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    Exklusiv im Interview  2741  0 Kommentare Deutsche Familienversicherung: „Das ist eine unglaubliche Leistung“

    Seit Tagen geht es für die Aktie der Deutsche Familienversicherung, kurz DFV, vor allem nach oben. Eine neue Kooperation sorgt für klare Impulse beim Kurs. Stefan Knoll, Gründer und Vorstandschef der DFV, erklärt die Hintergründe dieser Zusammenarbeit im Interview mit unserer Redaktion und zeigt die weiteren Perspektiven auf. Der Kundenbestand der DFV dürfte sich deutlich vergrößern, das sollte auch Auswirkungen auf die Bestandsbeiträge haben.

    www.4investors.de: Am 4. Dezember feierte die DFV-Aktie ihr einjähriges Börsenjubiläum. Im Rückblick: Was hätten sie anders machen sollen, worauf sind sie besonders stolz?

    Knoll: Wir waren vor einem Jahr das erste Insurtech Europas, das den Sprung an die Börse geschafft hat. Ein solch gewaltiges Projekt mit damals nur 111 Mitarbeitern zu realisieren – das ist eine unglaubliche Leistung und erfüllt mich bis heute mit Stolz! Seit Dezember 2018 haben wir als Unternehmen viel erreicht. Mittlerweile verwalten wir fast eine halbe Million Policen und haben bei den Bestandsbeiträgen unser Jahresziel von 100 Millionen Euro bereits zum Ende des dritten Quartals 2019 nahezu erreicht. Im Hinblick auf die Generierung von 100.000 Neuverträgen zum Jahresende liegen wir ebenfalls voll im Plan, und wir haben unser Produktportfolio noch einmal erweitert, beispielsweise im Bereich der Tierkrankenversicherungen. Insgesamt haben wir seit unserem Sprung aufs Börsenparkett also einige wichtige Meilensteine passiert und blicken optimistisch in die Zukunft.

    www.4investors.de: Einerseits haben sie sich bei der Präsentation auf dem Eigenkapitalforum in Frankfurt als Insurtech bezeichnet, andererseits klingt der Firmenname sehr traditionell. Ein Widerspruch?

    Knoll: Nein, das sehe ich nicht so. Unter dem Begriff Insurtech verstehen wir eine Verbindung aus Versicherung und Technologie. Wir sind ein funktionierendes Versicherungsunternehmen, das alle Vorgänge – von der Produktentwicklung, über Vertrieb und Controlling bis zu Schaden/Leistung – selbst abbildet. Gleichzeitig haben wir unsere gesamte Wertschöpfungskette digitalisiert. Insofern finden wir uns in dieser Definition wieder. Es ist allerdings richtig, dass der Name „Deutsche Familienversicherung“ in der Insurtech-Branche, die an Anglizismen alles andere als arm ist, etwas ungewöhnlich sein mag. Allerdings ist in der deutschen Versicherungslandschaft, in der einige Mitbewerber teils auf eine lange Unternehmensgeschichte zurückblicken können, Vertrauen seit jeher ein elementares Gut. Daher haben wir uns seinerzeit für diesen Namen entschieden, da er auch bei Personen, die nicht im Detail mit der Versicherungsbranche vertraut sind, Vertrauen weckt.

    www.4investors.de: Wo würden sie heute ohne die Bewertungen der Stiftung Warentest stehen?

    Knoll: In Deutschland ist die Stiftung Warentest eine gleichermaßen etablierte und gewichtige Instanz, die das Vertrauen der Kunden auch im Hinblick auf Versicherungen maßgeblich prägt. Umso mehr freut es uns, dass uns die Qualität unserer Produkte in schöner Regelmäßigkeit durch diese Institution bescheinigt wird.

    www.4investors.de: Die DFV hat weniger als 120 Mitarbeiter und bewältigt 150.000 Schadensfälle. Wie schafft man das?

    Knoll: Unser hochmodernes und skalierbares IT-System, das wir selbst entwickelt haben, setzt nicht nur neue Maßstäbe in der Versicherungsbranche, sondern spart auch enorme Ressourcen. Das zeigt sich gerade bei der Bearbeitung von Schadensfällen, die bei uns zu einem überwiegenden Anteil mittels automatischer Prozesse vonstatten geht. Dass bei uns auf einen Mitarbeiter mittlerweile fast 4.300 Verträge kommen, ist ein weiterer Beweis für die beeindruckende Skalierbarkeit unseres Geschäftsmodells.

    www.4investors.de: Im kommenden Jahr wird ihr Neugeschäft vermutlich deutlich steigen. Wie wird sich dies auf die Zahl der Mitarbeiter auswirken? Finden sie fähiges Personal am Markt?

    Knoll: Bisher ist es uns hervorragend gelungen, unser enormes Wachstum mit einer verhältnismäßig geringen Mitarbeiterzahl zu bewerkstelligen. Dennoch werden wir in den kommenden Monaten und Jahren unseren Personalbestand aufstocken müssen. Schon heute machen IT-Spezialisten bei uns im Vergleich zu anderen Versicherern einen überproportional hohen Anteil an der Gesamtbelegschaft aus. Auch zukünftig werden wir in diesem Bereich Fachkräfte rekrutieren, ebenso im den Bereichen Recht und Datenanalyse.

    www.4investors.de: Ein neuer Tarifvertrag der Gewerkschaft IG BCE mit dem Arbeitgeberverband BAVC beinhaltet für die Tarifbeschäftigten auch die Möglichkeit einer Pflegezusatzversicherung, die sie ab Sommer 2021 zusammen mit Partnern anbieten werden. Wie viele solcher Versicherungen wollen sie aufgrund dieses Vertrags abschließen?

    Knoll: In der Chemie- und Pharmaindustrie, für die der neue Tarifvertrag gilt, arbeiten rund 580.000 Personen. Darunter sind rund 435.000 Tarifbeschäftigte, die die Pflegezusatzversicherung CareFlex Chemie automatisch erhalten werden. Außertariflich Beschäftigte der Branche können ebenfalls von CareFlex profitieren, wenn ihr Arbeitgeber dies vereinbart. Darüber hinaus können die Mitarbeiter auch nahe Angehörige absichern, also zum Beispiel den eigenen Ehepartner, ihre Kinder oder die Eltern. Durch dieses bundesweit einzigartige Modell betrieblicher Krankenversicherung wird sich unser Kundenbestand also in jedem Fall deutlich vergrößern.

    www.4investors.de: Und welche finanziellen Auswirkungen hat dies auf ihr Geschäft?

    Knoll: Dank CareFlex Chemie werden wir die Zahl der von uns verwalteten Verträge erheblich steigern. Es ist klar, dass damit auch ein Anstieg der Bestandsbeiträge einhergehen wird.

    www.4investors.de: Warum haben sich die Tarifpartner für die DFV entschieden?

    Knoll: Obwohl wir ein vergleichsweise kleines Versicherungsunternehmen sind, verfügen wir im Bereich der Pflegezusatzversicherungen über einen großen Erfahrungsschatz. Seit Einführung unserer ersten Pflegezusatzversicherung im Jahr 2012 haben wir die Pflegevorsorge in Deutschland revolutioniert und dominieren den Markt produktseitig. Zudem haben wir bereits Anfang dieses Jahres beim Düsseldorfer Konzern Henkel ein vergleichbares Modell für eine betriebliche Pflegeversicherung etabliert.

    www.4investors.de: Kann der neue Vertrag eine Blaupause für andere Tarifverträge sein? Gibt es da schon entsprechende Nachfragen?

    Knoll: Derzeit haben erst 2,7 Millionen Deutsche eine Pflegezusatzversicherung abgeschlossen, ein eklatant niedriger Wert. Die private Pflegevorsorge ist angesichts der steigenden Zahl an Pflegefällen in Deutschland ein elementarer Bestandteil der Lebensplanung. Zukünftig werden nur diejenigen einen Anspruch auf eine Pflegekraft haben, die die Finanzierungslücke zur gesetzlichen Pflegeversicherung schließen. Deshalb rate ich jedem, sich mit dem Thema Pflege zu beschäftigen und sich entsprechend abzusichern. Vor diesem Hintergrund kann man auf jeden Fall konstatieren, dass CareFlex Chemie ein Pionierprodukt ist, das in der betrieblichen Pflegevorsorge neue Maßstäbe setzt.

    www.4investors.de: Bis zum Jahresende sollen die Bestandsbeiträge auf 100 Millionen Euro anwachsen. Ist das eine konservative Prognose?

    Knoll: Im Vorjahr lag unser Prämienvolumen noch bei 75 Millionen Euro. Die Erreichung dieses Ziels würde also einen Zuwachs von über 30 Prozent bedeuten. Insofern würde ich diese Frage verneinen; wir sind auf dem besten Weg, auch diesen Meilenstein zu erreichen.

    www.4investors.de: Wie sieht eine erste Prognose für 2020 auch hinsichtlich der Neukunden aus?

    Knoll: Zunächst einmal haben wir unser Ziel von 100.000 Neukunden im Jahr 2019 fest im Blick. Damit würde die Deutsche Familienversicherung zu den fünf wachstumsstärksten Versicherungsunternehmen bezüglich des Neugeschäfts im Krankenzusatzbereich in Deutschland gehören. Natürlich möchten wir diesen Wachstumskurs auch im neuen Jahr fortsetzen.

    www.4investors.de: In diesem Jahr werden sie aufgrund der Investitionen einen Verlust schreiben. Auch 2020 soll es ein Minus geben, erst für 2021 peilen sie deutliche Gewinne an. Bleibt es bei diesen Aussagen?

    Knoll: Es stimmt, im laufenden Geschäftsjahr 2019 kalkulieren wir einen Jahresverlust, der deutlich reduziert wird. Im kommenden Jahr könnte dann aber schon eine rote Null in den Büchern stehen. Ab 2021 wollen wir dann profitabel arbeiten und zügig dividendenfähig werden.

    www.4investors.de: Sie hatten angekündigt, 2019 eine Expansion ins Ausland zu prüfen. Wie weit sind sie mit den Überlegungen fortgeschritten?

    Knoll: Bei den Bestandsbeiträgen haben wir unser Jahresziel bereits Ende September 2019 nahezu erreicht. Das motiviert uns, das enorme Marktpotenzial für digitale Versicherungen mittelfristig auch in Europa auszuschöpfen. Derzeit sind wir noch damit befasst, unsere bevorzugten Zielmärkte zu identifizieren. Nach einem entsprechenden Beschluss zur Europäisierung unseres Geschäftsmodells werden wir dann im kommenden Jahr in die Planung einsteigen.

    www.4investors.de: Wieso bringen sie ein neues Produkt in bis zu vier Wochen auf den Markt, während andere Unternehmen dazu ein Jahr benötigen?

    Knoll: Wir schaffen nicht nur den Abschluss einer Police und die Fallbearbeitung in Höchstgeschwindigkeit, auch bei der Entwicklung neuer Produkte sind wir sehr schnell unterwegs. Wir beobachten kontinuierlich den Versicherungsmarkt und die Bedürfnisse unserer Kunden und ziehen daraus unsere Schlüsse für die Weiterentwicklung unseres Produktportfolios. Gleichzeitig beschäftigen wir Mitarbeiter, die dazu in der Lage sind, solche Prozesse in kürzester Zeit umzusetzen und marktreife Versicherungsprodukte zu entwickeln.

    www.4investors.de: Vergleichbare amerikanische Mitbewerber liegen bei der Marktkapitalisierung um ein 10- bis 20-faches höher als die DFV. Ist das ein übertriebener US-Ansatz oder ist der deutsche Markt zu vorsichtig?

    Knoll: Ich gebe zu, dass ich mit der Bewertung des Unternehmens nicht zufrieden bin. Der deutsche Kapitalmarkt hat noch immer nicht erkannt, dass es eine gewaltige Leistung ist, im wachstumsschwachen Versicherungsmarkt so deutliche Zuwächse wie wir zu erzielen. Außerdem bilden wir von unseren Produkten über deren Vertrieb bis hin zur Schadensregulierung so gut wie alle Prozesse mit unseren eigenen Mitarbeitern ab. Andere Insurtechs, die in jeder Hinsicht kleiner sind als die DFV, aber um ein vielfaches höher bewertet werden, können das nicht von sich behaupten. Ich bin deshalb nicht automatisch neidisch auf unsere Wettbewerber, und wir sind auch schon seit über zehn Jahren am Markt. Nichtsdestotrotz wundere ich mich des Öfteren schon über die Anlagestrategien mancher Investoren.

    Dieses Interview ist eine Kooperation von wallstreet-online mit der Redaktion von www.4investors.de.




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