Interview mit Jesscia Schwarzer
Börsenexpertin warnt vor Klumpenrisiko und verrät, was weiblich an ihrem Depot ist
Es kommt auch noch 2019 irgendwie wie ein Exot daher, dass neue Buch der fachkundigen Börsenexpertin Jessica Schwarzer: "Damit sie sich keinen Millionär angeln muss… Erfolgreiche Finanzplanung für Frauen, die unabhängig sein und bleiben wollen". Die Wallstreet:Online-Redaktion bat Frau Schwarzer zum Interview, um mehr über den weiblichen Blick auf Geldanlage zu erfahren und was sich in diesem Segment bereits fundamental verändert.
Sehr verehrte Frau Schwarzer, was ist an Ihrem privaten Depot weiblich?
Jessica Schwarzer: Sie wollen doch sicher wissen, ob ich meine Louis-Vuitton-Aktien noch habe, oder? Ja, die bleibt im Depot! Ansonsten: Was ist an einem Depot schon weiblich? Ich investiere so, wie man es Frauen allgemein nachsagt - nämlich sehr langfristig, sehr breit gestreut, sehr unaufgeregt, nach einer klaren Strategie, allerdings auch mit einer deutlichen höheren Aktienquote als die meisten Frauen.
Wenn es um das Thema Sicherheit geht, dann empfehlen viele Experten, dass Anleger Aktien von Unternehmen kaufen sollen, die sie kennen und die ihnen sympathisch sind. Würden Sie diesen Tipp 1:1 an Frauen weitergegeben?
Jessica Schwarzer: Wir sollten grundsätzlich nur kaufen, was wir kennen und was wir verstehen! Das gilt übrigens nicht nur für Einzelaktien sondern für alle Investments. Nun ist es wahrscheinlich anmaßend zu sagen, man kenne ein Unternehmen wie Louis Vuitton - um bei diesem Beispiel zu bleiben - bis ins kleinste Detail. Aber natürlich müssen wir uns als Investor*innen die Geschäftsmodelle und die Produkte, die Branche und den Markt anschauen. Dabei fällt uns der Zugang um einiges leichter, wenn wir das Unternehmen aus unserem Alltag kennen.
Noch immer ist es vielfach so, dass die Frau für ihren Mann die Anzüge, Krawatten und Schuhe aussucht. Könnte sich daraus ein Anlage-Vorteil für Frauen ergeben, weil sie den Bereich der Konsumgüter besser überblicken?
Jessica Schwarzer: Ist das wirklich noch so? Ich habe in meinem Freundeskreis keine Frau, die ihren Mann einkleidet. Aber ich kenne jede Menge modebegeisterte Männer… Wie auch immer, es hilft sicher bei der Aktienauswahl, wenn man sich für ein Thema begeistert. Aber zu Analysten oder Analystinnen, die tief in die Bilanzen schauen und die Unternehmen bewerten, macht uns das noch nicht…
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Eine persönliche Frage: Würde Sie eher die Birkin-Bag von Hermès im Schrank aufbewahren oder die Aktie von Hermès im Depot bevorzugen?
Jessica Schwarzer: Warum das eine tun und das andere lassen? Da ich allerdings schon die Aktie des Wettbewerbers im Depot habe, muss ich bei der Aktie doch passen. Das würde irgendwann ein ziemliches Klumpenrisiko geben. Wir sollten unsere Investments sehr viel breiter streuen, über viele Branchen, Ländern, Kontinente.
Wie sinnvoll bzw. erfolgreich kann es sein, wenn Anlegerinnen die Aktien ihrer Lieblingsmarken ins Depot nehmen? Worauf sollten die Damen achten?
Jessica Schwarzer: Das kommt auf die Lieblingsmarke an. Es kann gut, sogar sehr gut, weniger gut oder völlig schief gehen. Grundsätzlich würde ich auch eher Fonds und besser noch börsengehandelte Indexfonds (ETFs) empfehlen. Um sich aber dem Thema Aktien anzunähern, ist es keine ganz schlechte Idee, sich auch mal die Aktie der Lieblingsmarke anzuschauen. Einfach, um ein Gefühl für das Thema zu bekommen. Oberstes Gebot der Geldanlage ist aber die Risikostreuung. Also bitte nicht alles auf die Lieblingsmarke oder eine Branche setzen.
Was wären Ihre drei Tipps, wenn Frauen finanziell unabhängig sein wollen?
Jessica Schwarzer: Sie sollten so früh wie möglich mit dem Vermögensaufbau anfangen. Sie sollten die Anlageklasse auf keinen Fall meiden, sondern einen relevanten Teil ihres Ersparten an der Börse investieren - je nach Lebenssituation, Risikotragfähigkeit und Zielen natürlich. ETF- oder Fonds-Sparpläne sind eine tolle Sache und schon mit kleinen monatlichen Raten möglich. Und dann natürlich das Übliche: langfristig investieren, das Risiko breit streuen, die Ruhe bewahren, wenn es mal ruckelig wird. Diese Ratschläge gelten übrigens auch für Männer.
Wenn nur noch Frauen Anlageentscheidungen treffen, wie würden sich die Aktienlandschaft und die Finanzprodukte von Banken und Vermögensverwaltern verändern?
Jessica Schwarzer: Eine schräge Frage! Aber wenn ich darüber nachdenke… Ich glaube nicht, dass sich auf Produktseite viel verändern würde. Frauen brauchen keine anderen Finanzprodukte als Männer. Und es ist ein Klischee, dass Frauen nur in Konsumgüter investieren. Im Gegenteil: Technologietitel, Autoaktien, Chemie und alle anderen Branchen finden sich in ihren Depots genauso. Aber wahrscheinlich würde es weniger turbulent an den Märkten zugehen, wenn nur noch Frauen die Anlageentscheidungen treffen würden. Denn sie handeln überlegter, bleiben ihrer Strategie in der Regel treu, wechseln nicht so oft ihre Favoriten und - das haben Studien gezeigt - bewahren im Crash sogar eher die Nerven.
Wie müssten sich Banken positionieren, wenn sie mehr Frauen als Kundinnen von Anlageprodukten gewinnen wollen?
Jessica Schwarzer: Frauen möchten einfach anders angesprochen, anders abgeholt werden als Männer. Also weniger „höher, schneller, weiter“ - sorry, für das Klischee - und mehr Lebenssituation und Ziele. Vielleicht sollten Banken mehr Beraterinnen einstellen. Frauen verstehen Frauen wahrscheinlich einfach besser.
Gibt es bei jungen Frauen, zum Beispiel durch die Social-Media-Kanäle, ein größeres Interesse an Geld- und Finanzthemen?
Jessica Schwarzer: Das Interesse wächst auf jeden Fall enorm. Das merke ich auf meinen Social-Media-Kanälen, das merke ich an den Reaktionen auf meine aktuelles Buch. Es gibt viele Initiativen und Workshops speziell für Frauen und der Andrang ist wirklich enorm. Das finde ich klasse!
Und zum Abschluss: Welche drei Anlageprodukte sollten in keinen Depot einer Frau fehlen?
Jessica Schwarzer: Aktien, Aktien, Aktien.
Frau Schwarzer, Herzlichen Dank für das Gespräch!
Mit Jessica Schwarzer sprach Carsten Schmidt, Redakteur Wallstreet:Online.
Lesetipp: Jessica Schwarzer, Damit sie sich keinen Millionär angeln muss..., erschienen im Juni 2019.