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    Lebensart & Kapital – International  19509  2 Kommentare Nähe verbindet: Tschechien - ein freiheitsliebendes Land strebt nach oben

    Die meisten Deutschen betrachten Tschechien als ein osteuropäisches Land – die Tschechen hingegen sehen ihr Land als Teil Mitteleuropas. Sowohl die Kultur und Geschichte als auch die Mentalität und Küche des Landes bestätigen die Nähe Tschechiens zu Deutschland und Österreich. Mathias von Hofen, Autor der wallstreet:online-Partnerredaktion Smart Investor, hat sich aufstrebende Land besonders für auswanderwillige Zeitgenossen genauer angesehen:

     

     

    Zur Geschichte Tschechiens

    Allerdings sind die deutsch-tschechischen Beziehungen nicht nur durch Gemeinsamkeiten, sondern auch durch Konflikte geprägt worden. Seit 1526 gehörten Böhmen und Mähren, die zwei historischen Regionen des modernen Tschechien, zum österreichischen Habsburgerreich. Mit Ende des Ersten Weltkriegs und dem Untergang des Habsburgerreiches entstand die Tschechoslowakei als neuer Staat. Sie setzte sich aus Böhmen und Mähren, der Slowakei und der Karpatenukraine zusammen. Im neuen Staat lebten neben Tschechen und Slowaken auch eine große deutsche und ungarische Minderheit. Obwohl die Tschechoslowakei über die gesamte Zwischenkriegszeit die einzig funktionierende Demokratie in Mittel- und Osteuropa darstellte, wuchsen die Spannungen mit den Minderheiten. So wurde die Zerschlagung der Tschechoslowakei durch das nationalsozialistische Deutschland in den Jahren 1938/39 von vielen Sudetendeutschen und Ungarn begrüßt, von den Tschechen aber abgelehnt. Nach der Eroberung durch die Rote Armee 1945 wurde die wiedererrichtete Tschechoslowakei ein kommunistischer Staat und Teil des Warschauer Paktes. Die deutsche Minderheit wurde 1945 größtenteils vertrieben. Bestrebungen des Ministerpräsidenten Dubcek, das kommunistische Regime zu liberalisieren, endeten mit dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes im August 1968 und der Niederschlagung des Prager Frühlings.

    Infolge des demokratischen Umbruchs in ganz Osteuropa trat auch die kommunistische Führung der Tschechoslowakei im Dezember 1989 zurück. Neuer Staatspräsident wurde der Bürgerrechtler Václav Havel. 1993 teilte sich die Tschechoslowakei in die Tschechische und die Slowakische Republik, wobei nach Umfragen allerdings zwei Drittel der Bevölkerung gegen diese Aufteilung waren. Initiatoren der Teilung waren der damalige Ministerpräsident, Václav Klaus, und sein slowakisches Gegenstück, Vladimír Mečiar.

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    Die tschechische Gesellschaft und der Individualismus der Tschechen

    Verschiedene Historiker erkennen in der tschechischen Geschichte ein starkes Streben nach individueller Freiheit. Auch heute wird Tschechien als eine freie und vergleichsweise liberale Gesellschaft bewertet – beispielsweise gilt die Drogenpolitik des Landes als weit liberaler als jene der meisten EU-Länder. So hat Tschechien aber auch den Ruf der „Drogenküche Europas“ erworben. Seit zwei Jahren geht der Staat nun verstärkt gegen die Herstellung synthetischer Drogen vor.

    Auch in einem anderen Punkt besitzt Tschechien Merkmale einer individualistischen Gesellschaft: Die Kirchen haben wenig Einfluss. Der Anteil Konfessionsloser zählt zu den höchsten in Europa. Doch auch die tschechische Politik ist vom Individualismus geprägt. Die Bindung der Tschechen an bestimmte Parteien ist schwach ausgeprägt. Die Wahlbeteiligung ist niedrig und die Bereitschaft zur Protestwahl hoch. Bei fast jeder Wahl gelangen neue Parteien ins Parlament, sowohl auf nationaler als auch auf regionaler Ebene. Darüber hinaus sind die politischen Grenzen zwischen den Parteien weniger scharf als in Deutschland: So wird Tschechien seit Juni 2018 von einer Koalition zwischen der populistischen ANO 2011 und der sozialdemokratischen CSSD regiert. Diese Minderheitsregierung wird von der kommunistischen Partei im Parlament toleriert. 

    Der Individualismus der Tschechen kollidiert oft auch mit den politischen Reglementierungen durch die EU. Der jetzige Ministerpräsident, Andrej Babiš, und besonders Präsident Miloš Zeman vertreten sehr EU-kritische Positionen. Tschechien lehnt in verschiedenen Bereichen die Politik der EU Kommission ab, beispielsweise beim Euro und der europäischen Flüchtlingspolitik. Zugleich weisen die Tschechen eine hohe Protestbereitschaft auf, wie die Massendemonstrationen gegen Ministerpräsident Babiš vor wenigen Wochen zeigten. Letzterer ist in eine Korruptionsaffäre verstrickt.

    Lebenshaltungspreise in Tschechien

    Ist Tschechien ein Land, in dem man günstig leben kann? Hier kommt es ganz auf den Wohnort an. In Prag liegen die Preise in vielen Bereichen auf dem Niveau deutscher Großstädte. Dies gilt z.B. für den Besuch eines guten Restaurants. Nur außerhalb des stark touristischen Zentrums wird es günstiger. Dort sowie in anderen Regionen des Landes kann man oft für unter 10 EUR essen gehen, einschließlich des bei den Tschechen so beliebten Glases Bier. Die Preise für öffentliche Verkehrsmittel liegen um bis zur Hälfte niedriger als in Deutschland; auch Übernachtungen sind, zumindest außerhalb von Prag, bis zu 40% günstiger. Die Medikamentenpreise betragen in Tschechien 20% bis 50% weniger, und auch bei einigen Dienstleistungen, beispielsweise Friseurbesuchen, sind die Preise im Vergleich zu ihren deutschen Pendants erheblich niedriger. 

    Die Durchschnittsmonatsmiete in Prag liegt bei ungefähr 13 EUR pro Quadratmeter. Beim Kauf einer Neubauwohnung muss man in Prag einen Kaufpreis von 3.000 bis 4.000 EUR pro Quadratmeter einkalkulieren. In Brünn (Brno), der zweitgrößten Stadt Tschechiens, liegt der Quadratmeterpreis von Neubauten bei etwa 2.500 EUR. Je nach Wohnlage bestehen aber in beiden Städten deutliche Abweichungen nach unten und oben. Auf dem Land sind Mieten und Wohnungspreise generell günstiger. Aufgrund der guten Wirtschaftslage steigen die Wohnkosten in ganz Tschechien. Seit Mitte 2015 haben sich die Preise für Neubauwohnungen in Prag um 90% erhöht.

    Die tschechische Wirtschaft

    In den 1990er-Jahren hatte die tschechische Wirtschaft durch die Umstellung von einem planwirtschaftlichen auf ein marktwirtschaftliches System noch mit massiven Problemen zu kämpfen. Seitdem erzielt das Land aber gute Wachstumsraten. Grundlage dafür ist die starke industrielle Basis Tschechiens, durch die es schon vor dem Zweiten Weltkrieg eine führende europäische Industrienation war. Selbst in der kommunistischen Zeit verfügte vor allem der böhmische Landesteil über eine vergleichsweise starke Industrie. Zu den wichtigsten Branchen zählen vor allem die Automobilindustrie, der Maschinenbau, die Lebensmittel- und die chemische Industrie. Die in Böhmen traditionell sehr wichtige Glasindustrie hat an Bedeutung verloren.

    Die Beschäftigungschancen sind in Tschechien sehr gut; eine Arbeitslosigkeit von 2% sucht in der EU ihresgleichen. Allerdings liegt der Durchschnittslohn bei nur umgerechnet 1.000 EUR. Für Ausländer mit einer qualifizierten Ausbildung bestehen in Tschechien gute Beschäftigungschancen, besonders wenn auch Tschechischkenntnisse vorhanden sind. Für deutsche Arbeitssuchende ist es ein Vorteil, dass Deutschland mit einem Anteil von 30% der wichtigste Handelspartner Tschechiens ist.

    Bei der Einkommensteuer gilt in Tschechien ein einheitlicher Steuersatz natürlicher Personen in Höhe von 15% des Bruttolohns („Flat Tax“). Seit 2013 gibt es eine zusätzliche „Reichensteuer“ von 7%. Diese Steuer wird fällig, sobald eine Person das Vierfache des Durchschnittslohns verdient. Seit 2010 müssen juristische Personen eine einheitliche Körperschaftsteuer von 19% zahlen. Die meisten Waren und Dienstleistungen werden in Tschechien mit einem Mehrwertsteuersatz von 21% versteuert. Ein ermäßigter Satz von 14% gilt für viele Lebensmittel sowie Arzneimittel, Bücher und Printmedien. 

    Wo lebt es sich am besten?

    Die Stadt mit dem größten kulturellen und gastronomischen Angebot in Tschechien ist Prag. Attraktiv sind auch die beiden Kurstädte Karlsbad und Marienbad. Besonders für ältere Menschen ist eine Ansiedlung dort interessant. Beide Orte locken mit einer landschaftlich reizvollen Lage, zahlreichen Kureinrichtungen und historischen Bauten sowie der Nähe zur deutschen Grenze. Die Preise in beiden Städten liegen insgesamt aber nur geringfügig unter denen in Prag.

    Brünn (Brno) ist eine Stadt, die in den letzten Jahren stark an Lebensqualität gewonnen hat. Die zweitgrößte tschechische Stadt hatte seit dem Ende des Kommunismus viele Einwohner verloren – seit 2005 wächst die Einwohnerzahl aber wieder kräftig. Vor allem junge Menschen zieht es nach Brünn. Die Lebenshaltungskosten sind niedriger als in Prag; die Kulturszene ist vielfältig, verfügt die Stadt doch beispielsweise über 16 Theater. Brünn ist ein wichtiger Industriestandort und besitzt zahlreiche Forschungsstätten und mehrere Hochschulen, sodass ein überdurchschnittliches Arbeitsplatzangebot besteht.

    Auswanderungswillige können in Tschechien grundsätzlich auch in kleineren Städten leben. Dort sind die Lebenshaltungskosten natürlich niedriger als in den großen Städten. Es gibt zwar auch in Tschechien deutliche Unterschiede im Lebensniveau zwischen Stadt und Land, doch fallen diese geringer aus als in den meisten anderen osteuropäischen Ländern. Gute Tschechischkenntnisse sind in ländlichen Regionen aber wichtiger als in den eher international ausgerichteten Großstädten. Die Infrastruktur des Landes ist relativ gut ausgebaut.

    Fazit

    Tschechien ist ein Land, das für Auswanderungswillige durchaus ein interessantes Ziel darstellen kann. Gerade für Menschen, denen die kulturelle und räumliche Nähe zu Deutschland wichtiger ist als Exotik und Palmenstrände, ist das Land der Böhmen und Mähren eine Alternative.

    Autor: Mathias von Hofen / Smart Investor

    (Diese Analyse aus der Smart Investor-Ausgabe 12/19 bezieht sich auf Daten, die bis zum 23.11.2019 erfasst wurden.)

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