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    ROUNDUP 2  281  0 Kommentare Bruder von Boris Johnson gibt Posten auf - zweiter Anlauf für Neuwahl

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    LONDON/BRÜSSEL (dpa-AFX) - Der britische Premierminister Boris Johnson gerät wegen seines kompromisslosen Brexit-Kurses immer stärker unter Druck aus den eigenen Reihen. Am Donnerstag legte sein jüngerer Bruder, Jo Johnson, sein Amt als Staatssekretär und auch sein Mandat als Parlamentsabgeordneter für die Tories nieder. "Ich war in den vergangenen Wochen zerrissen zwischen Loyalität zur Familie und dem nationalen Interesse - es ist eine unauflösbare Spannung", schrieb Jo Johnson zur Begründung auf Twitter.

    Der Premierminister hatte zuvor 21 Tory-Rebellen aus der Fraktion geworfen, die im Streit um seinen Brexit-Kurs gegen die eigene Regierung gestimmt hatten. Darunter sind so prominente Mitglieder wie der Alterspräsident und ehemalige Schatzkanzler Ken Clarke und der Enkel des Kriegspremiers Winston Churchill, Nicholas Soames.

    Die gemäßigte One-Nation-Gruppe in der Tory-Fraktion veröffentlichte eine Erklärung, in der sie den Regierungschef dazu aufforderte, die verbannten 21 Fraktionsmitglieder wieder aufzunehmen: "Die Maßnahmen in den vergangenen Tagen, die Fraktion von gemäßigten Mitgliedern zu säubern, sind prinzipiell falsch und schlechte politische Praxis."

    Der Regierungschef verteidigte sein Vorgehen in einem Interview mit dem TV-Sender itv. "Das sind meine Freunde, glauben Sie mir, ich habe absolut kein Vergnügen an all dem." Es sei aber "sehr traurig und überraschend" gewesen, dass sie sich entschieden hätten, Großbritanniens Chancen auf einen Deal mit der EU zu schmälern.

    Trotz aller Widrigkeiten wagt Johnson am Montag einen neuen Anlauf, um eine Neuwahl durchzusetzen. Der Premier will am 15. Oktober wählen lassen, um dann zwei Tage später beim EU-Gipfel mit einem Mandat für seinen kompromisslosen Brexit-Kurs zu erscheinen. Bei einem ersten Versuch am Mittwoch war Johnson mit seinem Antrag krachend im Parlament durchgefallen. Er hätte eine Zweidrittelmehrheit benötigt.

    Diesmal könnten die Chancen etwas besser stehen, denn Oppositionsführer Jeremy Corbyn von der Labour-Partei hatte betont, er stimme einer Neuwahl erst zu, wenn das Gesetz gegen den No Deal in Kraft getreten ist. Diese Bedingung wäre wohl am Montag erfüllt.

    Angesichts der Neuwahl-Debatte lassen sich immer mehr junge Briten als Wähler registrieren. Die Anträge zur Registrierung von Neuwählern hätten in dieser Woche "dramatisch" zugenommen, berichtete die Nachrichtenagentur PA. Im August hatten im Schnitt knapp 22 000 Menschen täglich beantragt, sich als Wähler zu registrieren. In dieser Woche seien es im Schnitt bereits mehr als 66 000 Menschen pro Tag gewesen. Die Zahl hat sich also verdreifacht.

    Boris Johnson will sein Land am 31. Oktober notfalls ohne Abkommen aus der EU führen, sollte Brüssel sich nicht auf seine Forderungen nach Änderungen am Brexit-Deal einlassen, den seine Vorgängerin Theresa May ausgehandelt hatte. Viele Politiker, auch Konservative, halten das wegen der unabsehbaren Konsequenzen für die Wirtschaft und viele andere Lebensbereiche für einen schweren Fehler.

    Johnson hatte vergeblich versucht, das Gesetzesvorhaben im Unterhaus zu stoppen, das einen ungeregelten EU-Austritt Großbritanniens verhindern soll. Der Entwurf soll bis Freitagabend auch von den Lords im Oberhaus gebilligt werden.

    Der Brexit-Beauftragte des Europaparlaments, Guy Verhofstadt, übte scharfe Kritik daran, dass die Regierung Johnson das Gesetz gegen den No-Deal als Kapitulation bezeichnet hatte. "Das ist die Sprache aus der dunklen Vergangenheit Europas", twitterte Verhofstadt. "Es legt nahe, dass die europäischen Verbündeten und Nachbarn Großbritanniens Feinde sind. Ich weigere mich zu glauben, dass die Mehrheit des britischen Volks so denkt."

    Johnson will Brüssel mit der Drohung eines ungeregelten EU-Austritts zu Zugeständnissen bringen. Seine Kritiker warnen dagegen vor erheblichen Folgen vor allem für die britische Wirtschaft und viele weitere Lebensbereiche, wenn das Land ohne Übergangsfristen aus der Staatengemeinschaft herausbricht.

    Hinter der harten Vorgehensweise Johnsons sehen viele den Einfluss seines Beraters Dominic Cummings. Der Wahlkampfstratege leitete bereits die Kampagne Johnsons beim Brexit-Referendum 2016. Cummings gilt als skrupellos und macht keinen Hehl daraus, dass er das politische System gehörig umkrempeln will.

    Das Gesetz gegen den ungeregelten EU-Austritt soll Johnson dazu zwingen, eine dreimonatige Verlängerung der am 31. Oktober auslaufenden Brexit-Frist zu beantragen, falls bis zum 19. Oktober kein Abkommen mit der EU ratifiziert ist.

    Ein Aufschub des Brexits ist aus Sicht der EU-Kommission denkbar, sofern es einen guten Grund dafür gibt. Es liege in der Hand der 27 bleibenden EU-Staaten, über einen etwaigen Antrag einstimmig zu entscheiden, sagte Sprecherin Mina Andreeva am Donnerstag in Brüssel. Was ein ausreichender Grund sein könnte, ließ sie offen.

    Die No-Deal-Gegner hatten unter enormem Zeitdruck gestanden, weil Johnson dem Parlament eine Zwangspause auferlegt hat. Der Versuch, die Schließung gerichtlich zu stoppen, scheiterte bislang.

    Ein Gericht in Schottland wies die Klage einer Gruppe von Parlamentariern am Mittwoch ab mit der Begründung, es handle sich nicht um eine juristische, sondern eine politische Frage. Doch bereits an diesem Donnerstag gab es eine Anhörung vor dem Berufungsgericht in Edinburgh. Auch der High Court in London wollte sich mit dem gleichen Thema befassen.

    Johnson hatte sich am Mittwoch pessimistisch geäußert, noch einen neuen Austrittsdeal mit der EU vereinbaren zu können. Die Chancen dafür seien "schwer beschädigt, wenn nicht komplett zugrunde gerichtet worden" durch den Gesetzentwurf gegen den No Deal.

    Johnson fordert Änderungen am EU-Austrittsvertrag. Die EU-Seite steht auf dem Standpunkt, dass sie gesprächsbereit ist, falls Johnson konkrete neue Vorschläge machen sollte. Dabei geht es um Alternativen zu der Garantieklausel für eine offene Grenze in Irland, zum sogenannten Backstop. Noch wartet die EU-Kommission aber auf die Vorschläge aus London.

    Wie die EU im Falle eines ungeregelten Brexits Kontrollen an der irischen Grenze vermeiden will, ist nach wie vor unklar. Die im Austrittsabkommen vorgesehene Backstop-Lösung sei dafür die "einzige Option, die gefunden wurde", erklärte die Kommission. Bei einem Austritt ohne Vertrag wäre diese aber hinfällig./cmy/DP/zb





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