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     496  0 Kommentare Profis über die erneut gesenkten US-Zinsen: „Unabhängigkeit sieht anders aus“

    Sie hat es wieder getan. Die US-Notenbank senkte wie allgemein erwartet erneut die Leitzinsen in der größten Volkswirtschaft der Welt. Wahrscheinlich auch unter Druck durch Präsident Donald Trump. Hier kommentieren Finanzprofis und Volkswirte die Lage in den USA.Otmar Lang, Chefvolkswirt, Targobank
    War das wirklich notwendig? Die Fed hat heute erwartungsgemäß noch einmal die Zinsen gesenkt. Und das obwohl sich bereits seit geraumer Zeit interner Widerstand gegen die geldpolitische Richtung regt. Möglicherweise haben Amerikas Währungshüter die bereits fest eingepreiste Zinssenkung aber auch nur durchgewunken, um unliebsame Marktreaktionen zu vermeiden.
    Doch viel wichtiger ist die Frage: Was kommt jetzt noch? Wird die amerikanische Notenbank im Dezember noch einmal die Zinsen senken – trotz der vielen fundamentalen Argumente, die gegen eine weitere Lockerung der Geldpolitik sprechen?

    Ein unter Ökonomen und Notenbankern gefürchteter Indikator für eine bevorstehende Rezession ist, wenn die Zinsstrukturkurve invers wird – also die Rendite der zweijährigen Staatsanleihen höher ist als die der zehnjährigen. Das ist seit kurzem nicht mehr der Fall.
    Das von der Fed bevorzugte Inflationsmaß - die Kernrate für die persönlichen Verbraucherausgaben – ist zuletzt wieder gestiegen.
    Die US-Arbeitslosigkeit ist weiter gesunken.
    Der Außenwert des US-Dollars hat nachgegeben, was letztendlich höhere Inflationsraten begünstigt und den Warenexport unterstützt.
    Auch die Entspannung im Handelskonflikt mit China sollte sich auf die amerikanischen Unternehmen übertragen und ihnen helfen, den Investitionsstau abzubauen. Vor diesem Hintergrund erwarten wir, dass die zuletzt noch gesunkenen US-Stimmungsindikatoren in den kommenden Monaten wieder nach oben zeigen. Das gilt nicht nur in den USA, sondern – auch aufgrund der Fortschritte beim Brexit – in der Euro-Zone.

    Mag sein, dass all diese Argumente noch nicht solide genug sind, um für eine Kehrtwende in der Zinspolitik zu sprechen - zumindest aber sollte es kein "Weiter so" geben. Geduldiges Abwarten lautet das Gebot der Stunde. Das hat auch den Vorteil, dass die Fed nicht wie ein Dackel dem US-Präsidenten hinterher hecheln muss.


    Als abschreckendes Beispiel fungiert hier die Europäische Zentralbank: Bei einem Leitzins von minus 0,5 Prozent kann die EZB im Falle eines Konjunktureinbruchs nicht mehr wirklich nachlegen. Ganz so eng sieht es für die Fed zwar noch nicht aus; doch eine alte Faustregel besagt, dass für eine erfolgreiche Rezessionsbekämpfung Luft für Zinssenkungen von mindestens 3 Prozentpunkten vorhanden sein sollten. So sind auch die Ausführungen von US-Notenbank-Präsident Powell zu verstehen. Er könnte heute ganz vorsichtig einer abermaligen Zinswende den Weg geebnet haben.
    Friedrich Heinemann, Leiter "Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft", ZEW Mannheim
    Die erneute Fed-Zinssenkung trotz einer immer noch hervorragenden Lage an den Arbeitsmärkten und einer soliden Wachstumsrate der Wirtschaft ist problematisch, weil die Fed ohne Not ihren Bewegungsspielraum für eine echte Krise einengt. Das Timing kurz nach Bekanntgabe eines besorgniserregenden Haushaltsdefizits der US-Regierung in Höhe von 4,6 Prozent der Wirtschaftsleistung ist noch dazu äußerst unglücklich.
    Die Fed erweckt zunehmend den Eindruck, als ob sie letztlich doch von der Trump-Administration gesteuert wird. Die Abkühlung der Industrie aufgrund des Handelskonflikts mit China und das Eine-Billionen-Staatsdefizit trotz Rekord-Beschäftigung sind beide von der US-Politik verursachte Probleme. Und die Fed muss nun gute Miene zum bösen Spiel machen und diese Fehler finanzieren. Eine echte Zentralbank-Unabhängigkeit sieht anders aus.
    Thorsten Polleit, Chefvolkswirt, Degussa Goldhandel
    Die Zinssenkung – die dritte in Folge – war im Vorfeld allseits erwartet worden. So gesehen gab es heute keine Überraschung. Was aber waren die Gründe für die neuerliche Absenkung der Kreditkosten?

    Zur Begründung verweist die Fed auf die globalen Entwicklungen und die gezähmte Inflation der Konsumgüterpreise.
    Mit einer weiteren "zyklischen Zinsanpassung" soll, so die Fed, einer möglichen Konjunkturschwäche zuvorgekommen werden.
    Das zeigt, wie willkürlich die Geldpolitik bereits geworden ist: Man reagiert nicht mehr auf "harte Daten", sondern auf Zukunftserwartungen, die die Zentralbankräte hegen.
    Irgendwie scheint die Zinssenkung aber auch den Fingerabdruck von US-Präsident Donald J. Trump zu tragen: Der mächtigste Mann der Welt setzt schließlich die Fed heftig unter Druck, die Zinsen zu verringern.

    Ganz besonders wichtig am heutigen Tag ist die Frage: Wie macht die Fed denn nun weiter? Eine Zinspause auf der nächsten Sitzung im Dezember ist wahrscheinlich; diesen Schluss legen die Äußerungen des Fed-Vorsitzenden, Jerome H. Powell, auf der Pressekonferenz nahe.
    Im neuen Jahr jedoch wird aus unserer Sicht der Feldzug gegen den Zins sehr wahrscheinlich weitergehen – und der Fed-Zins wird vermutlich in Richtung 1,0 Prozent abgesenkt, so denken wir. Das US-Finanzsystem braucht nämlich immer niedrigere Zinsen, es kann ganz bestimmt keine Liquiditätsverknappung mehr vertragen. Das zeigt sich beispielsweise daran, dass die Fed seit Ende August 2019 bereits ihre Bilanzsumme um knapp 209 Milliarden Dollar ausweiten musste, um den Interbankenmarkt ("Repo"-Markt) zu stützen.



    Mit der weiteren Verbilligung der Kredite greift die Fed der US-Konjunktur und damit auch der Weltwirtschaft zwar unter die Arme; die Chancen steigen, dass die konjunkturelle "Scheinblüte" so in Gang gehalten wird.
    Jedoch werden dadurch auch bestehende Ungleichgewichte verstärkt und neue heraufbeschworen. Zum Beispiel schläfert die laxe Geldpolitik die Kreditausfallsorgen der Investoren ein. Dadurch werden in den Kreditverträgen die Risiken nicht mehr ausreichend abgegolten; die Risiken im Kreditsystem nehmen zu.
    Auch hält der Zinsniedergang die Vermögenspreisinflation in Gang – also das fortgesetzte Ansteigen der Preise von zum Beispiel Aktien, Häusern und Grundstücken – und das setzt die Kaufkraft des Geldes herab.
    Die künstlich niedrigen Zinsen begünstigen nicht zuletzt auch Überkonsum, Kapitalfehllenkungen und vor allem das Schuldenwachstum – Entwicklungen also, die sich früher oder später in Krisen entladen werden.
    Christian Scherrmann, Volkswirt USA, DWS
    Wie bereits erwartet, senkt die Fed abermals die Leitzinsen um 25 Basispunkte – der dritte Schritt im aktuellen Zyklus. Wirft man einen Blick in das obligatorische Statement, dann könnte es damit aber auch schon alles gewesen sein. Demnach beschäftigen sich die Notenbanker fortan eher mit dem Beobachten der Volkswirtschaft als mit der Frage, welches Zinsniveau überhaupt angebracht wäre. Oder kurz gesagt, die Fed gibt sich erneut datenabhängig.
    In seinem Pressestatement wurde Powell dann noch deutlicher. Die aktuelle Ausrichtung der Geldpolitik ist demnach wahrscheinlich jene, die angebracht ist, um die Wirtschaft aktuell und auch noch einige Zeit zu unterstützen – vorausgesetzt, nichts wendet sich zum Schlechteren. Sollte dies jedoch der Fall sein und sich die Wirtschaft entgegen der Erwartungen der Fed entwickeln, so sei man selbstverständlich bereit, sich neu zu orientieren.
    Powell gelingt es elegant den Märkten zu vermitteln, dass kurzfristig keine weiteren Zinsschritte zu erwarten sind. Die Tür für Anpassungen im Fall der Fälle bleibt jedoch offen. Alles schon einmal gehabt? Ja, und zwar nicht nur in jüngster Vergangenheit. Historisch betrachtet, und Powell verwies bereits darauf, wiederholt man jene Versicherungsstrategie, die schon Alan Greenspan Mitte der 90er Jahre nutzte, um den US-Wachstumszyklus um einige Jahre zu verlängern – nur um später die Zinsen erneut zu erhöhen. Letzteres erwarten wir zwar nicht, jedoch sind auch wir der Überzeugung, dass in den nächsten Monaten kein weiterer Anpassungsbedarf bestehen dürfte.
    Rudolf Besch, Volkswirt, Dekabank
    Die FOMC-Mitglieder haben gestern Abend erwartungsgemäß eine weitere Leitzinssenkung um 25 Basispunkte auf 1,50 Prozent bis 1,75 Prozent beschlossen. Es ist die dritte Senkung in diesem Jahr und erneut war es ein Versicherungsschritt gegen bestehende (globale) Wachstumsrisiken. Bei diesem "kleinen" Treffen gab es neben dem Statement auch eine anschließende Pressekonferenz von Fed-Chef Powell. Aktualisierte Projektionen werden erst wieder mit dem Zinsentscheid im Dezember veröffentlicht. Insgesamt waren die Änderungen im Statement gering.
    Im ersten Abschnitt findet wie üblich die makroökonomische Lagebeschreibung statt und es fanden hier quasi keine Änderungen statt. So wäre die Investitions- und Exportdynamik weiterhin schwach, also eine Bekräftigung der vorherigen Beschreibung. Die Aussagen zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, dem Arbeitsmarkt, dem privaten Konsum und den Inflationsmaßen blieben unverändert. Im zweiten Abschnitt erfolgte die Kommentierung der Leitzinssenkung. Zudem wurde die Aussage hinsichtlich des weiteren Leitzinspfads und dessen Entscheidungsfindung gestrafft. Wir würden hieraus nicht die Schlussfolgerung ziehen, dass eine nochmalige Leitzinssenkung im Dezember vollkommen ausgeschlossen ist. Gleichwohl schient die Hürde für solch einen weiteren Zinsschritt höher zu sein als bislang.



    In der anschließenden Pressekonferenz bezeichnete Fed-Chef Powell in seinem Eingangsstatement die Leitzinssenkung erneut als Versicherungsschritt gegen bestehende Risiken. Weitere Zinssenkungen wären dann möglich, wenn Entwicklungen eintreten sollten, die den grundsätzlichen positiven Ausblick gefährden. Diese Einschätzung scheint der Grund für die textliche Straffung der Aussage zum weiteren Leitzinsausblick zu sein und Marktteilnehmer nahmen dies zum Anlass, in einer ersten Reaktion weitere Leitzinssenkungen auszupreisen. Allerdings scheint auch die Hürde für ein Anheben der Leitzinsen ebenfalls sehr hoch zu sein. Nach Aussage von Powell müsste hierfür die Inflation oberhalb des Inflationsziels notieren. Diese Aussagen sorgten an den Kapitalmärkten wiederum für fallende US-Renditen.
    War es das? Gestern wurde auch bekannt, dass sich die US-Wirtschaft weiterhin relativ robust entwickelt. Vor diesem Hintergrund dürften weitere Leitzinssenkungen kaum noch eine Mehrheit im FOMC bekommen. Letztlich haben sich die globalen Wachstumsrisiken nicht in einer spürbaren Abschwächung der US-Wirtschaft manifestiert. Dies mag sich in den kommenden Monaten noch ändern, denn die Verunsicherungen im Unternehmensbereich dürften noch nachwirken. Gleichwohl scheint die Mehrheit der FOMC-Mitglieder nun gewillt zu sein, die Auswirkungen der bisherigen Lockerungsschritte abzuwarten.
    Thomas Gitzel, Chefökonom, VP Bank
    Überrascht hat, dass nun vorerst keine weiteren Zinssenkungen erfolgen sollen. Letzteres legt der Pressetext nahe. Die Formulierung, dass man "angemessen handeln" werde, um "die wirtschaftliche Expansion zu erhalten", wurde gestrichen. Nun heißt es, dass man "die Auswirkungen eingehender Informationen auf die wirtschaftlichen Aussichten weiterhin überwachen" werde, während man den angemessenen Zinspfad bewerte. Während der Pressekonferenz bestätigte Fed-Präsident Jerome Powell dies nochmals.
    Erstaunt hat vor allem die Aussage Powells, dass die Fed derzeit nicht über eine Zinserhöhung nachdenke. Allein die Verwendung des Wortes "Zinserhöhung" in einem Umfeld, in dem sich die US-Wirtschaft abkühlt, ruft fast schon ein Raunen hervor. Tatsächlich reibt man sich als Volkswirt verwundert die Augen. Die US-Konjunkturrisiken sind in den vergangenen Wochen merklich gestiegen und Powell versucht Sorgen über baldige Zinserhöhungen zu zerstreuen.
    Halten wir uns an die Fakten. Die heute veröffentlichten Wachstumszahlen für das dritte Quartal zeigen, wo die US-Wirtschaft steht. Stützen sind vor allem der private Konsum, die Staatsausgaben und der Wohnungsbau. Die restlichen Komponenten zeigen sich schwach. Vor allem die nachgebenden Ausrüstungsinvestitionen beweisen, dass die Unternehmen vorsichtig werden. Das hat auch Implikationen für den Arbeitsmarkt. Der Stellenzuwachs wird in Zukunft schwächer ausfallen. Damit muss aber die Fed möglicherweise weitere Zinssenkungen lancieren. Wenngleich also die Washingtoner Währungshüter im Dezember vermutlich keine fortgesetzte geldpolitische Lockerung vollstrecken, könnten weitere Zinssenkungen im kommenden Jahr notwendig werden.
    Andreas Busch, Senior-Volkswirt, Bantleon
    In der schriftlichen Erläuterung zum Zinsentscheid nahm die Fed – wie schon beim letzten Mal – nur sehr wenige Änderungen gegenüber der vorangegangenen Sitzung vor. Bei der Beschreibung der aktuellen Lage ist nahezu alles beim Alten geblieben. Demnach setzt sich in den Augen der Fed das moderate Wirtschaftswachstum fort. Der Abschwächung bei den Unternehmensinvestitionen steht nach wie vor ein robuster Konsum gegenüber, der von der anhaltenden Arbeitsmarkterholung profitiert.
    Die einzige wesentliche Anpassung im Statement findet sich beim Zinsausblick. Hier heißt es nicht mehr, man werde "die eingehenden Daten analysieren und angemessen agieren, um die Wirtshaft zu stützen", sondern man werde "die eingehenden Daten analysieren, um den angemessenen Leitzinspfad abzuschätzen".
    Notenbankpräsident Jerome Powell erklärte sofort am Beginn seiner Pressekonferenz, was mit dieser veränderten Formulierung gemeint ist: Aus Sicht der Fed ist das mittlerweile erreichte Zinsniveau angemessen, wenn sich die Wirtschaft weiter so entwickelt, wie von den Währungshütern erwartet. Mit anderen Worten, die Fed hält gegenwärtig keine zusätzlichen Zinssenkungen für nötig.
    Auf der anderen Seite betonte Powell aber auch, die Geldpolitik habe nicht auf Autopilot geschaltet. Wenn sich der Ausblick substanziell ändert, würden auch die Zinsen angepasst.
    Wir gehen unverändert davon aus, dass die US-Wirtschaft nicht in eine Rezession abrutscht, sondern Anfang 2020 wieder Fahrt aufnimmt. Gleichwohl deuten unsere Frühindikatoren kurzfristig auf eine Fortsetzung der konjunkturellen Abschwächung hin. In diesem Zuge dürften nicht zuletzt der Arbeits­markt und der private Konsum – die von der Fed gegenwärtig als Fels in der Brandung angesehen werden – unter Druck kommen (vgl. Abb. unten).



    Aus diesem Grund halten wir an unserer Einschätzung fest, wonach die US-Notenbank ein weiteres Mal die Leitzinsen um 25 Bp reduzieren wird, bevor der Senkungszyklus endet. Da bis zur nächsten FOMC-Sitzung im Dezember nur wenige neue Daten zur Verfügung stehen, könnten die Währungshüter zunächst noch abwarten. Bis zum folgenden Treffen Ende Januar dürfte die Wirtschaft aber so weit an Schwung verloren haben, dass spätestens dann eine weitere geldpolitische Lockerung angebracht ist.

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