-Redaktion.
Auf der anderen Seite äußert Lang Ideen, wie Banken Negativzinsen einführen und bestimmte Geschäftsbereiche der Geldinstitute von den Neuregelungen profitieren könnten: "Um den Unmut großer Bevölkerungsschichten nicht zu riskieren, könnten negative Zinsen gestaffelt eingeführt werden, so dass insbesondere kleinere Guthaben von einer solchen Zinsmaßnahme nicht betroffen wären", so der Targobank-Ökonom. Und weiter: "Wir sehen in der Einführung negativer Zinsen auch eine Chance für die Anlageberater, Kunden auf andere, attraktivere Möglichkeiten des Sparens aufmerksam zu machen und insbesondere verschiedene Formen des Investmentsparens zu präsentieren. Negative Zinsen könnten dem Aktiensparen möglicherweise zum Durchbruch verhelfen, was den Schaden negativer Zinsen langfristig mehr als ausgleichen würde", meint Lang.
Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, nimmt kein Blatt vor den Mund und spricht davon, dass immer mehr Finanzinstitute auf Negativzinsen zurückgreifen könnten: "Wenn die Zinsen weiter sinken, werden mehr Banken Negativzinsen auch an Kontoinhaber weitergeben, wie dies teilweise schon jetzt für Unternehmen gilt. Allerdings betrifft dies auch künftig wohl eher große Guthaben. Als Reaktion werden mehr private Haushalte von der Spareinlage hin zu Wertpapieren wechseln", so Ulrich Kater.
Chris-Oliver Schickentanz, Chef-Anlagestratege der Commerzbank, bricht ebenfalls eine Lanze für das Sparen mit Wertpapieren als Ausweg aus der Negativzins-Spirale. Gleichzeitig fordert Schieckentanz die Politik heraus: "Gestraft sind die Sparer seit fast einem Jahrzehnt. So lange sind die Zinsen auf Sparguthaben bereits derart niedrig, dass nach Inflation ein negativer Realzins steht. Wer sein Vermögen mehren oder Vorsorgen möchte, kommt an Wertpapieren nicht vorbei. Das sollte die Politik anerkennen und den Bürgern den Weg vom Sparer zum Anleger erleichtern", so der Commerzbank-Stratege. Schieckentanz möchte die Blicke der deutschen Sparer auf die langfristigen Vorteile von börsennotieren Wertpapieren lenken: "Unterm Strich hat die Entwicklung an den Börsen in den vergangenen Jahren Spaß gemacht. Und das wird langfristig auch so bleiben. Kurzfristig sorgen die abflauende Konjunktur und der eskalierende Handelskonflikt für Volatilität an den Märkten", glaubt der Banker.
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Auch für Maximilian Kunkel, Chefanlagestratege Deutschland im UBS Chief Investment Office, sind Negativzinsen eine Falle, die Sparer mit einem schlagkräftigen Wertpapierdepot umgehen sollten: "Was manche für ein Zinstal gehalten haben, wird sich wohl eher als Zinsebene herausstellen. Kurzfristig gehen wir davon aus, dass die EZB bis Ende des Jahres den Einlagesatz um weitere 20 Basispunkte senken wird. Für Sparer wird es daher umso wichtiger, sich um die aktive Vermögensverwaltung Gedanken zu machen", blickt der Anlageexperte in die Zukunft.
Kunkel rät Sparern, die auf Wertpapiere setzen wollen, aktuell zu folgendem Portfoliomanagement: "In den jüngsten Marktschwankungen balancierten sich beispielsweise negative Effekte auf der Aktienseite, mit positiven Entwicklungen auf der Anleihen Seite in einem ausgeglichenen Portfolio aus. Bei Aktien sollten Anleger über kurzfristige Marktschwankungen und geopolitischen Risiken hinwegsehen und auf langfristige, nachhaltige Trends setzen. Im Anleihen-Bereich können Euro-Anleger positive Renditen durch Einzeltitel Selektion, Erhöhung des Kreditrisikos, Hebelwirkung durch Fremdkapitalaufnahme (Leverage), höhere Anleihenduration oder Anlagentausch in US-Dollar erzielen", meint der UBS-Anlageprofi.
Autor: Christoph Morisse