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    Ratgeber  2232  0 Kommentare Immobilien: Die Lage von gestern muss nicht die Lage von morgen sein

    Eigentlich ist die Immobilie eine höchst langweilige Angelegenheit. Müsste man nicht irgendwo arbeiten oder gar wohnen, gäbe es kaum Grund, sich überhaupt mit dem Thema zu beschäftigen.

    Außer dem sprichwörtlichen Dach über dem Kopf produziert eine Immobilie vergleichsweise wenig. Nicht einmal der krampfhafte Versuch, das Wohnen von der Heizung bis zur Toilette „smart“ zu machen, kann über das traditionell eher gemächliche Innovationstempo der Branche hinwegtäuschen. Wozu auch eilen? Liegenschaften laufen schließlich nicht weg. Von dem Ort des Herumliegens ist die Immobilienwirtschaft aber geradezu besessen. Oft genug ist die Lage sogar das Einzige, das eine konkrete Immobilie auszeichnet.

    Sicher ist die gebetmühlenartige Wiederholung des Mantras „Lage, Lage, Lage“ der eigentliche Geniestreich der Branche, denn dadurch wird genau das suggeriert, was Wohnende – das heißt heute vermutlich so – an einer Immobilie so schätzen: die geradezu unsägliche Verlässlichkeit, die Erdung auf der eigenen Scholle, und sei dies auch im fünften Stock, das Betongold oder schlicht das „Home“, das zum eigenen „Castle“ wird.

    Es ist fast wie bei einem einst populären Haarspray: München, 20:00 Uhr, Zettel auf dem Küchentisch, die Holde hat das Weite gesucht – aber die Immobilie hält.

    Genauer gesagt: Das 1,5-Zimmer-Exclusivensemble „Residenz am Wertstoffhof“ steht so „fest gemauert in der Erden“ wie ehedem die Form von Schillers Glocke, welche Wechselfälle des Lebens den Eigentümer auch ereilen mögen. Doch genau da liegt der Hase im Pfeffer: So solide eine Immobilie selbst auch sein mag, das Band zu ihrem Eigentümer ist es nicht.

    Da genügt schon eine auf Kante genähte Finanzierung und schwups: Die Immobilie ist zwar noch immer da, aber aus Sicht des dann ehemaligen Eigentümers eben auch irgendwie schon wieder weg. So etwas kann selbst während normaler Marktzyklen passieren. Kommen dann noch Zusatzabgaben, Steuererhöhungen oder staatliche Auflagen ins Spiel, dürfte es schneller gehen.

    Generell ist die Dynamik neu, die heute um den immobilen Stoiker der Kapitalanlage brandet. Menschenmassen wabern in immer höherer Geschwindigkeit zwischen den In- und Out-Städten, was das Thema Lage doch ziemlich relativiert. Denn die „Lage, Lage, Lage“ von gestern muss lange nicht die „Lage, Lage, Lage“ von heute oder morgen sein.

    In der Mikrobetrachtung genügt bereits ein einziger Nachbar, um die Freude am Objekt dauerhaft zu vergällen. Damit entwerten sich aber die drei wichtigsten Kaufargumente auf einen Schlag. In einer zunehmend dynamischen Umwelt ist mangelnde Beweglichkeit wohl doch kein Vorteil.

    Ganz so fröhlich, unbeschwert und sicher, wie die Sache auf den ersten Blick aussieht, ist sie also nicht. Denn die gespenstische Beharrlichkeit einer Immobilie liegt allein in ihr selbst. Das konnte sogar schon in der vergleichsweise zähflüssigen Vergangenheit zum Problem werden. Ein simpler Weltkrieg genügte, und das Grundstück in Berlin-Mitte lag plötzlich ausgebombt, ansonsten aber ungerührt im Herzen der Hauptstadt der DDR.

    Da wird manch einer sich gewünscht haben, das Trümmerfeld wäre wenigstens einige Meter in den freien Westen verschiebbar gewesen. Immerhin: Manche Dinge erledigen sich von selbst, wenn auch auf andere Weise als noch beim Fall der Mauer angenommen. So sind die Ostberliner Liegenschaften zwar im „freien Westen“ angekommen, aber dank Mietpreisdeckel und Enteignungsdiskussion dennoch irgendwie in der DDR geblieben.

    Von Ralph Malisch, Redakteur des Smart Investor





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