Einkommensteuerreform
Christine Bortenlänger: Scholz-Pläne drohen deutsche Aktienkultur zu ersticken
In dieser Woche schickten die drei großen Interessenvereine für Privatanleger - Deutsches Aktieninstitut (DAI), Deutsche Derivate Verband (DDV) und Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) - eine gemeinsame Protestnote an das Bundesfinanzministerium. Es geht um die geplante Änderung des Einkommensteuergesetzes dahingehend, dass zukünftig Totalverluste aus Wertpapiergeschäften nicht mehr mit Gewinnen aus entsprechenden Geschäften verrechnet werden können.
Die wallstreet:online-Redaktion fragte bei Dr. Christine Bortenlänger, Geschäftsführender Vorstand des Deutschen Aktieninstituts, nach den möglichen Auswirkungen der Gesetzesänderung für Anleger und was Olaf Scholz noch so in der Schublade hat, um interessierte Anleger und alte Hasen vom Wertpapierhandel fernzuhalten.
Sehr verehrte Frau Dr. Bortenlänger, bitte schildern Sie unseren Lesern in wenigen Sätzen was es mit den geplanten Änderungen im Rahmen der Einkommensteuerreform auf sich hat?
Dr. Christine Bortenlänger: Seit der Einführung der Abgeltungsteuer 2009 werden Kursgewinne, die beim Verkauf von Aktien realisiert werden, besteuert. Konsequenterweise werden Verluste aber auch steuerlich berücksichtigt und können gegen Gewinne aus Aktiengeschäften verrechnet werden. Wenn es jetzt nach dem Willen des Bundesfinanzministers geht, wird diese Verrechnungsmöglichkeit zukünftig eingeschränkt. Aktionäre dürfen dann Totalverluste, die in Folge der Insolvenz des Unternehmens, in das investiert wurde, nicht mehr gegen Aktiengewinne aufrechnen.
Zu welchem Zeitpunkt könnte die Änderung in Kraft treten?
Dr. Christine Bortenlänger: Ursprünglich war ein Inkrafttreten zum 1. Januar 2020 geplant. Die Regierungsparteien sind sich jedoch hinsichtlich der Frage der steuerlichen Anerkennung von Totalverlusten bei Wertpapiergeschäften nicht einig. Deshalb wurden die parlamentarischen Beratungen verschoben. Zu hoffen wäre, dass die Regierungsparteien zur Vernunft kommen und die skizzierten Änderungspläne wieder fallen lassen.
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Welche Anleger sind betroffen?
Dr. Christine Bortenlänger: Alle Anleger sind betroffen, die mit Aktien oder Anleihen etwas für ihren Vermögensaufbau tun oder für das Alter vorsorgen wollen. Jeder, der einen Totalverlust erleidet, wird auch noch steuerlich abgestraft. Ebenfalls betroffen sind Anleger, deren Optionsscheine wertlos werden, mit denen sie etwa ihr Depot absichern wollten.
Können sich Anleger wehren, und wenn ja wie?
Dr. Christine Bortenlänger: Einige Experten halten das Gesetz für verfassungswidrig, da es das steuerliche Nettoprinzip nicht ausreichend berücksichtigt. Dieses besagt, dass Gewinne besteuert und Verluste steuermindernd berücksichtigt werden müssen. In letzter Instanz könnte die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes vom Bundesverfassungsgericht überprüft werden.
Was sind die nächsten Schritte des Deutschen Aktieninstituts?
Dr. Christine Bortenlänger: Wir werden zahlreiche Gespräche mit der Politik führen und auf die negativen Auswirkungen der geplanten Gesetzesänderung auf die Aktienanlage hinweisen. Darüber hinaus werden wir die Bürger über die Medien informieren, welche Nachteile sie erwarten würden, wenn die Politik auf ihrem Entwurf beharrt.
Welche weiteren Maßnahmen aus dem Bundesfinanzministerium beobachten Sie, die womöglich Anleger fürchten müssen?
Dr. Christine Bortenlänger: Leider ist das, was derzeit aus dem Bundesfinanzministerium kommt, alles andere als anleger- und aktienfreundlich. Der Plan eine Finanztransaktionsteuer ausschließlich auf den Aktienhandel einzuführen, würde das Sparen mit Aktien verteuern und unattraktiver machen. Dass der Solidaritätsbeitrag im Zusammenhang mit der Abgeltungsteuer beibehalten werden soll und somit weiterhin bei Gewinnen aus Aktiengeschäften anfiele, ist auch nicht nachvollziehbar. All diese Maßnahmen drohen das Interesse der Deutschen an der Aktienanlage im Keim zu ersticken – zu Lasten ihres Vermögensaufbaus und ihrer Altersvorsorge.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Dr. Carsten Schmidt für wallstreet:online.