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    Riskant  9327  2 Kommentare Auf der Klippe zum Ramsch-Rating: Stürzt Italien ab?

    Private Anleger und Fondsmanager fragen sich, ob Italien seine Kreditwürdigkeit halten kann. Wird die Ratingagentur Moody's Italien in den Ramschbereich der Non-Investment-Grade-Ratings hinabstoßen? Die von uns befragten Kapitalmarktexperten äußern sich überraschend. Was Anleger jetzt über Italien wissen müssen.

    Otmar Lang, Chefvolkswirt bei der Targobank, sagte gegenüber wallstreet:online: „In Italien wurde gerade eine neue Regierung vereidigt, die möglicherweise alles besser macht als die alte. Der Vertrauensvorschuss, den die hoch sensiblen Finanzmärkte, insbesondere der italienische Rentenmarkt, der neuen Regierung einräumen, ist enorm, aber wahrscheinlich angemessen.“

    Ähnlich bewertet Chris Scicluna, Leiter des Economic Research bei Daiwa Capital Markets in London, die Situation: „Die Entscheidung legitimiert vorerst die Rallye, die wir am italienischen Rentenmarkt erlebt haben“, so Reuters. Und unter den Rating-Agenturen äußerte sich DBRS heute Morgen, dass mit der neuen Regierungskoalition die Chancen auf eine konstruktivere Beziehung zur EU steigen. „Die euroskeptische Rhetorik wird beiseite geschoben“, so DBRS in einer Notiz. Weiterhin Sorgen bereitet der Ratingagentur jedoch das niedrige Wirtschaftswachstum.

    Heute wird Moody’s sein Rating für Italien vorstellen. Zuletzt hatte die Agentur die Kreditwürdigkeit Italiens mit Baa3 bewertet: Lower Medium Grade. Damit steht Italien vor einer möglichen Herabstufung auf „Non-Investment Grade, Speculative“. Moody’s könnte auch das Rating beibehalten oder vor dem Hintergrund der jüngsten politischen Ereignisse die Kreditwürdigkeit positiver beurteilen. Was meinen die Experten?  

    Von Otmar Lang kommt Entwarnung: „Die Ratingagentur Moody’s wird (…) jetzt [dieses zarte Pflänzchen der Hoffnung] nicht durch eine Rating-Abwertung Italiens in den Ramschbereich torpedieren, sondern dem Land und seiner neuen Administration nochmals eine Schonfrist einräumen“. Lang macht deutlich: „Denn die Portfolioumschichtungen, die eine Rating-Herabstufung zur Folge hätte, würde italienische Renditen nach oben katapultieren und auch die Frage der Zahlungsfähigkeit Italiens neu bewerten.“

    Christian Kopf, Leiter Portfoliomanagement Renten bei Union Investment, sagte gegenüber der wallstreet:online-Redaktion: „Italien wird von Moody’s mit Baa3 bewertet, dem schwächsten Investment-Grade-Rating. Der Rating-Ausblick ist allerdings stabil und wir rechnen nicht mit einer Herabstufung auf Non-Investmentgrade“. Die neue Ausgangslage ordnet Kopf für unsere Leser so ein: „Wir halten die Beteiligung der Partido Democratico an der neuen italienischen Regierung für eine sehr positive Entwicklung. Die PD steht für eine proeuropäische Politik und sollte den Umgang von Premierminister Conte mit den EU-Institutionen erleichtern, insbesondere bei den Haushaltsverhandlungen für 2020.“

    Beim Blick auf die Zahlen sagte Kopf: „Der Haushaltsentwurf der Regierung steht noch aus. Ursprünglich hatte Italien für 2020 ein Defizit von 2,1 Prozent des BIP geplant. Italien müsste die Staatsausgaben senken oder die Mehrwertsteuer erhöhen, um diesen Wert zu erreichen; dies halten wir für unwahrscheinlich. Wir beobachten allerdings gleichzeitig eine wachsende Offenheit für steigende Fiskalausgaben in der öffentlichen Diskussion in Europa, um dadurch dem derzeitigen Konjunkturabschwung entgegenzuwirken. Deshalb sind wir der Meinung, dass die EU-Kommission einem etwas größeren Haushaltsdefizit in Italien nicht im Wege stehen sollte. Sowohl die italienische Regierung als auch die Europäische Kommission und die Anleihemärkte dürften mit einem Haushaltsdefizit in Höhe von 2,6 bis 2,7 Prozent des BIP im kommenden Jahr zufrieden sein.“

    Konstantin Oldenburger, Analyst bei IG Europe, konstatiert im Gespräch mit der wallstreet:online-Redaktion: „Italien ist bekannt für seine häufigen Regierungswechsel und damit einhergehenden Agenda-Wechsel in der Politik. Gestern wurde um Ministerpräsident Conte eine neue Regierung bestehend aus der „Fünf-Sterne-Bewegung“ und den Sozialdemokraten vereidigt. Die Lega-Partei hingegen ist kein Teil der Regierung mehr. Der parteilose Conte gilt in erster Linie als kompromissbereit und hat bisher einen guten Dialog mit der EU-Spitze gepflegt.“ Oldenburger zeigt folgende Entwicklung auf: „Eine Abstufung des Ratings und der Kreditwürdigkeit Italiens sollte demnach keine Rolle spielen, da alle Verpflichtungen bisher eingehalten wurden. Die fallenden Renditen italienischer Anleihen lassen eine Abwertung des Investmentgrades derzeit ebenfalls unwahrscheinlich erscheinen. Anders gesagt: Der Markt und die Investoren stimmen einer möglichen Abstufung durch eine Ratingagentur derzeit nicht zu.“

    Italien bleibt für Anleger ein mit Vorsicht zu genießender Markt. Laut den jüngsten Daten gab der Einzelhandelsumsatz im Juli 2019 um 0,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr nach. Die neue Koalition hat nur wenige konkrete Punkte zur Wirtschaft vorlegt. Es wird einen expansiveren Haushalt geben, die Erhöhung der Mehrwertsteuer soll „neutralisiert“ werden und die Steuerlast sinken, so das Handelsblatt. Auch soll ein Mindestlohn eingeführt werden. Die Finanzierung dieses Pakets ist bislang ungewiss und könnte das Mittelmeerland belasten.





    wallstreetONLINE Redaktion
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