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    Zinstief  493  0 Kommentare Die EZB ist unschuldig

    Für Populisten, egal ob von links oder rechts, ist die Schuldfrage immer schnell geklärt. Auch was die derzeitige Zinssituation angeht. Natürlich ist für die „Vereinfacher“ die EZB und der Euro schuld an der Enteignung der Sparer durch Negativzinsen. Aber auch viele Medien machen es sich mitunter einfach. So titelte auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 20. Mai 2017 „EZB-Geldpolitik kostet deutsche Sparer 436 Milliarden Euro“. Man traut der Geldpolitik scheinbar sehr viel zu. Ob Sie allerdings wirklich so mächtig ist, dass sie die Zinssätze, selbst die langfristigen, beliebig manipulieren kann ist in der Wissenschaft umstritten.

    Es gibt viele miteinander konkurrierende, sich zuweilen auch widersprechende Vorstellungen über das, was der Zins ist, und wie er sich bildet. Zwar geht man davon aus, dass die EZB-Politik zwar die Tendenz zu niedrigen Zinsätzen verstärkt hat, aber ein Trend zu fallenden Zinsen besteht schon seit Jahrzehnten. Die langfristigen Zinssätze begannen schon Ende der 80er Jahre in Europa zu sinken. Die „Quantitative-Easing-Programme“ (QE) der EZB begannen jedoch erst im Zuge der Finanzkrise im Jahr 2008.

    Zwei verschiedene Zinstheorien

    In der Ökonomie wird der Zins als das Entgelt definiert, das der Schuldner dem Gläubiger für vorübergehend überlassenes Kapital zahlt. Dabei gibt es zwei verschiedene Ansätze das Wesen des Zinses sowie seine jeweilige Höhe zu erklären. In den realen Zinstheorien wird der Zins durch den Ertrag der Investitionen bestimmt. Nur wenn dieser den Kreditzinssatz plus einem entsprechenden Risikoaufschlag übersteigt, kommt es zu fremdfinanzierten Investitionen. Bei diesen Ansätzen hat die Geldpolitik so gut wie keinen Einfluss auf den Zinssatz. Bei den monetären Zinstheorien steht der Aspekt einer Entschädigung für die Aufgabe von Liquidität des Gläubigers im Vordergrund. Unstrittig ist bei diesem Ansatz der Einfluss der Geldpolitik auf die kurzfristigen Zinsen.

    Hohe Zinsen prägen nach wie vor das Bewusstsein von vielen Verbrauchern

    Die hohen Nominalzinssätze, die derzeit noch das Bewusstsein von vielen Verbrauchern in Deutschland prägen, beziehen sich auf eine kurze Phase in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Vor dem Ersten Weltkrieg lagen die langfristigen Nominal-Zinssätze bei drei Prozent. In den 20er und 30er Jahren stiegen sie infolge von Schuldenproblemen und erhöhtem Risiko auf etwa fünf Prozent. Erst nach dem zweiten Weltkrieg, in der Wiederaufbauperiode von 1955 bis 1974, erreichten sie den außerordentlich hohen Wert von acht Prozent. Danach sanken Sie langsam bis 2008 auf 6,5 Prozent und fielen nach der Finanzkrise weiter auf durchschnittlich 2,5 Prozent und erst in den letzten Jahren lagen sie im Bereich von Null.

    Die historische Entwicklung der Zinssätze

    Aufgrund der historischen Entwicklung der Zinssätze stellt sich die Frage, warum waren die Zinsen im letzten Drittel des vorigen Jahrhunderts so hoch und warum sanken sie bereits lange vor Beginn des QE? Ein Zins entsteht am Markt durch Angebot und Nachfrage von Kapital. Sparer treffen auf Investoren. Vor dem Ersten Weltkrieg sparte eine kleine Bevölkerungsschicht, zum geringen Teil in Form von Staatspapieren, überwiegend jedoch zur Selbstfinanzierung von Investitionen. Sparen und Investieren befanden sich im Gleichgewicht, die Zinssätze waren moderat. Nach dem Zweiten Weltkrieg wuchs die Wirtschaft außerordentlich rasch und es herrschte enormer Investitionsbedarf. Durch das starke Wirtschaftswachstum war die Nachfrage nach Kapital sehr hoch, die Zinsen stiegen dementsprechend an. Seit dem Ende des Aufholbedarfs hat sich das Wirtschaftswachstum zwangsläufig verlangsamt und die Ersparnisse wuchsen wohlstandsbedingt. Dadurch entstand ein massiver Sparüberhang, der zwangsläufig auf die Zinssätze drückte. Zusätzlich hat Verschuldung ein schlechtes Image. Viele Staaten, öffentliche Haushalte und Unternehmen haben begonnen ihre Schulden abzubauen. Der Bedarf nach Kapital ist rückläufig. Weltweit müssen aber Ersparnisse und Kredite gleich hoch sein.

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    Markus Richert
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    Seit 2010 ist Markus Richert als Vermögensverwalter und Finanzplaner bei der Portfolio Concept Vermögensmanagement GmbH in Köln beschäftigt. Bereits während des Studiums der Betriebswirtschaftslehre in den USA und an der Universität Bielefeld, arbeitet er freiberuflich als Finanzmakler. Nach dem Abschluss als Diplom Kaufmann 1996 arbeitete er einige Jahre bei einem großen deutschen Finanzdienstleister. Von 2003 bis 2004 studierte er Finanzökonomie an der European Business School (EBS) und ist seit 2004 als certified financial planner (cfp) zertifiziert. Neben der Finanzplanung und der Kundenbetreuung in der Vermögensverwaltung verantwortet er seit 2011 als Autor eine wöchentliche Finanzkolumne. Weitere Informationen finden Sie unter www.portfolio-concept.de.
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    Verfasst von Markus Richert
    Zinstief Die EZB ist unschuldig Für Populisten, egal ob von links oder rechts, ist die Schuldfrage immer schnell geklärt. Auch was die derzeitige Zinssituation angeht. Natürlich ist für die „Vereinfacher“ die EZB und der Euro schuld an der Enteignung der Sparer durch Negativzinsen. Aber auch viele Medien machen es sich mitunter einfach. So titelte auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 20. Mai 2017 „EZB-Geldpolitik kostet deutsche Sparer 436 Milliarden Euro“. Man traut der Geldpolitik scheinbar sehr viel zu. Ob Sie allerdings wirklich so mächtig ist, dass sie die Zinssätze, selbst die langfristigen, beliebig manipulieren kann ist in der Wissenschaft umstritten.