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    Max Otte  30796  0 Kommentare "Weltsystemcrash"-Bestsellerautor Max Otte: "Das ist eine Art Imperialismus" - Exklusiv

    Unsere sehr geschätzten Journalisten-Kollegen, Ralf Flierl und Ralph Malisch von Smart Investor, der Partnerredaktion von wallstreet:online, haben Prof. Dr. Max Otte, der mit „Weltsystemcrash“ einen weiteren aufsehenerregenden Bestseller vorgelegt hat, zum Gespräch gebeten:

    Smart Investor: Herr Prof. Dr. Otte, im Einleitungsteil Ihres neuen Buches „Weltsystemcrash“ widmen Sie die ersten Kapitel der Geopolitik. Ist diese auch der Urgrund der aktuellen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verwerfungen?

    Otte: Wir haben zwei große Megatrends bzw. Verwerfungen, die uns dahin gebracht haben, wo wir heute sind. Da ist zum einen die Geopolitik mit dem Aufstieg Chinas und dem relativen Abstieg der USA. So etwas passiert nur alle 70 Jahre einmal im Weltsystem. Damals war es der Aufstieg des Deutschen Reiches und der relative Abstieg Englands. Aber das führt zu großen Folgewirkungen – manchmal sogar zu großen Kriegen. Der zweite Megatrend ist die Ausbreitung des Finanzkapitalismus angelsächsischer Prägung, die zu einem Abschmelzen der Mittelschicht und zur Entstehung einer Klasse der Superreichen geführt hat. Jetzt klinge ich links, aber ich kann das mit Fakten belegen und tue das in meinem Buch auch. Diese beiden großen Trends führen zu den Problemen, die wir jetzt haben.

    Smart Investor: Sind beide Trends miteinander verbunden? Ist also die angelsächsische Spielart des Kapitalismus ein Versuch der Amerikaner, ihre Stellung zu halten?

    Otte: Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist Amerika die Führungsmacht – und die bestimmt typischerweise die Regeln in ihrem Einflussbereich; in den ersten 40 Jahren eher dezent und seit rund 20 Jahren massiv. Der Versuch, die alliierten oder assoziierten Staaten tiefer in das eigene System einzubinden, ist bereits ein Reflex auf den relativen Abstieg.

    Smart Investor: Der „unipolare Moment“ nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ist ungenutzt verstrichen. Was müsste geschehen, um das Fenster zu Russland wieder zu öffnen?

    Otte: Die Chance ist nicht vertan worden, sie wurde bewusst zerstört. Schon vor dem 11.9.2001 gab es eine große Sorge in Amerika: Was hält die NATO zusammen? Die Antwort war immer: der Terrorismus. Den aber gab es damals noch gar nicht in der Form. Die NATO brauchte also ein Feindbild. Jetzt stehen wir in einer sehr schwierigen Phase, die teilweise schon kriegerisch und kaltkriegerisch ist. Entscheidend ist die Frage, ob wir den Übergang in eine multipolare Welt mit China, Europa und den USA als großen Blöcken schaffen. Das wäre mein Positivszenario, aber dafür müssen sich die großen Player an gewisse Spielregeln halten. Die Alternative wäre ein neuer kalter Krieg zwischen einem chinesisch und einem amerikanisch dominierten Block. Im schlimmsten Fall heißt das Krieg, mein Szenario Nummer drei. Dann ist das Licht für lange Zeit erst einmal aus.

    Smart Investor: Hält nicht gerade die Trump-Regierung den Schlüssel für eine Verbesserung des Verhältnisses zu Russland in Händen?

    Otte: Die Sanktionen werden fleißig verlängert, und die sind ein Witz. Deutschland und Österreich bezahlen, Amerika macht weiter gute Geschäfte – denn die US-Sanktionen richten sich nur gegen russische Einzelpersonen. Trump unterläuft die angesprochene Blockbildung. Aber gleich zu Beginn hat man seinen designierten Sicherheitsberater Michael Flynn „abgeschossen“, weil der für eine Kooperation mit Russland war. Trump befindet sich in einem epochalen Kampf mit dem Tiefen Staat. Putin hat sich durch eine sehr zuverlässige und kluge Diplomatie eine respektierte Position im Nahen Osten erkämpft. So haben die Kriegstreiber vielleicht weniger Chancen. Trump gehört definitiv nicht zu den Kriegstreibern. Er ist derjenige, der immer für Frieden plädiert hat.

    Smart Investor: Dennoch wird Trump in der hiesigen Presse extrem negativ dargestellt. Was steckt dahinter?

    Otte: Es gibt imperiale Eliten, und die haben im Prinzip alle Interesse an einem Fortbestand der amerikanischen Dominanz: Silicon Valley, Wall Street, der militärisch-industrielle Komplex, große Teile der Politik etc. Man hat sich an die Privilegien einer Vorherrschaft gewöhnt.

    Smart Investor: Und dieser Einfluss reicht bis in die deutschen Medien hinein? 

    Otte: Bis in die deutschen sowieso. Die Öffentlich-Rechtlichen hängen durch die Bank an der Politik. Bei den Printmedien läuft die Beeinflussung über Netzwerke und hochpreisige Anzeigen. Der FOCUS schert ein bisschen aus, DIE WELT bei einzelnen Themen wie der Migration. Das sind auch die einzigen Printmedien, in denen ich noch ab und zu vorkomme.

    Smart Investor: Nun ist Trump allerdings auch Ausdruck des Phänomens Populismus. Warum ist dieses Phänomen eigentlich so hartnäckig? 

    Otte: Die Globalisierung hat dazu geführt, dass die nicht mobilen Produktionsfaktoren wie Arbeit, kleine Mittelständler usw. erpressbar wurden, weil die mobilen Produktionsfaktoren wie Manager, Kapital und Großkonzerne ihre Mobilität international ausspielen konnten. Das führte auch zu einer Entmachtung der Politik. Es fehlen die Korrektive. Die Mittelschicht merkt, dass da etwas schiefläuft, und Trump hat ihr aus dem Herzen gesprochen. „America first“ ist ja nichts Neues. Nur bei ihm heißt das, erst einmal vor der eigenen Haustür zu kehren: Schulen, Kriminalität, Infrastruktur. Obama, die Bushs oder Clinton haben dagegen eine internationale America-first-Politik betrieben. Die haben das nur anders verkauft.

    Smart Investor: Dennoch formieren sich gegen diese Politik Kräfte, die auch auf den zweiten Blick nicht viel miteinander zu tun zu haben scheinen. Wie sehen Sie das?

    Otte: Es gibt diese Allianz zwischen globalem Kapital, globalen Konzernen, politischem Islam und linkem Denken. Linkes Denken will Strukturen zerstören, das will der globale Kapitalismus auch: freie Fahrt ohne politische Bremsen. Der politische Islam nutzt das im Moment auch, und jeder glaubt, er könne den anderen eingrenzen und für sich einspannen. Fridays for Future ist absolut systemkonform.

    Smart Investor: Kommen wir einmal zum Geld. Sie sehen Geld – im Gegensatz zur Österreichischen Schule – als staatliches Phänomen. Ist es nicht gefährlich, das Geld der Politik zu überlassen?

    Otte: Natürlich ist die Modern Monetary Theory Quatsch. Es ist klar, dass das am Ende gegen die Wand fährt. Für mich ist die Qualität des Geldes ein Gradmesser für die Qualität der Rechtsordnung insgesamt. Solange die Rechtsordnung stimmt und das Geld von einer Institution mit strengem Mandat wie der alten Bundesbank herausgegeben wird, kann das relativ lange gut funktionieren. Mit Geld als privatem Zahlungsmittel habe ich ein Problem. Wenn ich überlegen muss, ob Kryptowährung A, B oder C besser ist, dann überlastet das mich und wohl auch 95% der Privatpersonen. Außerdem kann auch das irgendwann ebenso zu privatem Monopolgeld führen. Ein einheitlicher Geldmaßstab – am besten mit Golddeckung –, der für alle gleich ist, ist meines Erachtens unglaublich wichtig für das Wirtschaftsleben.

    Smart Investor: Stichwort Rechtsordnung: Unter Mario Draghi haben wir gesehen, dass eine Rechtsordnung zwar formal existiert, aber bis zur Unkenntlichkeit politisiert werden kann. Was erwarten Sie von der Nachfolgerin Christine Lagarde?

    Otte: Es wird schlimmer werden, weil die Verwerfungen schlimmer sind. Wir steuern jetzt auf die nächste große realwirtschaftliche Bewährungsprobe zu: Zum einen, wenn – wie Dr. Markus Krall sagt – das Bankensystem in die roten Zahlen rutscht, zum anderen haben wir einen Einbruch bei den Exporten. Unter Lagarde wird der „Hyperdrive“ weitergehen. Sie wird noch härter und mit zwangssozialistischen Beglückungsmaßnahmen eingreifen. Für das normale Bürgertum ist das eine zusätzliche Enteignung.

    Smart Investor: Die Bundesrepublik scheint den Zugang zu ihren Erfolgsfaktoren verloren zu haben. Was waren aus Ihrer Sicht die wesentlichen falschen Weichenstellungen? 

    Otte: Helmut Kohl war ökonomisch völlig uninteressiert und hat zwei Kardinalfehler begangen: Der eine war der Euro, ein rein politischer Deal, der uns unglaublich geschadet hat. Der andere war das völlig falsch aufgezäumte Wirken der Treuhand in den neuen Bundesländern. Warum hat man da nicht eine Sonderwirtschaftszone gemacht, gerne auch mit eigener Währung? Aber das haben die Gewerkschaften und die Politik verhindert.

    Smart Investor: Dazu kamen die Fehlentscheidungen der Ära Merkel?

    Otte: Angela Merkel ist für mich der Jürgen Schrempp für Deutschland – der hat ja auch alles falsch gemacht, was er je entschieden hat. Man hätte natürlich die sogenannte Eurorettung, die ja keine war, ganz anders machen können. Auch die Grenzöffnung und das Migrationsproblem wurden massiv unterschätzt. Dazu kommt eine falsche bzw. fehlende Industriepolitik. Zumindest sollte man auf die eigenen Unternehmen nicht auch noch zusätzlich draufhauen, wenn sie schon vom Ausland Haue bekommen. Wir machen zwar immer noch viele Erfindungen in Deutschland, aber die werden vor allem im Ausland genutzt. Zudem haben wir einen Ausverkauf unserer Industrie betrieben.

    Smart Investor: Apropos „Haue“: Sie sprechen von einem „Zermürbungskrieg gegen das deutsche Banksystem“ und einem „Feldzug gegen die Automobilbranche“. Woran erkennen Sie die Planmäßigkeit?

    Otte: Es geht um Herrschaft. Die Wirtschaft ist die Basis dafür. Die Amerikaner machen das, indem sie nationales Recht global unilateral anwenden. Das ist eine Art Imperialismus. Das Finanzsystem wurde nach der Finanzkrise gleichgeschaltet. Vor 2008 hatten wir ein gut funktionierendes, kreditorientiertes Bankensystem in Europa, nicht ein börsenorientiertes wie in der angelsächsischen Welt. Auch der Dieselkrieg ist bekannt. Wenn man einen Konkurrenten ausschalten, klein machen oder sich einverleiben will, ziehen in den USA Wirtschaft und Politik an einem Strang.

    Smart Investor: Sie beschreiben eine unheimliche Gemengelage an Fehlentwicklungen. Wo sehen Sie den wahrscheinlichsten Auslöser für einen „Weltsystemcrash“?

    Otte: Es gibt mehrere mögliche Auslöser, aber wie es konkret ablaufen wird, wissen wir natürlich nicht. Im Moment gibt es nicht so viele Blasen. Gute Immobilien sind aufgrund der Niedrigzinsen teuer. Das europäische Bankensystem fährt vor die Wand. Handels- und Währungskriege drohen zu eskalieren. Aber es ist nicht klar, welche Maßnahmen die EZB unter Lagarde ergreifen wird. Noch mehr „Hyperdrive“ und/oder noch mehr staatliches Diktat? Im zweiten Fall frieren irgendwann die Märkte ein. Es gibt dann zunächst keinen Finanzcrash, aber die ökonomische Aktivität erlahmt.

    Smart Investor: Was wären denn die richtigen Maßnahmen?

    Otte: Richtig wären kleinere Strukturen, eine atmende Eurozone und ein schrittweiser Ausstieg aus den Niedrigzinsen. Ein Teil des Geldvermögens wird dabei vernichtet werden müssen. Mit der Sanierung des Bankensystems sind die Amerikaner nach der Finanzkrise vorangekommen. In Europa wurden dagegen die Garantien und damit auch die Risiken weiter erhöht. Insgesamt muss Europa selbstbewusster werden und von der Basis her zusammenwachsen, nicht wie jetzt über diese Monsterbürokratie.

    Smart Investor: Vielen Dank für Ihre interessanten Ausführungen. 

    Interview: Ralf Flierl, Ralph Malisch / Smart Investor

    Prof. Dr. Max Otte (Jahrgang 1964) wurde einem breiten Publikum durch seinen Bestseller „Der Crash kommt“ aus dem Jahr 2006 bekannt. Otte gründete im Jahr 2003 die IFVE Institut für Vermögensentwicklung GmbH und ist als Fondsmanager, Politikberater sowie unabhängiger Finanz- bzw. Wirtschaftsanalyst tätig. Das Magazin Cicero kürte ihn dieses Jahr unter Deutschlands Intellektuellen zum Aufsteiger des Jahres.

    (Dieses Interview aus der Smart Investor-Ausgabe 12/19 bezieht sich auf Daten, die bis zum 23.11.2019 erfasst wurden.)

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