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    Interview  14347  17 Kommentare Der Hype ist vorbei! Berlin hat bei Investoren bald das Image von Venezuela, Preise werden deutlich sinken, so Rainer Zitelmann

    Sehr geehrter Herr Zitelmann, in Ihrem jüngsten Beitrag: „Die perfide 2-Phasen-Strategie der Linken und Grünen“, entlarven Sie den Mietendeckel als Grundlage für eine möglichst preisgünstige Enteignung. Wer soll in Berlin enteignet werden?

    Dr. Dr. Zitelmann: Bekanntlich wird ein Volksentscheid vorbereitet, der eine Enteignung von allen Immobilienbesitzern fordert, die mehr als 3.000 Wohnungen besitzen. Es gibt jedoch darüber hinausgehende Vorstellungen. Juso-Chef Kevin Kühnert ist beispielsweise der Meinung, dass es überhaupt keine privaten Vermietungen mehr geben solle, sondern nur staatliche. Letztlich ist das auch die Philosophie der Berliner Linksregierung: Nur Staatswohnungen sind gute Wohnungen.
     
    Was hat die geforderte Enteignung mit dem Mietendeckel zu tun und wie ist der aktuelle Stand?
    Dr. Dr. Zitelmann: Bei einer Enteignung muss ja eine Entschädigung gezahlt werden. Diese richtet sich nach dem Verkehrswert. Durch das Mietendeckel-Gesetz sollen erstmal die Verkehrswerte heruntergeprügelt werden, damit man später weniger Entschädigung zahlen muss. Das nenne ich die 2-Phasen-Strategie: Erst die Mieten runterdrücken, dann enteignen. Linke und Grüne haben das auch genauso kommuniziert.
     
    Der Mietendeckel soll Anfang 2020 in Kraft treten. Wie passt das mit der von Ihnen identifizierten 2-Phasen-Strategie zusammen?
    Dr. Dr. Zitelmann: Zeitlich passt das perfekt. Die Nachfrage von Investoren nach Berliner Immobilien ist bereits massiv eingebrochen. Berlin hat bei Investoren bald das Image von Venezuela – da will ja auch niemand investieren. Das wird sich bald in den Preisen widerspiegeln. Ich erwarte deutlich sinkende Preise für Mehrfamilienhäuser in Berlin im kommenden Jahr. Die Marktkapitalisierung von börsennotierten Immobilien-AGs wie der Deutschen Wohnen, die viele Immobilien in Berlin besitzt, ist bereits deutlich gegenüber dem Höchststand von 45 Euro zurückgegangen. Teilweise lag sie sogar unter 29 Euro.
     
    Wie können sich Eigentümer vor einer Enteignung zum Rasch-Preis schützen?
    Dr. Dr. Zitelmann: Was das Mietendeckel-Gesetz anlangt, so hoffe ich, dass sich der Idee der FDP, ein abstraktes Normenkontrollverfahren in Karlsruhe anzustrengen, auch Abgeordnete anderer im Bundestag vertretenen Parteien anschließen. Denn dafür bedarf es 25 Prozent der Mitglieder des Bundestages. Das geplante Gesetz verstößt schon deshalb gegen die Verfassung, weil ein Land gar nicht befugt ist, das Mietrecht zu ändern. Faktisch handelt es sich aber beim Mietendeckel um nichts anderes als um eine Verschärfung der Mietpreisbremse. Jenseits rechtlicher Schritte ist es aber vor allem wichtig, dass sich die Immobilieneigentümer öffentlich viel lauter zu Wort melden. Sie sollten deutlich stärker und offensiver auftreten und aufzeigen, was eine Enteignung in der Wirkung wirklich bedeuten würde.

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    Was meinen Sie damit konkret?
    Dr. Dr. Zitelmann: Die beiden Grundkomponenten der Berliner Politik, nämlich Mietenstopp und Enteignungen, wurden bereits in der DDR ausprobiert. Den Mietenstopp gab es in Deutschland sogar noch früher - er wurde am 20. April 1939 als Geschenk Adolf Hitlers an das deutsche Volk verkündet. In der DDR galt der Mietenstopp weiterhin - bis zu ihrem Ende im Jahr 1989. Die Ergebnisse waren katastrophal!


    • 1989 wurden 65 Prozent aller DDR-Wohnungen (die 3,2 Millionen Nachkriegsbauten eingerechnet) mit Kohleöfen beheizt.
    • 24 Prozent hatten keine eigene Toilette.
    • 18 Prozent hatten kein Bad.
    • 40 Prozent der DDR-Mehrfamilienhäuser galten als schwer geschädigt, elf Prozent waren gänzlich unbewohnbar.

    200 Altstadtkerne in der DDR waren akut gefährdet. Die Bürger mussten viele Jahre warten, bis sie eine der begehrten Plattenbauwohnungen zugeteilt bekamen. Die Altbausubstanz in Mehrfamilienhäusern in Leipzig, Dresden, Ostberlin, Erfurt und anderen ostdeutschen Städten war so zerfallen, dass nach der Wiedervereinigung mit einem massiven Steuerprogramm – dem sogenannten Fördergebietsgesetz – viele Milliarden Euro in die Sanierung gesteckt werden mussten.

    Warum macht die Immobilienbranche nicht ganzseitige Anzeigen in allen Berliner Zeitungen, in denen diese Tatsachen kommuniziert werden? Warum sehe ich nicht überall in der Stadt Plakate, die diese Fakten und Bilder von heruntergekommenen DDR-Wohnungen zeigen? Einfache Antwort: Viele Menschen wissen das doch gar nicht mehr.
     
    Gibt es eine Chance für den Berliner Wohnimmobilienmarkt jenseits von Enteignung?
    Dr. Dr. Rainer Zitelmann: Ich sehe mehr Risiken als Chancen am Berliner Wohnungsmarkt. Außer einigen einzelnen Wohnungen habe ich alle meine Immobilien in Berlin verkauft. Der Hype ist vorbei. Die Preise werden deutlich sinken. Wer jetzt nicht verkauft, wird sich in zwei Jahren darüber ärgern.

    In der jüngsten deutschen Geschichte ist das Instrument der Enteignung eher negativ besetzt - wenn man an die Enteignung zu DDR-Zeiten denkt. Warum gibt es diese Umkehrung? Haben wir es hier mit dem bislang deutlichsten Zeichen von Ostalgie zu tun?
    Dr. Dr. Zitelmann: Planwirtschaftliche und sozialistische Ideen feiern derzeit überall eine Renaissance. Schauen Sie doch nur, was in der Energiewirtschaft geschieht, die faktisch in eine Planwirtschaft umgestaltet wurde. Das Gleiche passiert jetzt mit der Automobilwirtschaft, wo die Politik vorschreibt, was produziert wird - sogenannte Flottenziele aus Brüssel. Auch in Großbritannien, mit Jeremy Corbyn, und den USA, mit Elizabeth Warren und Bernie Sanders, gewinnen sozialistische Ideen immer mehr an Zuspruch. 30 Jahre nach dem Ende des Sozialismus haben viele Menschen vergessen, was Staatswirtschaft bedeutet.
     
    Ganz generell, worin liegen die größten Gefahren einer Enteignung?
    Dr. Dr. Zitelmann: Staatswirtschaft hat nirgendwo auf der Welt funktioniert. Alle antikapitalistischen Experimente - es gab mehr als 24 - sind in den vergangenen 100 Jahren total gescheitert. Der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel meinte in seinen Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte: „Was die Erfahrung aber und die Geschichte lehren, ist dies, dass Völker und Regierungen niemals etwas aus der Geschichte gelernt und nach Lehren, die aus derselben zu ziehen gewesen wären, gehandelt haben.“ Ich fürchte, hier hatte Hegel recht.

    Was sind die Alternativen zu Mietendeckel und Enteignung?
    Dr. Dr. Zitelmann: Es muss mehr preiswerte Wohnungen geben. Ich wäre zum Beispiel für einen neuen Volksentscheid zur Bebauung des Tempelhofer Feldes, um dort neue Wohnungen zu schaffen. Ich bin sicher, die Mehrheit der Berliner wäre dafür. Grüne und Linke wären dagegen. Dann würde man öffentlich klarer sehen, wer in Berlin bauen will und wer das bauen verhindert! In der Zeit, seit Frau Lompscher in Berlin Bauverhinderungssenatorin ist, hat sich die Zahl der Bebauungspläne halbiert. Investoren werden wie Feinde behandelt in Berlin. Der linke Senat hat doch ein klares Feindbild: Immobilieninvestoren und Autofahrer. Denen will man das Leben schwer machen. Jeden Morgen wacht ein grüner oder linker Politiker in Berlin auf und überlegt sich abwechselnd, wie er entweder Immobilieneigentümern oder Autofahrern das Leben erschweren kann. Um die Wohnungsknappheit zu beseitigen, müsste man das Gegenteil tun und Investoren den Teppich ausrollen, von mir aus auch den roten Teppich. Auf Bundesebene müssten vor allem die unsinnigen Ökovorschriften geändert werden, die das Bauen teuer machen, ohne dass es irgendeine Auswirkung auf das Weltklima hätte.

    Vielen Dank für das Gespräch!

    Das Interview mit Dr. Dr. Rainer Zitelmann führte Dr. Carsten Schmidt, Redakteur bei Wallstreet:Online.


    Lesetipp: Rainer Zitelmann: Kapitalismus ist nicht das Problem, sondern die Lösung, München 2018, 283 Seiten.




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    Kommentare

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    15.10.19 15:58:53
    Die Durchschnittsmiete liegt vielleicht bei 5,70 oder so ( ich weiss es nicht genau, kann ja jeder mal lden Mietspiegel von Berlin ansehen) oder auch der Geschäftsbericht der Deutschen Wohnen zu den tatsächlichen Mieten ist aufschlussreich.
    Das was wir immer hören von Mieten von 12 oder 15 Euro , trifft nur auf die Vermietungen vor dem bundesweiten Mietendeckel zu. Ab da , also schon mehrere Jahre, konnte Neuvermietungen nur noch zu höchstens 10 % über Mietspiegel stattfinden. Also für eine Wohnung die im Mietspiegel mit 6,oo steht konnte man dann 6,60 nehmen, früher wurden dann solche Wohnungen teilweisse je nach Stadtteil und Austattung auch mal zu 10 , 12 oder auch mal 15 vermietet. Aber das ist die absolute Ausnahme.

    Wohl über 99 % der Berlinder wohnen in Wohnungen wo sie 5,80 oder 6,40 0der so zahlen. Es sind sicher unter 2 % die mehr als 10 euro zahlen und dann wohl für die allerbesten oder neusten Wohnungen in den besten Stadteilen.

    Also ganze Thema ist quatsch und unnötig hoch gepuscht worden.
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    11.10.19 17:22:04
    Es gibt sicher zig andere Baustellen, doch hier geht es um die Wohnungsversorgung in Berlin und sozialistische Ideen Linker!

    Und da müssen wir einfach feststellen, dass Wohnen nur in staatlicher Verwaltung und zu nur wenig veränderlichen Mieten , in allen Fällen dazu geführt haben, dass die Immobilien nicht nur in katastrophalen Zustand sind, sondern auch die Versorgung nicht dem Bedarf angepasst wurde , nicht konnte. Planwirtschaft ist eine sozialen Marktwirtschaft immer unterlegen.

    Wir haben in Deutschland einen Wohnungsmarkt und ein Mietniveau da werden wir von England, besonders London, und auch von Amerika in den Boomstädten beneidet. Klar sind die Mieten in den letzten Jahren gestiegen, aber im Verhältnis zu der Verknappung der Wohnungen in den Boomstädten und der Erhöhung der Verkehrswerte, sind die Mietenanstiege sehr gering. Also in gewisser Weise, hat sich die Verzögerung die in Deuschland da ist bei starken Änderungen, auch durch sozialen und marktwirtschaftliche VOrgaben, bewährt und dafür gesorgt, dass viel mehr gebaut wird und die Preise auch noch verhältnismässig niedrig sind.

    Nun könnte man die höchsten Mieten auch in Berlin, irgendwo kappen. Doch eine solcher Mietenstopp ist dumm, sozialistisch und bringt keine einzige Wohnung mehr, sondern ehr weniger. Keiner wird mehr neu investieren und der Berliner Wohnungsmarkt braucht genau das Gegenteil.
    Das dumme noch selber Immobilien kaufen, zur Vermietung, das Geld könne man viel besser für eigenen Wohnungsbau verwenden.

    Also Berllin muss endlich viel, viele bebaubare Flächen zur Verfügung stellen, vor allem im Wohnungsbau aber auch die gewerblichen Flächen werden zunehmend knapper. Warum man nicht längst einen ganz neuen Stadtteil in Angriff genommen hat, wo man möglichst rasche 20 oder 30 tsd Wohnungen erschaffen würde, mag das Geheimnis der "Bauverhinderungssenatorin" sein.
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    11.10.19 08:48:28
    Von was hast Du eigentlich wirklich richtig Ahnung???
    Avatar
    11.10.19 02:12:11
    Zitat von bmann025: Zu Berlin ist alles gesagt, aber bitte nicht staendig mit Venezuela daherkommen.

    In Venezuela investiert niemand, weil es durch die Sanktionen vom Finanzsystem abgehaengt wurde.

    Obendrauf noch Sabotage von innen und aussen.


    Übrigens betreibt Venezuela ein Vollgeldsystem.

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