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    Exklusiv-Interview  2233  2 Kommentare Olaf Lies: Windenergie-Branche darf nicht gleiches Schicksal wie Solarindustrie erleiden

    Im Gegensatz zum Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) fordert der Umwelt- und Energieminister Niedersachsens, Olaf Lies (SPD), im Gespräch mit der wallstreet:online-Redaktion einen Verzicht auf die in seinen Augen "unsinnige" Regelung: den Mindestabstand von 1.000 Metern für Windräder. Ein Exklusiv-Interview mit dem niedersächsischen Minister über eine Branche in Schwierigkeiten.

    wallstreet:online: Herr Lies, im Frühjahr ging die Insolvenz des Hamburger Windkraft-Konzerns Senvion durch die Medien. Sehen Sie Parallelen zur aktuellen Enercon-Krise, dem größten deutschen Hersteller von Windenergieanlagen?

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    Olaf Lies: Ich denke das kann man nicht über einen Kamm scheren. Eine grundlegende Parallele gibt es natürlich, denn die externen Rahmenbedingungen – also der weitgehende Einbruch des Windenergiezubaus im deutschen Markt und die stockende Genehmigungssituation – betreffen die Unternehmen in vergleichbarer Weise.

    wallstreet:online: Im Jahr 2017 entstanden in Deutschland 1.792 Windräder, während es 2018 noch 743 waren. Wie erklären Sie diesen erheblichen Rückgang und wie sieht es 2019 aus?

    Olaf Lies: Der Zubau, den wir in 2017 und 2018 sahen, geht nahezu vollständig auf Projekte zurück, die noch nicht dem Ausschreibungsregime unterworfen waren und noch eine gesetzlich festgelegte Vergütung erhalten. Der Start in die Ausschreibungen in 2017 ist gründlich missglückt, da die grundsätzlich gut gemeinten Sonderregeln für Bürgerenergieprojekte – diese durften auch ohne immissionsschutzrechtlicher Genehmigung teilnehmen – von einigen professionellen Projektieren ausgenutzt wurden. Im Endeffekt setzten sich fast nur vermeintliche Bürgerenergieprojekte ohne bestehende Genehmigung durch. Da diese Projekte teils noch weit von der Baureife entfernt sind, sehen wir gegenwärtig eine Ausbaulücke.

    wallstreet online: Was sind aktuell die größten Hürden für sowohl Offshore - als auch Onshore-Windparks in Deutschland?

    Olaf Lies: Das mögliche Ausbauvolumen wird grundlegend durch die gesetzlichen Ausbaupfade im Erneuerbare-Energien-Gesetz bestimmt. In Hinblick auf die Energie- und Klimaziele ist offenkundig, dass diese deutlich erhöht werden müssen. Ganz akut ist aber die aktuell stockende Genehmigungssituation. Dabei gibt es Hemmnisfaktoren, die sich kurzfristig beseitigen ließen. Ich denke vor allem an die zivile Flugsicherung, die mit – im internationalen Vergleich – überzogenen Schutzradien bundesweit fünf Gigawatt an Windenergieprojekten blockiert.

    wallstreet:online: China spielt für die Branche eine wichtige Rolle - es gilt als größter Markt, aber gleichzeitig nur schwer zugänglich für Unternehmen aus dem Ausland. Wie beurteilen Sie die Konkurrenz - Unternehmen aus China und den USA - aus dem Ausland?

    Olaf Lies: Wir sollten die Konkurrenz ernst nehmen, das lehrt uns die Geschichte der Solarindustrie. Gewiss können wir in Deutschland nicht nach chinesischem Wirtschaftsmodell Unternehmen unterstützen. Wir sollten aber alles daran setzen, die nationale Windbranche nicht durch unnötige Hemmnisse im Wettbewerb zu belasten. Ein verlässlicher Heimatmarkt ist wichtig.

    wallstreet:online: Zurück auf den heimischen Boden und den Fokus auf Niedersachsen gerichtet: Wer hat Schuld an der Enercon-Krise?

    Olaf Lies: Wie gesagt: Die Gründe sind vielfältig. Die gravierendsten Probleme, die die Politik beeinflussen kann, gilt es rasch zu lösen.

    wallstreet:online: Was sind Ihre drei wichtigsten Forderungen gegenüber der Bundesregierung bzw. einzelnen Ministern?

    Olaf Lies: Ich mache es kurz: Anlagenschutzbereiche um DVOR (Doppler Very High Frequency Omnidirectional Radio Range - Doppler-UKW-Drehfunkfeuer) von 15 auf zehn Kilometer absenken, Netzausbaugebiet aufheben, Verzicht auf die unsinnige 1.000 Meter Regelung und stattdessen wirksame Akzeptanzinstrumente schaffen zur Stärkung von Bürgerenergie und zur finanziellen Beteiligung betroffener Gemeinden an der Wertschöpfung von Windenergieanlagen.

    wallstreet:online: Könnte die Energiewende in Deutschland ohne Windparks gelingen? Welche Alternativen - mit weniger Hürden bezüglich Planung und Realisierung - gibt es? Was halten Sie vom Import?

    Olaf Lies: Ich sehe kein realistisches Szenario einer erfolgreichen Energiewende ohne umfängliche Nutzung der Windenergie an Land und auf See. Planungsverfahren müssen robuster und rechtssicherer gemacht werden, dazu braucht es auch klare Handreichungen zum Umgang mit Themen wie Artenschutz. Im- und Export gehören zum alltäglichen Austausch im europäischen Stromverbundnetz. In der energetischen Gesamtbilanz sollten wir aber unsere heimischen Potenziale zur regenerativen Energieversorgung weitestgehend erschließen.

    wallstreet:online: Das Bundesland Brandenburg hat in diesem Jahr den "Windkraft-Euro" i.H.v. 10.000 Euro pro Windrad beschlossen. Halten Sie diesen Schritt für richtig oder eher kontraproduktiv?

    Olaf Lies: Ich halte dies für ein wichtiges Signal an die Bundesregierung, die im Koalitionsvertrag angekündigte finanzielle Beteiligung von Kommunen an der Windenergie zu verwirklichen. Ich habe mich allerdings stets für eine bundesweite, bundeseinheitliche Regelung ausgesprochen, da dies wettbewerbsneutral ist und Ausschreibungen nicht verzerrt. Für die vom Bund nun auf den Weg gebrachte Umsetzung über die Grundsteuer gilt das leider nicht.

    wallstreet:online: Findet derzeit eine Auslese dahingehend statt, dass mittelgroße deutsche Windkraftunternehmen nicht zu den Weltmarktführern aufschließen konnten?

    Olaf Lies: Der Systemwechsel mit dem EEG 2017 (Erneuerbare-Energien-Gesetz 2017) weg von gesetzlich bestimmten Vergütungen hin zu einem wettbewerblichen Ausschreibungssystem war sicherlich gerade für kleinere Projektierer eine Zäsur. Der Start ins Ausschreibungssystem mit den missglückten Sonderregelungen für Bürgerenergieprojekte hat sein Übriges getan. Damit der Windbranche nicht das Schicksal der Solarindustrie droht, braucht es nun entschlossenes Handeln und ein klares Bekenntnis aller zu den Energie- und Klimazielen und damit auch zur Notwendigkeit weiteren Windenergieausbaus.

    wallstreet:online: Rechnen Sie mit weiteren Unternehmenspleiten?

    Olaf Lies: Da maß ich mir keine Prognose an, befürchte dies aber und plädiere daher wie gesagt für zielorientiertes Handeln - d. h. Hemmnisse abbauen statt neue konstruieren.

    wallstreet:online: Haben womöglich ausländische Unternehmen Interesse an den strauchelnden deutschen Unternehmen - Stichwort: Übernahme zum Schnäppchenpreis?

    Olaf Lies: Das erleben wir bereits in anderen Branchen und ist nüchtern betrachtet Teil einer globalisierten Wirtschaft. Als Landesminister wünsche ich mir aber natürlich, dass das hierzulande über Jahre aufgebaute Knowhow in der Zukunftsbranche Windenergie am hiesigen Industriestandort gehalten, mit Unterstützungsmaßnahmen durch die aktuelle Delle geführt und weiter ausgebaut wird.

    Vielen Dank für das Gespräch!

    Mit Olaf Lies sprach Dr. Carsten Schmidt für wallstreet:online.





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    Im Gegensatz zum Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) fordert der Umwelt- und Energieminister Niedersachsens, Olaf Lies (SPD), im Gespräch mit der wallstreet:online-Redaktion einen Verzicht auf die in seinen Augen "unsinnige" Regelung: den Mindestabstand von 1.000 Metern für Windräder. Ein Exklusiv-Interview mit dem niedersächsischen Minister über eine Branche in Schwierigkeiten.

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