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    Exklusivinterview mit Christian Apelt  4101  0 Kommentare Helaba-Devisenexperte: Wo sich trotz Brexit-Chaos Anlegerchancen in Pfund ergeben

    Wie stehts wirklich ums Pfund Sterling? Die wallstreet:online-Redaktion bat den Devisenexperten Christian Apelt von der Helaba zum Gespräch.

    wallstreet:online: Sehr geehrter Herr Apelt, sollten Anleger zum jetzigen Zeitpunkt sich Pfund ins Depot legen? Wie ist die Stimmung am Devisenmarkt?

    Christian Apelt: Kurzfristig betrachtet ist das Pfund eher etwas für Anleger, die gerne auf politische Ereignisse spekulieren. Insgesamt verhalten sich die Teilnehmer am Devisenmarkt derzeit eher abwartend. Die Pfund-Kurse haben im Vorfeld des vorherigen EU-Austrittstermins Ende Oktober deutlich geschwankt. Zunächst geriet das Pfund aus Sorge vor einem ungeordneten Brexit unter Druck. Dann erholte sich die Währung wieder, da zum einen die Frist verlängert wurde, zum anderen mit dem von Premierminister Johnson neu ausgehandelten Deal eine Lösung greifbar scheint.

    wallstreet:online: Wie hat das britische Pfund bislang auf den Brexit reagiert? Was waren die Meilensteine?

    Christian Apelt: Das Britische Pfund ist quasi das erste „Opfer“ des Brexits. Schon im Vorfeld des Referendums im Juni 2016 verlor das Pfund gegenüber dem Euro zeitweise mehr als zehn Prozent. Im Anschluss an den Volksentscheid gab das Pfund noch einmal gut 15 Prozent nach. Der Euro-Pfund-Kurs stieg von 0,70 im Dezember 2015 bis auf 0,94 in der Spitze im Oktober 2016. Seitdem wechseln sich je nach politischer Wetterlage Erholungen und Schwächephasen regelmäßig ab. Der Euro-Pfund-Kurs pendelt weitgehend im Bereich von 0,85 bis 0,90.

    wallstreet:online: Für den 12. Dezember sind Neuwahlen des britischen Unterhauses angesetzt. Inwieweit könnte das Ergebnis das britische Pfund beeinflussen? Welche Szenarien sind denkbar?

    Christian Apelt: Mit einem eindeutigen Ergebnis könnte das Brexit-Drama ein vorläufiges Ende nehmen und dem Pfund einen Schub geben. Am günstigsten wäre wohl ein deutlicher Sieg der Konservativen. Premier Johnson könnte dann seinen EU-Deal durch das Parlament bringen, so dass der Brexit Ende Januar vollzogen werden kann. Ein Sieg der Opposition hätte zwar auch positive Aspekte. Eine Regierung aus Labour und Liberal-Demokraten würde vermutlich ein zweites Referendum ausrufen, was den Brexit insgesamt sogar stoppen könnte. Allerdings würde sich dann zum einen die Unsicherheitsphase verlängern. Zum anderen wird die Wirtschaftspolitik von Labour-Führer Corbyn sehr kritisch gesehen – vorsichtig ausgedrückt. Sollten die Mehrheitsverhältnisse nach den Wahlen so unklar bleiben wie zuletzt, würde sich die Hängepartie fortsetzen. In dem Fall würde das Pfund wohl zunächst nachgeben.

    Christian Apelt, Devisenmarktstrategie, Helaba (Landesbank Hessen-Thüringen).

    wallstreet:online: Jean Claude Juncker will, dass der Brexit am 31. Januar 2020 vollzogen wird. Wie könnte sich das britische Pfund nach einem Brexit zum Euro und US-Dollar entwickeln?

    Christian Apelt: Mit einem geregelten EU-Austritt Ende Januar wäre die Unsicherheit vorerst beendet, ein Chaos-Brexit bliebe aus. Danach muss zwar immer noch das zukünftige Verhältnis zwischen Großbritannien und der EU ausgehandelt werden, aber die ganz großen wirtschaftlichen Verwerfungen wären kaum noch zu befürchten. Das Britische Pfund sollte von einer nachlassenden Unsicherheit profitieren. Fundamental betrachtet ist die britische Währung unterbewertet. So weist das Pfund gegenüber dem Euro einen recht stabilen Renditevorteil auf, der sich aufgrund des Brexit-Abschlags nicht in den Kursen widerspiegelt. Sofern die Verhandlungen über das zukünftige Verhältnis einigermaßen kooperativ verlaufen, dürfte das Pfund zulegen bzw. der Euro-Pfund-Kurs in Richtung 0,80 fallen. Gegenüber der US-Währung besitzt das Pfund noch größeres Potenzial. Schließlich ist der US-Dollar generell stark überbewertet. US-Protektionismus und Defizite mahnen zur Vorsicht. Ein Pfund könnte sich von aktuell 1,28 auf mehr als 1,40 US-Dollar verteuern.

    wallstreet:online: Donald Trump und Boris Johnson haben über ein neues bilaterales Handelsabkommen zwischen Großbritannien und den USA nach dem Brexit gesprochen. Johnson will eine Aufhebung der Zölle auf Produkte aus Großbritannien. Welche Auswirkungen hätte ein Handelsabkommen auf die britische Wirtschaft und das britische Pfund?

    Christian Apelt: Ein Handelsabkommen zwischen den USA und Großbritannien würde der britischen Wirtschaft helfen und damit indirekt auch dem Pfund. Allerdings ist der Weg bis dahin noch weit. Zuletzt kamen ja sogar von Donald Trump skeptische Töne. Grundsätzlich dauern solche Verhandlungen ohnehin mehrere Jahre. Zudem wird eine Trump-Regierung für die Briten kein einfacher Verhandlungspartner. Ein zeitnahes bilaterales Abkommen ist daher recht unwahrscheinlich.

    wallstreet:online: Könnte die Bank of England mit einer Lockerung der Geldpolitik und einer Senkung des Leitzinses auf das britische Pfund einwirken? Wie lautet Ihr Ausblick für 2020?

    Christian Apelt: Die Bank of England hat die Tür für eine Zinssenkung zumindest offen gelassen. Anders als EZB oder die Fed hat sich die britische Notenbank dem internationalen Zinssenkungstrend bislang nicht angeschlossen. Die britische Konjunktur leidet zwar unter den politischen Unsicherheiten, gemessen an diesem Chaos schlägt sie sich aber fast schon gut. Sofern sich der Brexit klärt und auch der internationale Handelskonflikt an Schärfe verliert, wird die Bank of England ihren Leitzins 2020 wohl beibehalten. Eine Zinssenkung würde das Aufwertungspotenzial des Pfunds etwas verringern, aber nicht grundsätzlich verändern. Schließlich dominieren bei der britischen Währung seit 2016 die Politik und nicht ökonomische Entwicklungen.

    wallstreet:online: Welche Alternativen gibt es, um an den Kursbewegungen der britischen Währung zu partizipieren?

    Christian Apelt: Anleger könnten Anleihen in britischer Währung kaufen, bevorzugt kürzere Laufzeiten. Bei denen dürfte der Währungseffekt die Veränderung der Anleihekurse dominieren. Bei britischen Aktien ist die Lage etwas komplizierter. Einerseits besteht hier das allgemeine Kursrisiko von Aktien. Andererseits würden einige der sehr international ausgerichteten Konzerne sogar unter einer Pfund-Aufwertung leiden. Aus reinen Währungsgesichtspunkten sind mittlere und kleinere Unternehmen aus den breiteren Aktienindizes attraktiver.

    Vielen Dank für das Gespräch Herr Apelt!

    Dr. Carsten Schmidt sprach mit Christian Apelt, Devisenmarktexperte bei der Helaba, für wallstreet:online.


    Lesetipp unser Partnerredaktion: Brexit, Zölle und Handelskrieg zum Trotz: Diese Aktienfonds rocken Europa.

     

     





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