Interview
Otmar Lang, Chefvolkswirt der Targobank, verrät welche Märkte wirklich auf Trump reagieren
Ein Thema der Donald Trump-Politik, dass dem US-Präsidenten stets die Aufmerksamkeit von Politik und Wirtschaft sichert, ist Handelskrieg. Die Wallstreet:Online-Redaktion bat Dr. Otmar Lang, Chefvolkswirt der Targobank, zum Gespräch, um den Lesern dieses komplexe Thema mal aus einer anderen Perspektive zu präsentieren.
Sehr geehrter Herr Dr. Lang, sind Handelskriege eigentlich leicht zu gewinnen?
Otmar Lang: Die Antwort ist ein klares Nein. Das Konfliktpotenzial, welches sich hieraus entzünden kann, ist unkalkulierbar. Das gilt auch für den Zollkonflikt zwischen den USA und China.
Oftmals nützen Erfahrungen, um eine Situation besser zu meister als der Gegner. Wie beurteilen Sie die Position Chinas?
Otmar Lang: China kennt das unkalkulierbare Risiko. Im Handelskrieg, den China mit dem Rest der Welt und insbesondere mit England in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts anzettelte, verlor China nach einer dreijährigen Auseinandersetzung Hongkong für 150 Jahre an England. Das war eine sehr schmerzhafte Erfahrung mit Langzeitwirkung. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum China auf die immer neuen Zollvorstöße der USA vergleichsweise besonnen reagiert.
Welche Erfahrungen haben die USA mit Zollkonflikten?
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Otmar Lang: Die USA wollen scheinbar ihre negativen Erfahrungen mit Zöllen ignorieren – und davon haben sie einige. Herausgegriffen werden soll nur einer: In der Weltwirtschaftskrise verhängte die USA 1930 Strafzölle auf hunderte von Produkten aus der ganzen Welt (Smoot-Hawley-Act). Aufgrund des ökonomischen Nationalismus in den USA folgten zahlreiche Staaten dem amerikanischen Beispiel und erhöhten ebenfalls ihre Zölle. Die protektionistischen Tendenzen ließen den Welthandel signifikant schrumpfen. Bis 1933 ging dieser um etwa 60% zurück, der US-Warenexport sank um den gleichen Prozentsatz. Beide Entwicklungen verschärften die Weltwirtschaftskrise. Erst 1934 ruderte die USA zurück. Die US-Wirtschaft erholte sich dennoch erst nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges.
Zurück in die Gegenwart, warum geht es den USA heute?
Otmar Lang: Es steht die Vermutung im Raum, dass es bei der Zollauseinandersetzung nicht um Verbesserungen im Welthandel, sondern um geopolitische Interessen und die Vormachtstellung in der Welt geht. Trump hat oft deutlich gemacht, dass er verhindern wolle, dass China die USA als größte Volkswirtschaft der Erde ablöst. Doch schon vor 2500 Jahren kam Thukydides in seinem Werk der Peloponnesische Krieg zur Erkenntnis: Wenn eine neue politische Macht, damals war das Sparta, entsteht und eine alte herausfordert, in diesem Fall Griechenland, kommt es irgendwann zwangsläufig zum Krieg. Der Peloponnesische Krieg dauerte fast 30 Jahre und endete mit einem Sieg des Emporkömmlings gegen den alten Hegemon.
Was werden unsere Kinder und Enkel über Donald Trump in den Geschichtsbüchern lesen?
Otmar Lang: Manche kolportieren bereits, dass Trump als „Handelskrieger“ und nicht als „Dealmaker“ in die Geschichtsbücher eingehen möchte.
Der „Handelskrieger“-Trump scheint heute vor allem die Finanzmärkte bewegen zu wollen. Wie lange kann das gut gehen?
Otmar Lang: Zweifelsohne steigt die Verunsicherung. Auch die Finanzmärkte können die Auseinandersetzung zwischen den USA und China nicht mehr richtig greifen. Sie spüren aber, dass etwas Ungutes in der Luft liegt. Noch sind die Gewinnerwartungen für das kommende Jahr klar im Plus. Doch viele bedeutende Stimmungsindikatoren deuten in der westlichen Welt einen signifikanten Konjunkturabschwung an. Dazu passt die Entwicklung an den Bondmärkten besser als die an den Aktienmärkten. Wenn es Trump um das große Ganze geht, liegen die Bondmärkte richtig.
Sehr geehrter Herr Lang, Vielen Dank für das Gespräch!
Mit Herrn Dr. Otmar Lang sprach Dr. Carsten Schmidt, Redaktion Wallstreet:Online.